Wahlprüfsteine HochschulpolitikAntworten der LINKEN Bremen
1. Die gesicherte Studienfinanzierung ist ein entscheidender Faktor, um Menschen aus allen sozialen und gesellschaftlichen Schichten ein Studium zu ermöglichen. In Deutschland spielen hierbei derzeit das Unterhaltsrecht und das BAföG eine zentrale Rolle.
In welche Richtung sollten diese rechtlichen Grundlagen nach Ihrer Vorstellung weiterentwickelt werden? Wollen Sie sich über den Bundesrat für eine vom Einkommen der Eltern unabhängige Studienförderung und den Umbau des Unterhaltsrechts einsetzen?
Damit der Zugang zur Hochschulbildung nicht vom Elternhaus abhängt, fordert DIE LINKE die Umgestaltung des BAföG zu einer Bedarf deckenden, elternunabhängigen, rückzahlungs- und repressionsfreien Studienfinanzierung. Bildung darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen. In keinem Industrieland der Welt bestimmt das Einkommen der Eltern so sehr die Bildungschancen ihrer Kinder wie in Deutschland.
2. Das "Deutschlandstipendium" ist zum Sommersemester 2011 gestartet und soll den "leistungsstärksten" Studierenden pro Monat 300 Euro - je zur Hälfte finanziert durch den Bund und private Sponsoren - einbringen.
Wie stehen Sie zu diesem Modell? In welchem Verhältnis stehen für Sie leistungsabhängige Stipendien und BAföG?
Das vollmundig angekündigte Programm des sogenannten Deutschlandstipendiums wird noch nicht einmal 1 % der Studierenden in Deutschland erreichen und in der Regel vor allem die, die gar keine weitere finanzielle Hilfe mehr benötigen. Genau aus diesem Grund ist das Programm sozialpolitisch fragwürdig und fördert nur die weitere Umverteilung von Unten nach Oben. Sinnvoller wäre es gewesen, mit diesen Mitteln eine BAföG-Erhöhung vorzunehmen, die denen zu Gute kommt, die sich das Studium sonst nicht leisten könnten.
3. Allgemeine Studiengebühren werden in immer weniger Bundesländern erhoben. In sieben Bundesländern waren sie eingeführt worden, in dreien (Hessen, Saarland und NRW) sind sie mittlerweile wieder abgeschafft worden und auch in Baden-Württemberg und Hamburg ist geplant, sie in den kommenden Semestern abzuschaffen. Bayern dagegen hat dieses Jahr bei berufsbegleitenden Bachelor-Studiengängen sogar höhere Studiengebühren von zunächst bis zu 2000 Euro zugelassen. Welche Pläne verfolgen Sie diesbezüglich für Bremen? Welche Rolle soll Ihrer Ansicht nach die öffentliche Finanzierung des Bildungssystems spielen?
Wir haben gemeinsam mit den Studierenden immer wieder erfolgreich gegen die drohende Einführung von Studiengebühren gekämpft. Aktuell steht es an, versteckte Gebühren (bei obligatorischen Zertifikaten, Sprachtests, Verwaltungsgebühren usw.) zurückzudrängen und das nach wie vor bestehende "Studienkontenmodell" mit seinen Langzeitgebühren abzuschaffen. Die öffentliche Finanzierung des Bildungssystems ist für DIE LINKE von zentraler Bedeutung: Einerseits um egalitären Zugang zur Bildung für Alle zu ermöglichen, andererseits um die Vielfalt unserer Hochschulen zu bewahren, die durch den grassierenden Ökonomisierungsdruck (Drittmittel, Stiftungsprofessuren) in Frage gestellt wird.
4. In den letzten Jahren wurden an vielen deutschen Hochschulen demokratische Strukturen abgeschafft oder durch - in der Regel nicht demokratisch legitimierte - Gremien wie die Hochschulräte in ihren Kompetenzen beschnitten.
Was für eine Rolle soll Demokratie an der Hochschule nach Auffassung Ihrer Partei spielen? Haben Sie Konzepte für eine stärkere Demokratisierung der Hochschulen und wenn ja, welche?
DIE LINKE teilt die Bedenken der Studierenden, die um ihre Gestaltungskompetenzen fürchten. Wir treten klassisch für Drittelparität in allen Gremien ein und halten das Urteil des Verfassungsgerichte aus dem Jahre 1973 für dringend überprüfungsbedürftig (hier wurden paritätische Gremien mit Verweis auf die Freiheit von Forschung und Lehre für verfassungswidrig erklärt). Außerdem fordern wir ein allgemeines Mandat demokratisch legitimierter Studierendenvertretungen: ASten sind wichtige Institutionen im universitären Diskurs, sollen aber auch darüber hinaus von ihrer Meinungsfreiheit Gebrauch machen dürfen. Gesetzliche Gängelei und Bevormundung lehnen wir strikt ab.
5. Die finanzielle Situation der Länder und Kommunen hat sich in den vergangenen Jahren durch eine Vielzahl von Steuerrechtsänderungen stark verschlechtert. Dem Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung zufolge könnte der Staat alleine 2010 über Mehreinnahmen von 51,5 Mrd. Euro verfügen, würde heute das Steuerrecht des Jahres 1998 gelten.
Was für Pläne verfolgen Sie, um die prekäre finanzielle Lage der Bundesländer zu verbessern? Wie stehen Sie in diesem Zusammenhang zu dem aktuellen System des Bildungsföderalismus?
DIE LINKE hat Konzepte zu einer grundlegenden Änderung des deutschen Steuersystems und damit zur "Konsolidierung" der öffentlichen Haushalte vorgelegt. So könnten mit einer deutlich stärkeren Besteuerung bei Reichen und Vermögenden jährlich 180 Milliarden Euro in die öffentlichen Kassen mehr fließen. Das Herzstück des linken Steuerkonzepts ist die "Millionärsteuer", die alleine 80 Milliarden zusätzliche Steuereinnahmen bringt. Mit dieser Wiedereinführung der Vermögenssteuer ab einem Vermögen von einer Million und einem Steuersatz von fünf Prozent fließt vor allem viel Geld in die Länderhaushalte. Vermögensteuer ist Ländersteuer; so steht es im Grundgesetz. Damit können die Länderhaushalte saniert und in die Lage versetzt werden, eine Reformpolitik im Interesse der Menschen umzusetzen.
Stichwort Bildungsföderalismus: Das grundgesetzlich festgehaltene Verbot der Zusammenarbeit von Kommunen, Ländern und dem Bund in der Bildungspolitik war der schwerste bildungspolitische Fehler der jüngeren Geschichte und muss endlich behoben werden, da der Wettbewerbsföderalismus in der Bildung offensichtlich nicht funktioniert. Das Kooperationsverbot muss abgeschafft werden, damit Bund und Länder in der Bildungspolitik zusammenarbeiten können. DIE LINKE hat einen Antrag zur Aufhebung des Kooperationsverbotes in den Deutschen Bundestag eingebracht.
6. Eine vor kurzem veröffentlichte Studie des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) hat ergeben, dass "bis 2020 bis zu einer Million mehr Studienplätze erforderlich [sind]. Unter Berücksichtigung des Hochschulpakts besteht somit ein Finanzierungsbedarf für weitere 700.000 Plätze. Dieser Bedarf an Studienplätzen ergibt sich daraus, dass bis 2020 jedes Jahr mindestens 400.000 Studienanfänger an die Hochschulen drängen." Stimmen Sie dieser Einschätzung zu? Wenn ja, wie wollen Sie die Vergrößerung des Studienplatzangebots realisieren?
Es gibt unterschiedliche Prognosen, die sich aber darin einig sind, dass der "Hochschulpakt" zu kurz greift und dem zukünftigen Bedarf nicht gerecht werden kann. Hier muss dringend nachgebessert und signifikant zusätzliches Geld in die Hand genommen werden. Je später sich Bund und Länder in dieser Frage einig werden, desto prekärer werden sich die Zustände an den Hochschulen entwickeln. Wir treten für eine erhöhte Grundfinanzierung ein, wollen die Betreuungsrelationen verbessern und Investitionsmittel für die Ausstattung der Hochschulen erhöhen.
7. Aktuell wird der Bachelor-Abschluss für immer mehr Studierende zur Sackgasse, da es nicht genug Master-Studienplätze gibt. Wie stehen Sie zu der Umsetzung des Konzepts der Bachelor-Master-Studiengänge in Deutschland - i.d.R. sechssemesteriges Bachelor-Studium, Übergangsquoten in Höhe von ca. 30 - 70%, Neubewerbung für ein Master-Studium? Welchen Entwicklungsbedarf und welche Hürden sehen Sie auf diesem Gebiet? Sollte nach Auffassung Ihrer Partei allen BachelorabsolventInnen der Rechtsanspruch auf einen Masterplatz eingeräumt werden?
In einer Untersuchung der "European University Association" gaben nur 15% der befragten Hochschulleitungen an, dass sie im Bachelor eine geeignete Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt sehen (2010). DIE LINKE Bremen hat auch deshalb immer auf "Masterplätze für Alle" gepocht, sei es bei den Bildungsprotesten der letzten Jahre oder in der Bürgerschaft. Wir sind überzeugt: Wer in Bremen einen Bachelor abschließt, muss in Bremen einen Platz in einem konsekutiven Masterprogramm erhalten (können). Das wollen wir verbindlich geregelt sehen. Entsprechende Anträge hat DIE LINKE eingebracht, waren in der Bürgerschaft bisher aber nicht mehrheitsfähig.