Wahlprüfsteine HochschulpolitikAntworten der FDP Baden-Württemberg
Wie sollten diese rechtlichen Grundlagen nach Ihrer Vorstellung weiterentwickelt werden? Könnten Sie sich vorstellen, sich über den Bundesrat dafür einzusetzen das Unterhaltsrecht z. B. in Richtung einer vom Einkommen der Eltern unabhängigen Förderung zu reformieren?
Das Anliegen ist für uns Liberale nachvollziehbar: ein funktionierendes Unterhaltsrecht ist ein wichtiger Baustein für eine wirtschaftlich gesicherte Existenz, insbesondere auch für Studierende. Jedoch sollte auch weiterhin keine "Vermischung" der unterschiedlichen Leistungssysteme erfolgen. Staatliche Leistungen können und sollen zivilrechtliche Forderungen nicht kompensieren. Daher wird bereits heute BaföG auch dann gezahlt, wenn unterhaltspflichtige Personen existieren, ihren Pflichten aber nicht nachkommen. Der Unterhaltsanspruch kann dann aber von der leistenden Stelle geltend gemacht werden. Dies soll auch weiterhin möglich sein.
2. Die Bundesregierung hat die bundesweite Einführung eines "Deutschlandstipendiums" beschlossen, das den "Leistungsstärksten" pro Monat 300 Euro - je zur Hälfte finanziert durch den Bund und private Sponsoren - einbringen soll. Unterstützen Sie diesen Plan? Wie ist Ihre grundsätzliche Einstellung zu leistungsabhängigen Stipendien im Verhältnis zum BAföG?
Die FDP tritt dafür ein, dass die Studierenden in der Finanzierung ihres Lebensunterhaltes nicht alleine gelassen werden. Die Verantwortung für den Lebensunterhalt während des Studiums liegt in erster Linie bei den Studierenden und ihren Familien. Wenn diese die notwendigen Mittel nicht aufbringen können, dann muss der Bund im Rahmen der Sozialgesetze die entsprechenden Hilfen vorsehen (BAföG). Wir begrüßen daher die von der christlich-liberalen Regierungskoalition im Bund beschlossene deutliche Erhöhung und Ausweitungen der Leistungen nach dem BAföG zum 1.10.2010. Damit wird ein insbesondere von der rot-grünen Bundesregierung hinterlassene Nachholbedarf befriedigt und mehr Chancengleichheit beim Zugang zu unseren Hochschulen geschaffen.
Unabhängig davon bekennt sich die FDP/DVP Baden-Württemberg ausdrücklich zur Begabten- und Hochbegabtenförderung. Die Liberalen stehen für eine Trendwende in der Förderkultur für Talente. Deswegen ist es wichtig, dass künftig auch Hochschulen selbst Stipendien vergeben können. Gerade für Baden-Württemberg wird dies eine wirkliche Chance. Mit dem Vorhaben, zusätzlich bis zu 8% der Studierenden mit elternunabhängigen Stipendien auszustatten, wird ein richtiger Schritt vollzogen. Dieser Aufbruch in eine breitere Stipendienkultur in Baden-Württemberg wird künftig die bewährten Stipendiensysteme der Begabungsförderungswerke und der Wirtschaft ergänzen. Die Vergabe von Stipendien für herausragende Studierende und Doktoranden darf nicht aus ideologischen Gründen in Richtung auf mehr Breite und weniger Höchstleistung getrimmt werden. Der Anteil der Promotionsstipendiaten muss wieder erhöht werden. Die Vergabe von Stipendien für Masterstudiengänge darf auch nicht daran scheitern, dass diese Studiengänge möglicherweise nur 2 Semester dauern. Die FDP tritt dafür ein, die Höhe des elternunabhängig gewährten Büchergeldes bei den Hochbegabtenstipendien an die Höhe des elternunabhängigen Teils des Nationalen Stipendienprogramms anzupassen.
Ebenso soll speziellen Situationen der Studierenden Rechnung getragen werden, indem flexible Studienprogramme (Studieren mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten), berufsbegleitende Studienangebote und die Kreditprogramme der KfW weiter ausgebaut werden, die eine elternunabhängige Studienfinanzierung ermöglichen.
3. Studiengebühren sind seit ihrer Einführung stark umstritten. In sieben Bundesländern wurden allgemeine Studiengebühren eingeführt (darunter auch Baden-Württemberg), zwei (Hessen und Saarland) haben sie mittlerweile wieder abgeschafft, in Nordrhein-Westfalen ist die Abschaffung geplant. Bayern dagegen hat Pläne, bei berufsbegleitenden Bachelor- Studiengängen sogar höhere Studiengebühren von zunächst bis zu 2000 Euro zuzulassen. Welche Pläne haben Sie für Baden-Württemberg?
Wenn sie die Gebühren abschaffen wollen, wie wollen sie mit den Einnahmeausfällen der Hochschulen umgehen?
Die Liberalen bekennen sich zu Studienentgelten als wichtiger Finanzierungssäule des Hochschulwesens, sehen aber die damit einhergehenden Herausforderungen und Belastungen. Die Kosten des Hochschulwesens sollen durch die Studierenden mitgetragen werden, da sie direkt vom öffentlichen Hochschulwesen profitieren. Gleichzeitig ist es der FDP wichtig, dass jeder unabhängig von der finanziellen Ausstattung seines Elternhauses und im Rahmen seiner Leistungsfähigkeiten und Interessen die Möglichkeit zu einer akademischen Ausbildung erhält. Die Erhebung von Studienentgelten oder -gebühren darf die Studierenden und ihre Familien nicht während des Studiums belasten. Die Trennung der Studienfinanzierung vom Einkommen der Eltern, bei gleichzeitiger Fortentwicklung der hervorragenden Qualität baden-württembergischer Hochschulen, sind deshalb zentrale Anliegen.
Die geltende Regelung sofort fälliger Studiengebühren, die durch Darlehen mit schwankenden Zinssätzen finanziert werden können, haben wir mitgetragen, aber wir streben für künftige Studienanfänger eine bessere Regelung an: Wir setzen uns mittelfristig dafür ein, dass für Studierende während des Studiums keine Studiengebühren oder -entgelte zur Zahlung anfallen, ohne dadurch die Finanzsituation der Hochschulen zu gefährden. Studienentgelte sollen stattdessen in Baden-Württemberg künftig in Form von echt nachgelagerten und einkommensabhängigen Entgelten von den Hochschulen festgesetzt und erhoben werden können. Nach Einstieg in das Berufsleben beginnen die Absolventen dann ab einer Einkommensuntergrenze mit der Rückzahlung ihrer Studiengebühren. Diese Zahlungen fließen direkt den Hochschulen zu. Wer nichts verdient, muss auch keine Studiengebühren zahlen. Eine frühzeitige und einmalige Bezahlung der Studienentgelte ist zu ermöglichen. Durch die vorgeschlagenen Änderungen werden Familien während des Studiums entlastet. Die bisher oftmals zu Schwierigkeiten führende Geschwisterregelung kann entfallen.
Wir wollen bis zur Erreichung dieses Ziels das bestehende System der Studiengebühren fortlaufend verbessern, indem wir zunächst eine für alle Studierenden einheitliche Obergrenze festlegen, bis zu der die Hochschulen in eigener Verantwortung Gebühren erheben können. Auch wollen wir einen Zinssatz bei Studienkrediten erreichen, der nur geringfügig über dem zur Zeit der Darlehensnahme geltenden Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB) liegen darf. Keinesfalls aber darf dabei der bereits geltenden Höchstsatz von 5,5% überschritten werden. Bereits die Festlegung dieses Höchstsatzes von 5,5,% geht auf eine Initiative der FDP/DVP-Landtagsfraktion zurück.
Studiengebühren und -entgelte dürfen ausschließlich zur Verbesserung der Lehre eingesetzt werden; sie sollen deshalb insbesondere nicht für solche Aufgaben der Hochschulen verwendet werden, die zum Mindeststandard des Faches gehören – wie er z.B. im Rahmen der Akkreditierung festgestellt wird. Sondern sie sollen über den Mindeststandard hinaus eine wettbewerbliche Ausstattung der Hochschulen ermöglichen. Die Verwendung der Studiengebühren und -entgelte soll durch die Studienkommissionen der Fakultäten bestimmt werden, denn in diesen sind die Studierenden in gesetzlich vorgegebener Weise beteiligt. Darüber hinaus wollen wir Liberalen die studentische Mitverantwortung an den Hochschulen durch die Einführung eines Studierendenparlaments stärken, das den Allgemeinen Studierendenausschuss als ausführendes Organ und Vertretung gegenüber der Hochschule wählt und kontrolliert sowie über die Verwendung der Einnahmen aus Studiengebühren wacht und mitentscheidet. Die heute praktizierte Verlagerung von Kompetenzen auf demokratisch nicht legitimierte Gremien soll ausgeschlossen werden.
4. Was halten Sie von den sozialen Bewegungen, die Demokratie nicht mehr nur als System, bei dem man alle vier Jahre seine Stimme abgibt, verstehen wollen (bspw. das Bildungsstreik-Bündnis, die Proteste gegen Stuttgart 21)?
Ist Ihres Erachtens mehr Mitsprache und Mitbestimmung "von unten" nötig und möglich? Sind Ihrer Auffassung nach in diesem Sinne auch an den Hochschulen Veränderungen notwendig?
Die FDP fordert nachdrücklich die Stärkung der Elemente direkter Demokratie, insbesondere auch bei Großprojekten. In der laufenden Legislaturperiode konnten wir mit dem Koalitionspartner aushandeln, das Quorum für die Volksabstimmung nach der Landesverfassung von 1/3 auf ¼ der Wahlberechtigten zu senken. Ein entsprechender Entwurf befindet sich gerade im Gesetzgebungsverfahren. Für die Zukunft möchten wir aber noch weiter gehen: das Zustandekommen eines Volksbegehrens soll es ausweislich unseres Wahlprogramms künftig ausreichen, wenn es von mindestens 10% der Wahlberechtigten gestellt wird (Absenkung von 1/6 auf 1/10). Ein zur Volksabstimmung gestelltes Gesetz ist beschlossen, wenn es die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen findet und diese Mehrheit mindestens 20% (statt der geplanten 25%) der Stimmberechtigten ausmacht
Eine fundamentale Voraussetzung für einen funktionierenden Wettbewerb ist ein hohes Maß an Autonomie für die im Wettbewerb stehenden Hochschulen. Die FDP/DVP unterstützt deshalb den weitgehenden Rückzug staatlicher Obrigkeit aus dem strategischen und operativen Betrieb der Hochschulen. Entscheidungen über die Profilbildung, über neue Studiengänge, über Prüfungsordnungen, über die hochschulinterne Verteilung der Ressourcen, über Maßnahmen der Qualitätssicherung und über die Auswahl der Lehrenden und Studierenden sollten von den Organen der Hochschule in eigener Verantwortung wahrgenommen werden. Auch die innere Organisation der Hochschule kann von ihr autonom geregelt werden. Der Senat der Hochschule, in dem alle Gruppen der Hochschule vertreten sind, ist in seinen Kompetenzen, auch bei der Wahl der Rektorate, wieder zu stärken. Die fachliche Verantwortung in den Fakultäten sollte mit dem entsprechenden Maß an Autonomie einhergehen. Zur studentischen Mitbestimmung siehe Frage 5.
5. In allen Bundesländern außer Bayern und Baden-Württemberg gibt es so genannte "Verfasste Studierendenschaften", also gesetzlich verankerte Gremien der studentischen Selbstverwaltung.
Wie stehen Sie zur studentischen Selbstverwaltung und Interessenvertretung? Mit welchen Rechten sollte diese Ihrer Einschätzung nach ausgestattet sein? Gibt es in Baden-Württemberg Änderungsbedarf, z.B. die Einführung einer "Verfasste Studierendenschaft"?
Die FDP strebt an, dass möglichst viele – und nicht nur einige wenige – Studierende hinter den sie betreffenden und von ihren Vertretern getroffenen Entscheidungen stehen, und dies ist nach unserer Auffassung am besten durch ein von den Studierenden zu wählendes Parlament gewährleistet. Das Studierendenparlament soll nach Auffassung der FDP ein von den Studierenden gewähltes zentrales Mitbestimmungsorgan sein, das über alle fakultätsübergreifenden studentischen Belange mitentscheidet. Dies betrifft die fachlichen, sozialen, wirtschaftlichen und hochschulpolitischen Angelegenheiten der Studierenden einschließlich Sport, Kultur und Internationales sowie natürlich die Verwendung der Studiengebühren.
Auf diese Weise wird den Studierenden zugleich ein Kontrollinstrument an die Hand gegeben. Denn wer könnte besser darüber wachen als die Studierenden selbst, dass die Einnahmen aus Studiengebühren auch wirklich für sie nutzbringend eingesetzt werden? Damit hier kein Missverständnis aufkommt: Die Hochschulen sind verpflichtet, die Einnahmen aus Studiengebühren ausschließlich für die Verbesserung der Studienbedingungen auszugeben. Dennoch ist auch klar: Die Studierenden als unmittelbar Betroffene setzen möglicherweise andere Prioritäten. So mögen ihnen längere Öffnungszeiten der Bibliothek vielleicht wichtiger sein als eine bestimmte bauliche Maßnahme. Aber das wissen die Studierenden selbst am besten, und deshalb sollen sie nach unserer Auffassung darüber auch selbst entscheiden.
Angeregt durch einen Vorstoß der Liberalen Hochschulgruppen (LHG) und des Rings Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS), haben die Regierungsfraktionen von CDU und FDP/DVP im November vergangenen Jahres einen Beschluss des Wissenschaftsausschusses herbeigeführt, ein zentrales Mitbestimmungsorgan der Studierenden an den Hochschulen Baden-Württembergs einzurichten. Das Wissenschaftsministerium hat umgehend gehandelt, Eckpunkte für einen Gesetzentwurf zusammengefasst und damit das Gespräch mit den Vertretern der Hochschulen aufgenommen. Schließlich sollen die Gesetze gemeinsam mit denjenigen vor Ort entwickelt werden, für die sie gemacht werden. Es ist unsere Überzeugung, dass ein Studierendenparlament mit klar geregelten Verfahren und Zuständigkeiten letztlich für alle am Hochschulleben Beteiligten Vorteile bringt. Transparenz schafft Vertrauen und ermöglicht ein gedeihliches Miteinander gerade auch in Konfliktfällen.
Zur Transparenz trägt aber vor allem eine institutionalisierte wechselseitige Kontrolle der Gremien bei. Wir Liberalen halten deshalb das Prinzip der Gewaltenteilung nicht nur in Aufbau eines demokratischen Staates für grundlegend, sondern für alle Strukturen, in denen Personen Entscheidungen treffen, die Auswirkungen auf andere Personen haben. Dies gilt also auch für die Hochschulen unseres Landes. Mit anderen Worten: Wenn wir ein Studierendenparlament errichten, muss es auch ein ausführendes Organ geben, das dem Parlament gegenüber rechenschaftspflichtig und verantwortlich ist. Dieses Exekutivorgan muss deshalb vom Studierendenparlament gewählt werden – und im Fall der Fälle auch wieder abgewählt werden können.
Bei der Diskussion über studentische Mitbestimmung sollten wir auch die dezentrale Ebene in den Hochschulen nicht aus dem Blick verlieren. Das heißt, vor allem die Fakultäten und Institute, aber auch einzelne Fachbereiche und Studiengänge. Wir Liberalen setzen uns für die Stärkung der Studienkommissionen ein, und gleichzeitig sollten in den Studienkommissionen die Möglichkeiten der Mitwirkung durch Studierende gestärkt werden.
Eine Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft lehnt die FDP ab. Wenn eine Verfasste Studienrendenschaft für alle Studierenden spricht, heißt das nämlich noch lange nicht, dass diejenigen, die sich bei einer Sitzung zusammenfinden, auch den Willen der Mehrheit der Studierenden vertreten. Es ist das alte Problem mit dem "allgemeinen Willen" von Jean Jacques Rousseau: Wie lässt er sich am besten ermitteln? Auch besteht bei der Verfassten Studierendenschaft die Gefahr, dass völlig unklar bleibt, wer jeweils die politische Verantwortung trägt. Dass die Studierendenschaft keine fest umgrenzten Kompetenzen hat, wird ihren Stand im Gesamtgefüge der Hochschulorgane nach unserer Einschätzung nicht stärken, sondern schwächen.
6. Der Anteil der staatlichen Grundmittel für die Finanzierung der Hochschulen ist von 1980 bis 2007 von 72,3 auf 50,1 Prozent gesunken, während im gleichen Zeitraum die Finanzierung über Drittmittel- und Verwaltungseinnahmen massiv zugenommen haben. Wie stehen Sie dazu, dass die öffentliche Finanzierung der Hochschulen in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr zurückgefahren wurde?
Unstrittig ist für uns Liberale, dass für das Bildungswesen keine Kosten und Mühen gescheut werden dürfen. Die FDP hat sich deshalb in ihrem Landtagswahlprogramm verpflichtet, "der Bildung weiterhin Priorität unter allen landespolitischen Handlungsfeldern einzuräumen, uns Kürzungsabsichten in diesem Bereich zu widersetzen und durch den Schülerrückgang frei werdende Ressourcen für andere Aufgaben im Bildungsbereich zu verwenden."
In der zu Ende gehenden Legislaturperiode haben wir als Koalitionspartner diese Prioritätensetzung immer wieder eingefordert. Allein für die Hochschulen wandte Baden-Württemberg beispielsweise im Jahr 2009 insgesamt 2,628 Milliarden Euro auf. Mit Ausgaben von rund 7000 Euro pro Studierendem liegt Baden-Württemberg in der Spitzendgruppe unter den Bundesländern und erheblich über dem Bundesdurchschnitt von 6300 Euro. Die Qualität der baden-württembergischen Hochschulen ist nicht zuletzt der finanziellen Planungssicherheit zu verdanken, die mit den Solidarpakten geschaffen wurde. Der im März 2007 mit den Hochschulen und Berufsakademien geschlossene Solidarpakt II gewährt auf der Basis der Haushaltsansätze des Jahres 2007 Planungssicherheit bis zum Jahr 2014. In diesem Zeitraum werden keine Kürzungen, Stelleneinsparungen und sonstige Haushaltssperren (einschließlich Stellenbesetzungssperren) erfolgen; den Hochschulen und Berufsakademien ist damit zugesichert, dass ihnen die vereinnahmten Studiengebühren ohne Absenkung der staatlichen Finanzierung zweckgebunden für die Erfüllung ihrer Aufgaben in Studium und Lehre zur Verfügung stehen. Die FDP setzt sich dafür ein, das System des Solidarpaktes auch nach 2014 weiterzuentwickeln. Allerdings muss die Grundfinanzierung der Hochschulen stärker als bisher an die Zahl der tatsächlich Studierenden geknüpft werden, um so auch ein finanzielles Interesse der Hochschulen an der Schaffung von (besetzten) Studienplätzen zu schaffen.
Insgesamt wollen wir ein System nachfrageorientierter Hochschulfinanzierung etablieren, das – gemäß dem Prinzip "Geld folgt Student" – die staatlichen Mittelzuweisungen von der Zahl der jeweils eingeschriebenen Studierenden abhängig macht, damit staatliche wie private Hochschulen gleichermaßen ein Interesse an der Aufnahme von Studierenden besitzen und in einen Wettbewerb um die Studierenden eintreten. Um in diesem Wettbewerb erfolgreich zu sein, werden sie Studium und Lehre kontinuierlich verbessern und ihre Ausbildungskapazitäten nachfragegerecht ausbauen und umschichten. Die bürokratische Kapazitätsberechnung und die staatliche Festsetzung von Zulassungszahlen werden dann entbehrlich und abgeschafft. Die staatlichen Ressourcen für den einzelnen (besetzten) Studienplatz soll dabei landesweit einheitlich, aber nach Studiengängen differenziert zugewiesen werden.
7. Was halten Sie von der so genannten "Schuldenbremse", die nach Ihrem Einzug ins Grundgesetz nun aktuell auch in immer mehr Landesverfassungen aufgenommen wird? Die Bildungsgewerkschaft GEW vertritt hier sehr pointiert die Auffassung, dass diese "Bremse" vor allem zu Sozialabbau führe und daher nichts anderes als eine "Bildungsbremse" sei. Wie stehen Sie dazu?
Erhebliche Konsolidierungsanstrengungen und ein hohes Maß an Haushaltsdisziplin waren erforderlich, um 2008 und 2009 den Landeshaushalt ohne neue Kredite ausgleichen zu können. Und dasselbe wird auch für die Zukunft gelten. Dieser Prozess wird dadurch unterstützt, dass es mit der Föderalismuskommission II gelungen ist, Regelungen zur Begrenzung der Verschuldung von Bund und Ländern (die sog. "Schuldenbremse") ins Grundgesetz aufzunehmen. Haushalte im Normalfall (also abgesehen von Katastrophen und schweren Rezessionen) ohne Kreditaufnahme ausgleichen zu müssen, wird für alle Länder bis 2020 verbindlich. Wir sehen die "Schuldenbremse" also auf keinen Fall als "Bildungsbremse".
8. Eine vor kurzem veröffentlichte Studie des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) hat ergeben, dass "bis 2020 bis zu einer Million mehr Studienplätze erforderlich [sind]. Unter Berücksichtigung des Hochschulpakts besteht somit ein Finanzierungsbedarf für weitere 700.000 Plätze. Dieser Bedarf an Studienplätzen ergibt sich daraus, dass bis 2020 jedes Jahr mindestens 400.000 Studienanfänger an die Hochschulen drängen."
Stimmen Sie dieser Analyse zu? Wenn ja, wie wollen Sie die Vergrößerung des Studienplatzangebots realisieren?
Baden-Württemberg hat sich mit dem Hochschulausbauprogramm 2012 rechtzeitig und lange vor allen anderen Bundesländern auf das gemeinsame Abitur des letzten neunjährigen und des ersten achtjährigen Abiturjahrgangs vorbereitet, indem bis zum Jahr 2012 20 000 zusätzliche Studienanfängerplätze geschaffen werden. Die neuen Angebote wurden daher in enger Abstimmung zwischen Hochschulen und Wirtschaft entwickelt Im Rahmen des Hochschulausbauprogramms werden alle Hochschularten – Universitäten, Fachhochschulen, Pädagogische Hochschulen, Kunst- und Musikhochschulen sowie die Studienakademien (Duale Hochschule) – entsprechend ihren jeweils bestehenden Schwerpunkten, aber auch bei der Schaffung neuer Studienangebote berücksichtigt. Insgesamt werden für das Programm Hochschule 2012 jährliche Mittel von 206 Millionen Euro bereitstehen. Die ersten Tranchen der Jahre 2007, 2008, 2009 und 2010 sind planmäßig umgesetzt worden, so dass zum Wintersemester 2010/11 den Studierenden an den Hochschulen in Baden-Württemberg insgesamt ca. 11.500 neue Studienanfängerplätze zur Verfügung stehen. Damit deckt das Land den von Baden-Württemberg zu erbringenden (überproportionalen) Anteil gemäß der Bund-Länder-Vereinbarung des Hochschulpakts 2020 ab, aus dem unser Land allein für die Jahre 2008 und 2009 im Nachhinein Bundesmittel in Höhe von 18 Millionen Euro erhält. Diese Mittel werden den Hochschulen zusätzlich zur Verfügung gestellt. Wir Liberalen wollen den geplanten Ausbau von 20 000 Studienanfängerplätzen an den baden-württembergischen Hochschulen zu Ende führen und bei gestuften Studiengängen auf ein ausgewogenes Verhältnis von Bachelor- und Master-Studienplätzen hinwirken, damit ein bedarfsgerechtes Studienplatzangebot gesichert werden kann.
Die FDP will den geplanten Ausbau von 20 000 Studienanfängerplätzen bis zum doppelten Abiturjahrgang im Jahr 2012 an den baden-württembergischen Hochschulen zu Ende führen und bei gestuften Studiengängen auf ein ausgewogenes Verhältnis von Bachelor- und Master-Studienplätzen hinwirken, damit ein bedarfsgerechtes Studienplatzangebot gesichert werden kann. Auch nach 2016 muss gewährleistet sein, dass die Kapazität der baden-württembergischen Hochschulen ausreicht, um die Nachfrage der Studienbewerber nach Studienplätzen und der Wirtschaft nach qualifizierten Absolventen zu decken. Insbesondere in den naturwissenschaftlichen und technischen Fächern besteht Bedarf an weiteren Studienplätzen.
9. Aktuell wird der Bachelor-Abschluss für immer mehr Studierende zur Sackgasse, da es nicht genug Master-Studienplätze gibt. Wie stehen Sie zu der Umsetzung des Konzepts der Bachelor-Master-Studiengänge in Deutschland – i.d.R. sechssemesteriges Bachelor-Studium, Übergangsquoten in Höhe von ca. 30 – 70%, Neubewerbung für ein Master-Studium? Welchen Entwicklungsbedarf sehen Sie auf diesem Gebiet?
Die FDP/DVP hält das Modell eines zweistufigen Studienabschlusses mit einem berufsqualifizierenden Bachelor-Abschluss und einem stärker akademisch geprägten Master-Abschluss grundsätzlich für richtig. Es schafft eine größere Vielfalt der Studienangebote und gibt den Hochschulen die Möglichkeit, auf das Wachstum des Wissens und den raschen Fortschritt von Wissenschaft und Technik durch neue Studienangebote zu reagieren.
Verbesserungen des Bachelor- und Mastersystems sind allerdings erforderlich. Kleinteilige Module sowie starre Prüfungs- und Studienordnungen führen in der Praxis oftmals zu unflexibel ausgestalteten Studiengängen. Die FDP/DVP Baden-Württemberg spricht sich für mehr Eigenverantwortung der Studierenden statt planwirtschaftlicher Bevormundung aus und fordert deshalb die Hochschulen dazu auf, Bachelor- und Master-Studiengänge freiheitlicher zu gestalten. Auch führen starre Quotenregelungen beim Übergang in den Masterstudiengang zu einer nicht gerechtfertigten Verknappung qualifizierter Studienangebote und verhindern Qualifikation, anstatt sie zu ermöglichen. Auch Masterstudienplätze sollten nachfragegerecht angeboten werden. Außerdem sollen die Hochschulen das Recht bekommen, neben den standardisierten Abschlüssen Bachelor und Master andere Abschlüsse (wie z.B. das Diplom) anzubieten oder nach erfolgreichem Masterstudium das Diplom zu verleihen. Die 10-Semester-Obergrenze der Regelstudienzeit für eine Bachelor- und Master-Laufbahn ist abzuschaffen und durch flexible Regelstudienzeiten zu ersetzen, deren Länge im Sinne der Hochschulautonomie von der jeweiligen Hochschule festgelegt wird. An vielen Hochschulen (insbesondere den Fachhochschulen) wird die neue Studienstruktur seit vielen Jahren erfolgreich umgesetzt. Andere Hochschulen haben in der Einführungsphase Fehler gemacht und beispielsweise übervolle Stundenpläne oder eine unnötig hohe Prüfungsdichte erzeugt. Diese Fehler sind von den Hochschulen in eigener Verantwortung zu korrigieren.
Die Ausdifferenzierung der Hochschulprofile und der Hochschularten darf nicht dazu führen, dass ein Übergang zwischen den Hochschulen unnötig erschwert wird. Ein Ziel der Hochschulpolitik ist die hohe Durchlässigkeit der Hochschularten für die Studierenden und die Absolventen anderer Studiengänge. Auch ein Wechsel von und an ausländische Hochschulen darf durch eine unflexible Ausgestaltung der Studienpläne nicht behindert werden.
Die FDP/DVP bekennt sich dazu, dass jeder qualifizierte junge Mensch unabhängig von seiner persönlichen wirtschaftlichen Situation das Recht auf ein Studium hat. Dazu bedarf es eines vielfältigen Systems, das sowohl Transferleistungen wegen Bedürftigkeit als auch Belohnungen wegen besonderer Qualifikation oder besonderen Studienerfolgs vorsieht. Wir setzen uns deshalb ein für eine zügige Umsetzung aller drei Stufen der Bologna-Reform (Bachelor, Master und Promotion) für alle Hochschulen. Dabei soll sich die Zahl der Studienplätze am Bedarf orientieren. Wer einen Bachelor-Abschluss erworben hat, erfüllt generell unabhängig von der Hochschulart, an der der Abschluss erworben wurde, die formalen Voraussetzungen für ein Master-Studium. Dies gilt analog für einen Master-Abschluss hinsichtlich eines Promotionsstudiums.
In den Studiengängen, die mit Staatsexamina enden (Medizin, Zahnmedizin, Pharmazie, Jura, Lehramt sowie das kirchliche Examen in Theologie), wollen wir zusätzliche Abschlussgrade ermöglichen, die die Hochschulen bestimmen können. So werden die Staatsexamina auf ihre eigentliche Funktion als Eingangsprüfung für den Staatsdienst zurückgeführt. Die Studierenden sollen frei wählen können, ob sie nur den Hochschulabschluss, nur das Staatsexamen oder beide Abschlüsse anstreben.
Zur Erleichterung der Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse wollen wir auf der Basis der Gleichwertigkeit mit unseren Abschlüssen gemeinsam mit dem Bund einen Rechtsanspruch auf ein Anerkennungsverfahren für jeden Migranten gewähren, der seit mindestens sechs Monaten in Deutschland lebt, und die Zuständigkeiten für die Bildungsberatung und die Betreuung der Anerkennungsverfahren in einer Hand zusammenführen.
10. Viele Studienfächer sind inzwischen zulassungsbeschränkt. Studieninteressierte sind daher gezwungen, sich an einer größeren Zahl von Hochschulen zu bewerben und Bewerbungen wieder zurückzuziehen, falls doch ein Platz an einer bevorzugten Hochschulen frei wird. Nun gibt es offenbar bereits Streit um die Kostenverteilung bei der ab kommenden Wintersemester geplanten zentralen (wenn auch freiwilligen) Koordinierung durch die Stiftung für Hochschulzulassung / hochschulSTART.de.
Wollen Sie sich in diese Auseinandersetzung einmischen und die Hochschulen ihres Landes zu einer einheitlichen Linie drängen bzw. durch finanzielle Zusagen des Landes eine Teilnahme aller Hochschulen des Landes ermöglichen?
Was die Hochschulzulassung angeht, soll jeder Studierende sich seine Hochschule auswählen können. Die Hochschule wählt wiederum unter den Bewerbern ihre Studierenden aus. Die FDP hat für einen Schlussstrich unter die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) in ihrer bisherigen Form gekämpft. An die Stelle der abgeschafften ZVS tritt zukünftig eine – nicht mehr von den Ländern zwangsfinanzierte – Serviceeinrichtung im Sinne einer Clearingstelle für Studierende und Hochschulen. Der hierzu abgeschlossene Staatsvertrag sieht vor, dass die Hochschulen keiner Verpflichtung unterliegen, sich der Serviceeinrichtung zu bedienen, sondern ihre Studierenden frei auswählen können. Auf Initiative der Liberalen hat der Landtag beschlossen, die Arbeit der Serviceagentur kritisch zu begleiten, sie im Jahr 2014 zu evaluieren und dann neu über deren Zukunft zu entscheiden. Darüber hinaus wollen wir durch eine Änderung des Staatsvertrags zur Hochschulzulassung jeder baden-württembergischen Hochschule das Recht einräumen, bislang noch im zentralen Vergabeverfahren zugeteilte Studienplätze eigenverantwortlich zu vergeben.
Mit der Novelle des Hochschulzulassungsgesetzes 2010 haben wir darüber hinaus den Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte geöffnet. Zukünftig werden auch Meister, Techniker und vergleichbar Qualifizierte ein Studium ihrer Wahl aufnehmen können. Und außerdem können nunmehr alle beruflich Qualifizierten nach mindestens zweijähriger Ausbildung, dreijähriger Berufspraxis und einem bestandenen Eignungstest ein ihrem angestammten Beruf verwandtes Fach studieren. Mit diesem Schritt wollen wir nicht nur einen Beitrag zur Gewinnung von hoch qualifizierten Fachkräften leisten, auf die unsere Wirtschaft dringend angewiesen ist, sondern vor allem auch die Durchlässigkeit unseres Bildungswesens an einer entscheidenden Wegmarke von Bildungsbiographien weiter verbessern. Gleichzeitig sollen die Hochschulen zukünftig in verbindlicher Weise Studierfähigkeitstests für alle Bewerber durchführen. Es erscheint sinnvoll, in der Abwägung von Freiheit einerseits und einer Vergleichbarkeit des Zugangs zu den Hochschulen andererseits ein gemeinsames Ziel vorzugeben, um allen Bewerbern gleiche Chancen zu ermöglichen. Gleichzeitig bleibt aber das Ausgestalten der Tests den Hochschulen überlassen. Zukünftig wollen wir beruflich Qualifizierten die Aufnahme eines Hochschulstudiums erleichtern, indem für sie Vor- und Begleitkurse angeboten und Teilzeitstudiengänge für ein berufsbegleitendes Studium angeboten werden.