Wahlprüfsteine HochschulpolitikAntworten der FDP Rheinland-Pfalz
Die FDP begrüßt die jüngst von Bund und Ländern angestoßene Weiterentwicklung des BAföG. Jedem studierwilligen und studierfähigen jungen Menschen muss grundsätzlich die Möglichkeit einer elternunabhängigen Finanzierung des Lebensunterhaltes eröffnet werden. Dazu muss der BAFöG-Satz erhöht und elternunabhängig angeboten werden. So soll es möglich sein, ohne Zwang zur Arbeitsaufnahme das Studium engagiert und zügig in der Regelstudienzeit erfolgreich abzuschließen. Ein solches System ist gerecht, nachhaltig und zugleich offen und autonom, so dass auch auf hochschulspezifische oder individuelle Notwendigkeiten situationsnah reagiert werden kann.
2. Die Bundesregierung hat die bundesweite Einführung eines "Deutschlandstipendiums" beschlossen, das den "Leistungsstärksten" pro Monat 300 Euro - je zur Hälfte finanziert durch den Bund und private Sponsoren - einbringen soll. Unterstützen Sie diesen Plan? Wie ist Ihre grundsätzliche Einstellung zu leistungsabhängigen Stipendien im Verhältnis zum BAföG?
Im letzten Jahr hat die Bundesregierung eine wichtige liberale Forderung umgesetzt: Anfang Juli 2010 wurde das nationale Stipendienprogramm beschlossen. Damit soll zukünftig bis zu acht Prozent der Studenten mit 300 Euro monatlich finanziell unter die Arme gegriffen werden. Zukünftig werden bis zu acht Prozent der Studierenden mit einem Stipendium gefördert - unabhängig vom Einkommen der Eltern. Die Höhe der Stipendien soll sich auf 300 Euro monatlich belaufen und zur Hälfte von staatlicher Seite sowie von privaten Dritten (Unternehmen, Verbände, Alumni etc.) finanziert werden. Die FDP will diese Chance nutzen, um eine neue Stipendienkultur in Deutschland aufzubauen.
3. Studiengebühren sind seit ihrer Einführung stark umstritten. In sieben Bundesländern wurden allgemeine Studiengebühren eingeführt, zwei (Hessen und Saarland) haben sie mittlerweile wieder abgeschafft, in Nordrhein-Westfalen ist die Abschaffung geplant. Bayern dagegen hat Pläne, bei berufsbegleitenden Bachelor-Studiengängen sogar höhere Studiengebühren von zunächst bis zu 2000 Euro zuzulassen. Welche Pläne haben Sie für Rheinland-Pfalz?
Die Hochschulen in Rheinland Pfalz sind massiv und chronisch unterfinanziert, was zur Folge hat, dass die Studienbedingungen in Rheinland-Pfalz im Ländervergleich schlecht sind. Die Finanzausstattung der Hochschulen muss deshalb deutlich verbessert werden! Im Ländervergleich – bezogen auf die Grundmittel je Studierenden für Forschung und Lehre – fehlen den rheinland-pfälzischen Hochschulen rund 100 Millionen Euro pro Jahr, um das Mittelfeld der anderen Bundesländer zu erreichen. Dies hat eine öffentliche Anhörung des Wissenschaftsausschusses des Landtages 2008 klar ergeben. Die Bertelsmann-Stiftung sowie die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft sehen in dieser chronischen Unterfinanzierung unserer eines der größten Wachstumsrisiken für unser Bundesland.
Die Landesregierung bleibt leider jede Antwort schuldig, wie sie diese Finanzierungslücke glaubhaft und nachhaltig schließen will. Die aufgelegten Sonderprogramme der Landesregierung konnten die chronische Unterfinanzierung nur marginal verändern, zumal auch die anderen Bundesländer entsprechende Programme aufgelegt haben.
Vor diesem Hintergrund hat die FDP-Landtagsfraktion ein Drei-Säulen Modell entwickelt, um diese 100 Millionen Euro Lücke zu schließen: Wir wollen Mittel des Europäischen Sozialfonds innerhalb des Landeshaushaltes umschichten, so dass dieses Geld den Hochschulen zu Gute kommt. Weiterhin wollen wir das noch vorhandene Landesvermögen in eine Stiftung überführen, deren Erträge dann ausschließlich den Hochschulen zu Gute kommen. Da die SPD-geführte Landesregierung bisher keinen Vorschlag gemacht hat, wie sie die dann immer noch zu schließende Finanzierungslücke aus staatlichen Mitteln – ohne die Neuverschuldung des Landes zu erhöhen – schließen will, wollen wir den Hochschulen ermöglichen, Hochschulbeiträge zu erheben. Wir wollen mit unserem Vorschlag sicherstellen, dass es zu keiner materiellen Überforderung während des Studiums kommt und durch die Bezugnahme auf ein ausreichendes Einkommen im Nachgang an das Studium, berücksichtigen wir auch die nötigen sozialen Aspekte.
Hochschulbeiträge bedeuten aus unserer Sicht deshalb, dass ein Studierender
1.nach der Beendigung seines Studiums und
2.bei Vorhandensein eines eigenen Einkommens sowie
3.ab einer entsprechenden Höhe des Einkommens,
4.einen nachträglichen finanziellen Beitrag
zur Finanzierung der Hochschule leistet an der er studiert hat. Somit leisten all diejenigen, die von einer guten Hochschulausbildung im späteren Berufsleben materiell profitiert haben auch einen – aus unserer Sicht zumutbaren Beitrag – zur Finanzierung des Hochschulsystems.
Die Modelle der anderen Bundesländer zur Erhebung von Studiengebühren (Kredite etc.) sehen wir kritisch, weshalb wir uns ausdrücklich für den oben genannten Weg eines Beitrags nach dem Studium entschieden haben.
Wir wollen diese Option zudem den Hochschulen lediglich ermöglichen und nicht generell vorschreiben. Darüber hinaus muss der Landtag in diesem Zusammenhang noch beschließen, dass die Landeshaushaltsmittel für die Hochschulen jährlich um mindestens den Betrag der Inflationsrate steigen, damit ausgeschlossen wird, dass die Vereinnahmung von Hochschulbeiträgen zu einer Rückführung allgemeiner Steuermittel "durch die Hintertür" führt.
4. Was halten Sie von den sozialen Bewegungen, die Demokratie nicht mehr nur als System, bei dem man alle vier Jahre seine Stimme abgibt, verstehen wollen (bspw. das Bildungsstreik-Bündnis, die Proteste gegen Stuttgart 21)? Ist Ihres Erachtens mehr Mitsprache und Mitbestimmung "von unten" nötig und möglich? Sind Ihrer Auffassung nach in diesem Sinne auch an den Hochschulen Veränderungen notwendig?
Die rheinland-pfälzische FDP hat sich während ihrer Regierungszeit für eine Stärkung direktdemokratischer Elemente eingesetzt. So haben wir beispielsweise die Urwahl der Bürgermeister und Landräte gegen teilweise massiven Widerstand des Koalitionspartners durchgesetzt. Auch künftig wird die FDP in diesem Bereich Akzente setzen. Die rheinland-pfälzische FDP will die Bürger bei größeren Projekten von Beginn an einbeziehen. Bevor ein umstrittenes Projekt startet, sollen die Bürger mit entscheiden können, ob sie grundsätzlich dafür oder dagegen sind. Die Umsetzungsfristen – auch von Großprojekten – müssen allerdings dann auch deutlich verkürzt werden. Je mehr Zeit zwischen einer Entscheidung und ihrer Realisierung verstreicht, desto mehr nimmt die Bindungskraft der Entscheidung ab.
Die rheinland-pfälzische FDP weiß, dass der von ihr vorgeschlagene Weg zu mehr Bürgerbeteiligung noch viele offene Fragen aufwirft. Diesen Fragen wollen wir uns stellen und in der neuen Legislaturperiode prüfen, wie das Anliegen einer möglichst frühzeitigen Bürgerbeteiligung mit deutlich kürzeren Umsetzungsfristen gesetzlich realisiert werden kann. Ich darf Sie aber auch darauf aufmerksam machen, dass die FDP Verfechterin der repräsentativen Demokratie ist, die sich in Deutschland und natürlich auch bei uns in Rheinland-Pfalz seit mehr als 60 Jahren bewährt hat.
Die FDP ist der Auffassung, dass die derzeitigen Mitbestimmungsrechte der Studierenden ihren Zweck erfüllen. Wesentlicher Bestandteil liberaler Hochschulpolitik ist der Gedanke, dass sich die Studierenden als aktive Partner in den Prozess der Lehroptimierung einbringen können. Aus diesem Grund sieht unser Modell zur Hochschulfinanzierung auch vor, dass die Studierenden bei Fragen der Verwendung potenziell erhobener Beiträge aktiv einbezogen werden müssen. Unseres Erachtens soll auch das Modell der autonomen Gruppenhochschule, dass verschiedene Gruppen an der inneruniversitären Entscheidungsfindung zu beteiligen sind, weiterentwickelt werden. Aus der Wissenschaftsfreiheit lässt sich nicht nur ein institutionelles Abwehrrecht, sondern auch ein Teilhaberecht ableiten.
5. Brandenburg hat ein Landes-Schüler-BAföG für diejenigen Schülerinnen und Schüler eingeführt, die bisher kein BAföG bekommen können (insbesondere für Schüler an gymnasialen Oberstufen, die noch bei ihren Eltern wohnen). Was halten Sie von diesem Ansatz bzw. was für Pläne verfolgen sie, um mehr Menschen aus finanziell schlechter gestellten Familien zu einer Hochschulzugangsberechtigung zu verhelfen?
Entscheidend für die Chancengerechtigkeit im Bildungssystem ist die Durchlässigkeit. Maßnahmen gegen Unterrichtsausfall und Lehrerabbau helfen den Schülern mehr als ein Zuschuss zum monatlichen Taschengeld. Wir glauben, dass eine Unterstützung, die lediglich in der gymnasialen Oberstufe und der Berufschule – also erst in der finalen Phase der schulischen Ausbildung – ansetzt, zu spät greift.
6. Der Anteil der staatlichen Grundmittel für die Finanzierung der Hochschulen ist von 1980 bis 2007 von 72,3 auf 50,1 Prozent gesunken, während im gleichen Zeitraum die Finanzierung über Drittmittel- und Verwaltungseinnahmen in den letzten Jahrzehnten massiv zugenommen haben. Wie stehen Sie dazu, dass die öffentliche Finanzierung der Hochschulen in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr zurückgefahren wurde?
siehe Antwort zu Frage 3.
7. Was halten Sie von der so genannten "Schuldenbremse", die nach Ihrem Einzug ins Grundgesetz nun aktuell auch in immer mehr Landesverfassungen aufgenommen wird? Die rheinland-pfälzische "Schuldenbremse" wird - so ist zu hören - dazu führen, dass jährlich etwa 500 Stellen im Öffentlichen Dienst gestrichen werden müssen. Wie soll das gehen, ohne auch die Lebensqualität im Land und die Qualität des Bildungssystems zu verschlechtern? Die Bildungsgewerkschaft GEW vertritt hier sehr pointiert die Auffassung, dass diese "Bremse" vor allem zu Sozialabbau führe und daher nichts anderes als eine "Bildungsbremse" sei. Wie stehen Sie dazu?
Die neue, im Grundgesetz verankerte Schuldenregel trägt sowohl der ökonomischen Vernunft als auch der Verantwortung für nachfolgende Generationen Rechnung. Sie sieht vor, dass auf Länderebene ab 2020 keinerlei strukturelle Verschuldung erlaubt ist.
Die desolate finanzielle Situation in Rheinland-Pfalz zeigt, dass der Alleinregierung der SPD im Land jeglicher Sparwille fehlt. Rheinland-Pfalz hat auch ohne Finanzkrise eine besorgniserregende Haushaltssituation. Die in den Jahren 2007 und 2008 gestiegenen Steuereinnahmen wurden nicht zum Abbau von Schulden genutzt und die vorhandene Chance zur Konsolidierung des Landeshaushaltes verpasst. Es wurden keinerlei Anstrengungen unternommen, die Neuverschuldung zu reduzieren. Letztlich garantiert aber nur ein konsolidierter Haushalt Bildungschancen sowie Chancengerechtigkeit für kommende Generationen.
8. Eine vor kurzem veröffentlichte Studie des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) hat ergeben, dass "bis 2020 bis zu einer Million mehr Studienplätze erforderlich [sind]. Unter Berücksichtigung des Hochschulpakts besteht somit ein Finanzierungsbedarf für weitere 700.000 Plätze. Dieser Bedarf an Studienplätzen ergibt sich daraus, dass bis 2020 jedes Jahr mindestens 400.000 Studienanfänger an die Hochschulen drängen." Stimmen Sie dieser Analyse zu? Wenn ja, wie wollen Sie die Vergrößerung des Studienplatzangebots realisieren?
Eine Anhörung im Wissenschaftsausschuss in 2008 hat deutlich gemacht, dass Rheinland-Pfalz hinsichtlich der laufenden Grundmittel für Forschung und Lehre je Studierenden pro Jahr und(!) unter Berücksichtigung des Sondervermögens sowie der Aufstockung des Programms "Wissen schafft Zukunft" immer noch auf dem vorletzten Platz aller Bundesländer liegt. Die Experten hatten in der Anhörung dargestellt, dass über das beschlossene Programm hinaus mindestens weitere rund 100 Millionen Euro jährlich aufgewendet werden müssten, damit Rheinland-Pfalz das Tabellenende verlassen und zumindest an das Mittelfeld der übrigen Bundesländer aufschließen kann. Wenn unsere Hochschulen nicht mit den erforderlichen Mitteln und der notwendigen Freiheit ausgestattet werden, die sie brauchen, können auch keine weiteren Studienplätze für potenzielle Studierende vorgehalten werden, was die Wachstumschancen in Rheinland-Pfalz über Jahrzehnte hinweg beeinträchtigen kann. Ich darf an diese Stelle auf unser Hochschulfinanzierungsmodell verweisen, das ich bereits skizziert habe.
9. Aktuell wird der Bachelor-Abschluss für immer mehr Studierende zur Sackgasse, da es nicht genug Master-Studienplätze gibt. Wie stehen Sie zu der Umsetzung des Konzepts der Bachelor-Master-Studiengänge in Deutschland - i.d.R. sechssemestriges Bachelor-Studium, Übergangsquoten in Höhe von ca. 30 – 70%, Neubewerbung für ein Master-Studium? Welchen Entwicklungsbedarf sehen Sie auf diesem Gebiet?
Die Anlaufschwierigkeiten waren bundesweit aber auch in Rheinland-Pfalz offensichtlich. Im Rahmen des neuen Hochschulgesetztes wurden dann erste Schritte unternommen, um die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine vernünftige Umsetzung des Bologna-Prozesses in Rheinland-Pfalz neu zu gestalten. Die Hochschulen können nun in stärkerer Eigenverantwortung die Ausgestaltung und Konzipierung der Studiengänge vornehmen. (Das ist im Grundsatz richtig, auch wenn wir, was die Eigenverantwortung der Hochschulen betrifft, an dieser Stelle gerne noch weiter gegangen wären.) Damit die Bachelor- und Masterstudiengänge aber auch im studentischen Alltag innerhalb des vorgegebenen Rahmens studierbar sind, bedarf es einer verbesserten Finanzausstattung der Hochschulen. In einigen Fächern ist die Betreuungsrelation unzureichend. Hier gibt es an einzelnen Hochschulstandorten noch Nachholbedarf. Wir können von den Studierenden nur dann ein zügiges und an internationalen Regeln ausgerichtetes Studium verlangen, wenn die organisatorischen und materiellen Rahmenbedingungen stimmen.
Die Liberalen setzen sich dafür ein, dass alle Studentinnen und Studenten, die die Voraussetzungen erfüllen und einen Masterstudiengang besuchen wollen, dies auch können. Einen Anspruch auf einen Studienplatz in einem Masterstudiengang besitzen diejenigen Studierenden, die die hochschulzugangsrechtlichen Voraussetzungen hierzu erfüllen. Dies sind solche Voraussetzungen, die die Studienaufnahme an das Vorliegen persönlicher Eigenschaften, Fähigkeiten oder Leistungsnachweise knüpfen. So kann der Zugang zu einem Masterstudium beispielsweise von einer bestimmten Fächerkombination im Bachelorstudium abhängig sein.
10. Viele Studienfächer sind inzwischen zulassungsbeschränkt. Studieninteressierte sind daher gezwungen, sich an einer größeren Zahl von Hochschulen zu bewerben und Bewerbungen wieder zurückzuziehen, falls doch ein Platz an einer bevorzugten Hochschulen frei wird. Nun gibt es offenbar bereits Streit um die Kostenverteilung bei der ab kommenden Wintersemester geplanten zentralen (wenn auch freiwilligen) Koordinierung durch die Stiftung für Hochschulzulassung / hochschulSTART.de. Wollen Sie sich in diese Auseinandersetzung einmischen und die Hochschulen ihres Landes zu einer einheitlichen Linie drängen bzw. durch finanzielle Zusagen des Landes eine Teilnahme aller Hochschulen des Landes ermöglichen?
Eine ausgeweitete Eigenverantwortung für die rheinland-pfälzischen Hochschulen, wie von der FDP angestrebt, bedeutet als mittel- bis langfristige Konsequenz auch, dass die jeweiligen Hochschulen eigenverantwortlich über die Einführung von Zulassungsbeschränkungen entscheiden.