Hochschul-Rankings und ihre AuswirkungenReport der europäischen Hochschulrektorenkonferenz EUA
Die European University Association (EUA), die ca. 850 Hochschulen aus 47 Ländern repräsentiert, hat am 17.6. der Öffentlichkeit einen kritischen Ranking-Report vorgestellt, der sich mit den am meisten rezipierten internationalen Hochschulrankings beschäftigt.1 Ausgangspunkt ist dabei, dass seit dem erstmalig 2003 veröffentlichten Shanghai-Ranking die Zahl der Rankings mit internationalem Anspruch und die Aufmerksamkeit für diese Art der Leistungsklassifikation von Hochschulen exponentiell gewachsen sind. Das ist gleichbedeutend mit einer neuartigen politischen Bewertungs- und Entscheidungsgrundlage – ob einem dies nun gefällt oder nicht. Dabei ist zwischen Befürwortern und Gegnern seit je umstritten, ob Rankings eine Realität lediglich abbilden oder diese selektiv neu konstruieren (»constructive effects«, 20).
Gute Argumente für Ranking-KritikerInnen
Der EUA-Report liefert den KritikerInnen zunächst gute Argumente. Rankings sind tatsächlich zunehmend ausschlaggebend für Hochschulstrukturentwicklungen, bildungspolitische Entscheidungen und Finanztransfers – unabhängig von der Beurteilung der - durchaus problematischen – Bewertungsmaßstäbe.(20) Dafür bürgt allein die Scheinobjektivität (und ideologische Neutralität) von Zahlen im Sinne der in der Regel quantitativen Indikatoren und der Platzierung auf einer Tabelle. (12,14)
Rankings lenken den Blick auf (zu) wenige
Bemerkenswert ist, dass in den zentralen Rankings von ca. 17.000 Universitäten weltweit lediglich ein bis drei Prozent (in Zahlen: 200-500) überhaupt auftauchen und der Rest weitgehend ignoriert bleibt. (7,13) In diesen Rankings dominiert die Bewertung der (Spitzen-) Forschung (12), die Lehre und andere gesellschaftlich relevante Funktionen von Hochschulen spielen keine Rolle (16, 61). Gleichzeitig werden die Fachgebiete einseitig gewichtet: Naturwissenschaften (sciences) und Medizin dominieren, Sozialwissenschaften sind unterrepräsentiert, Geisteswissenschaften (humanities) tauchen kaum auf. (14, 64)
Wenn die Forschungsleistung (ziemlich häufig) nach bibliometrischen Indikatoren (Publikationsanzahl, Zitationshäufigkeit) gemessen wird, werden Veröffentlichungen in einschlägigen (peer-reviewed) englischsprachigen Fachzeitschriften (z. B. Science und Nature) bevorzugt. Andere Fachkulturen und Wissenschaftssprachen spielen keine Rolle, ebenso wenig Veröffentlichungen in Buchform oder Sammelbände. Kurz: Ein erheblicher Teil relevanter und diskutierenswerter Wissenschaft ›verschwindet‹ einfach. (15, 65)
Am Schluss listet die EUA akribisch die Manipulationsmöglichkeiten und Fehlerquellen auf, wenn Rankings zu ernst genommen werden. (66-67). Das EUA-Fazit lautet, dass bei den dominierenden Rankings die nicht-intendierten negativen Effekte (»unwanted consequences«) den Nutzen überwiegen. (8, 68)2
Genügt eine "Demokratisierung von Rankings"?
Angesichts dieser massiven Kritik dürfte für viele LeserInnen die ›konstruktive‹ Wende, die die EUA dann hinlegt, kaum nachvollziehbar sein. Sie geht davon aus, dass Rankings eine nicht hintergehbare Realität darstellen, mit der man realpolitisch umgehen müsse: »Whether one likes global university rankings or not, they are here to stay.« (20).
Die Lösung lautet: es gäbe einen Bedarf an ›demokratischen‹ Rankings. (16). Damit ist zunächst gemeint, dass die Vielfalt der spezifischen Leistungen und Profile aller Universitäten gegenüber den dominanten Eliten-Rankings sichtbar gemacht werden müsse. Dazu gesellt sich ein Set hochschulpolitischer Zielsetzungen, die in der Zukunft aufgewertet gehören. Ausdrücklich genannt werden: Verbesserung der Lehr-/Lernqualität, der Beitrag von Hochschulen zur regionalen Strukturentwicklung, zur stärkeren Ermöglichung eines berufsbegleitenden Studiums und zum Lebenslangen Lernen. (16). Diese Ziele müssten in entsprechend neuartigen Bewertungsmaßstäben und Indikatoren (»broaden the focus«, 8) – kurz: in ›besseren‹ Rankings – ihren Ausdruck finden.
Rankings ungeeignet, um breite Verbesserung der Hochschulen zu erreichen
Viele der im EUA-Report genannten hochschulpolitischen Ziele sind unterstützenswert. Die Frage bleibt jedoch unbeantwortet, warum sie vorrangig als Funktion von Rankings durchgesetzt werden müssen? Bildungspolitische Reformen können auch in Form von politischen – oder politisch begleiteten – Entscheidungen, Zielvereinbarungen, Ressourcenzuteilungen und/oder auf Verallgemeinerung angelegten Modellversuchen implementiert werden.
Die Hochschulen könnten der Öffentlichkeit vor diesem Hintergrund transparente Informationen über ihre Angebote und Verbesserungsvorhaben darlegen, ohne dass irgendein Sachzwang existierte, diese Informationen in Form einer Hierarchie aufzubereiten.
Die Funktion von Rankings sind hingegen gerade nicht gesellschaftlich verallgemeinerungsfähige Reformen, sie sollen vielmehr Leistungsabstände sichtbar machen und vertiefen, was in der Regel mit finanziellen Umverteilungen einhergeht. Wenn etwa die Lehre durch Rankings verbessert werden soll, wird damit allein durch das Verfahren in Kauf genommen, dass diese im unteren Teil des Spektrums ›schlecht‹ und unterfinanziert bleibt – zum völlig unverdienten Schaden der Studierenden oder der regionalen Umgebung.
Fußnoten
1 Download des Reports: http://www.eua.be/pubs/Global_University_Rankings_and_Their_Impact.pdf (Seitenzahlen im Text)
2 Eine davon abweichend positive Bewertung erfährt allerdings das CHE-Ranking (44ff), weil es keine Tabellen sondern (vier) Ranggruppen bildet, auf Studierendenbefragungen mit aufbaut und so Studienwahlentscheidungen erleichtern würde. Dabei gibt es auch beim CHE-Ranking einiges zu kritisieren, vgl.:
https://www.studis-online.de/Studieren/art-1214-zeit-che-uniranking-2011.php
https://www.studis-online.de/HoPo/Hintergrund/interview_knobloch.php
Der Autor
Torsten Bultmann, Jg. 1954, Bonn, studierte Geschichte, Germanistik und Pädagogik, arbeitete lange in der Studierendenbewegung und interessiert sich auch heute noch zäh für Hochschulpolitik. Er ist Bundesgeschäftsführer des Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi).