Wahlprüfsteine HochschulpolitikWas die Parteien in Sachsen-Anhalt vertreten
Aktuell sind im Landtag von Sachsen-Anhalt vier Parteien vertreten: CDU (36,2% der Stimmen bei der Wahl 2006), LINKE [bzw. zum Zeitpunkt der Wahl noch Linkspartei.PDS genannt] (24,1%), SPD (21,4%) und FDP (6,7%). Bündnis 90/DIE GRÜNEN scheiterten mit 3,6% der Stimmen, über 1% lagen noch die inzwischen in der NPD aufgegangene DVU mit 3% und die Elternpartei mit 1,6%.
Nach der letzten Wahl kam es zu einer großen Koalition aus CDU und SPD (davor regierte die CDU mit der FDP). Im Gegensatz zu den Jahren 1994 bis 2002, in denen sich die SPD vom Vorgänger der LINKEN tolerieren ließ, war das 2006 keine Option, da die Linkspartei.PDS mehr Sitze als die SPD erzielt hatte und der SPD eine richtige Regierungsbeteiligung der Linkspartei nicht opportun erschien. Diesmal könnte das anders sein - allerdings bleibt fraglich, ob die SPD eine Koalition mit der LINKEN eingehen würde, wenn die LINKE mehr Sitze erhält und damit Anspruch auf den Regierungschef stellen könnte.
Neben den im folgenden genannten auch im Bundestag vertretenen Parteien gibt es weitere kandidierende Parteien und einige Einzelbewerber. Die vollständige Auflistung findet sich beim Statistischen Landesamt Sachsen-Anhalt.
Was vertreten CDU, LINKE, Bündnis 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP?
Den Landesverbänden der auch im Bundestag vertretenen Parteien legten wir im Januar insgesamt zehn Fragen zu den Politikfeldern Hochschul- und Wissenschaftspolitik vorgelegt. Im Folgenden haben wir versucht, ihre zentralen Aussagen zusammenzufassen und diese kommentiert. Jeden Abschnitt führen wir mit einer kurzen Beschreibung des Ist-Zustandes ein.
Wer die vollständigen Antworten der Parteien lesen möchte, für den hier die Auflistung der Detail-Artikel (in der Reihenfolge des Eingangs der Antworten):
- Antworten der CDU (09.02.2011)
- Antworten der LINKEN (14.02.2011)
- Antworten von Bündnis 90/DIE GRÜNEN (15.02.2011)
- Antworten der SPD (16.02.2011)
- Antworten der FDP (18.02.2011)
Thema Studienfinanzierung (BAföG, Stipendienprogramm)
Ökonomische Sicherheit ist ein wesentlicher Faktor bei der Entscheidung für ein Studium. Das BAföG und die Regelungen im Unterhaltsrecht spielen eine wichtige Rolle bei der finanziellen Unterstützung von Studierenden und Schüler_innen. Die entsprechenden Gesetze sind Sache des Bundestages, die Länder müssen jedoch in der Regel zustimmen und können über den Bundesrat auch eigene Initiativen starten.
Wir haben nach den Vorhaben der Parteien zur Weiterentwicklung der bestehenden rechtlichen Grundlagen gefragt und ob sie anstreben, sich über den Bundesrat dafür einzusetzen, dass BAföG und Unterhaltsrecht in Richtung einer vom Einkommen der Eltern unabhängigen Förderung geändert werden (ähnlich den Modellen in Skandinavien).
In diesem Zusammenhang haben wir auch nach der Haltung der Parteien zu leistungsabhängigen Stipendien wie dem "Deutschlandstipendium" im Verhältnis zur Breitenförderung auf Grundlage des BAföG gefragt.
Die CDU lehnt eine elternunabhängige Förderung bis auf Ausnahmefälle ab und möchte am Unterhaltsrecht wie bisher festhalten. Das Deutschlandstipendium begrüßt sie als Ergänzung zum BAföG.
Deutliche Reformen der Studienfinanzierung bis hin zu einer sozialen Grundsicherung für alle ist dagegen eine Forderung der LINKEN. Eine solche allgemeine Förderung würde den Bürokratieaufwand drastisch reduzieren. Das "Deutschlandstipendium" wird abgelehnt, es sein eine Verlagerung staatlicher Prioritäten hin zur Elitenförderung. Vor allem sei es im Gegensatz zum BAföG kein Rechtsanspruch.
DIE GRÜNEN möchten BAföG und Unterhaltsrecht weiterentwickeln und eine direkte Studienfinanzierung unabhängig von den Eltern etablieren. Modelle zur Finanzierung dazu wurden (auf Bundesebene) schon vor über 10 Jahren entwickelt. Das vordringliche Ziel von Stipendien müssen sein, möglichst vielen jungen Menschen ein Studium zu ermögliche. Jeder junge Mensch, der dazu gemäß seiner schulischen oder beruflichen Leistungen in der Lage sei, solle studieren können. Davon sei Deutschland weit entfernt: 71% der Abiturienten aus Akademikerfamilien, aber nur 24% der Kinder von Nicht-AkademikerInnen studierten heute. Insofern gehe das Deutschlandstipendium am Ziel vorbei.
Die SPD will das BAföG ausweiten, steht einer einkommensunabhängigen Förderung (Anmerkung der Redaktion: Gemeint ist wohl das Einkommen der Eltern) zurückhaltend gegenüber. Das Deutschlandstipendium wird als Ergänzung zum unverzichtbaren BAföG gesehen, wobei die Befürchtung bestehe, dass soziale und regionale Ungleichheiten durch das Deutschlandstipendium eher verfestigt würden.
Die FDP unterstützt die Verbesserungen beim BAföG durch die letzte Reform. Sie spricht sich für ein elternunabhängiges Darlehensprogramm auf. Auf Bundesebene wolle die Koalition aus CDU/CSU und FDP die Harmonisierung der Leistungen im Unterhalts-, Steuer-, Sozial- und Familienrecht "prüfen und entsprechende Schritte ein[...]leiten".
Die Einführung des Deutschlandstipendiums wird ausdrücklich begrüßt. BAföG und Leistungsstipendien stellten für die FDP unabhängige Wege der Erleichterung der Studienaufnahme für junge Menschen dar.
Thema Studiengebühren
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2005 darf der Bund allgemeine Studiengebühren nicht verbieten. Es ist Sache der Bundesländer, ob und mit welchen Konditionen (im Rahmen gewisser Grenzen, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vage genannt hat) allgemeine Studiengebühren erhoben werden. Nach dem Urteil hatten bis 2007 insgesamt sieben Bundesländer (Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfallen und Saarland) - alle unter CDU- oder CSU-Führung und meist mit Beteiligung der FDP - allgemeine Studiengebühren eingeführt. In drei davon wurden sie unter Beteiligung von SPD, Grünen und/oder Linken inzwischen wieder abgeschafft (Hessen, Nordrhein-Westfalen, Saarland).
In den Ost-Bundesländern waren allgemeine Studiengebühren bisher nur selten Thema und wurden noch in keinem Land eingeführt. In Sachsen-Anhalt war die CDU Studiengebühren zwar aufgeschlossen, in der großen Koalition setzte sich aber die SPD durch, die allgemeine Studiengebühren nicht haben wollte. Es existieren aber Langzeitstudiengebühren und (von Hochschule zu Hochschule unterschiedlich) Gebühren für Lernmittel und Benutzung bestimmter Hochschuleinrichtungen (die in fast allen Bundesländern kostenfrei zur Verfügung stehen).
Inzwischen gibt die CDU an, keine Pläne zur Einführung von allgemeinen Studiengebühren zu haben.
Die LINKE lehnt Studiengebühren ab und möchte daher auch die bestehenden Langzeitstudiengebühren und vor allem die Gebühren für Lernmittel schrittweise abschaffen. Gebühren für speziell konzipierte Weiterbildungsstudiengänge werden dagegen als legitim angesehen, wobei diese in der Regel von Unternehmen getragen werden sollten.
DIE GRÜNEN sind wegen der sozialen Selektionswirkung grundsätzlich gegen die Einführung von Studiengebühren. Auch die bestehenden Langzeitstudiengebühren und Gebühren für Zweitstudien seien gesellschaftlich kontraproduktiv, da sie zügige Studienabschlüsse behinderten. Die Bezahlung des Studiums müsse über das aus ihm später erzielte Einkommen im Rahmen der Einkommensbesteuerung erfolgen.
Die SPD will auch weiterhin "keine Gebühren für ein Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss und in einem weiteren, darauf aufbauenden Masterstudiengang".
Auch die FDP will zur Zeit keine allgemeine Studiengebühren. Fort- und Weiterbildungsstudien seien seit langem in Sachsen-Anhalt mit unterschiedlich hohen Gebühren belegt, was allgemein anerkannt würde.
Thema Hochschulfinanzierung und "Schuldenbremse"
Die staatlichen Hochschulen in Deutschland sind seit Jahrzehnten strukturell unterfinanziert. So wurde mit dem so genannten "Öffnungsbeschluss der Kultusministerkonferenz" 1977 – neben der weiteren Öffnung der Hochschulen – auch das Einfrieren der öffentlichen Ausgaben für sie beschlossen. Zudem ist der Anteil der staatlichen Grundmittel der Hochschulen von 1980 bis 2007 von 72,3 auf 50,1 Prozent gesunken, während im gleichen Zeitraum die Drittmittel- und Verwaltungseinnahmen stark zugenommen haben. (Vgl. Lieb, 2009).
Wir haben die Parteien zum Einen dazu befragt, wie sie dazu stehen, dass sich der Staat mehr und mehr aus der Hochschulfinanzierung zurückzieht und zum Anderen, was sie von der so genannten "Schuldenbremse" halten, die in immer mehr Landesverfassungen verankert, u.a. von der GEW jedoch als "Bildungsbremse" kritisiert wird (vgl. auch den Artikel Schuldenbremse als Politikverzicht).
Mehr Drittmittel werden von der CDU begrüßt, da der Staat immer mehr Schulden habe und private Geldgeber für die Hochschulen nicht von Nachteil seien. Die Einführung der Schuldenbremse wird begrüßt. Durch gezielte Haushaltspolitik werden es nicht zu dem von der GEW beschriebenen Effekt kommen.
Die LINKE sieht die Tendenz zu mehr Drittmitteln mit Sorge. Auch wenn die die Mittel zur Förderung durch Dritte wie bei der DFG durch den Staat zur Verfügung gestellt würden, sei diese Förderung immer von den Kriterien eines Drittmittelgebers, egal ob staatlich oder privat, abhängig. Forschung, die nicht im Mainstream der Wissenschaft liege, sei dadurch ebenso gefährdet, wie langjährige Forschungsvorhaben. So schade die Kurzatmigkeit dieser Förderung dem Innovationssystem selbst. Ziel der LINKEN sei es, die Hochschulbudgets unter den derzeitigen Bedingungen auch bei einem sinkenden Landeshaushalt auf dem aktuellen Niveau zu halten.
Die Schuldenbremse sieht die LINKE kritisch. Zwar sei auch ihr Ziel, Neuverschuldung zu vermeiden und die Schulden des Landes abzubauen. Trotzdem habe man sich politisch gegen die Schuldenbremse ausgesprochen, da sie gepaart mit einer neoliberal geprägten Politik des "Schlanken Staates" zwangsweise zum Abbau staatlicher Leistungen führe. Die LINKE möchte daher durch eine gerechte Besteuerung die Einnahmen des Staates erhöhen.
Drittmittel sind aus Sicht der GRÜNEN ein schlechter Ersatz für eine mangelhaften Grundausstattung der Hochschulen. Die GRÜNEN forderten ausfinanzierte Hochschule, die ihre Grundlagenforschung und ihren Bildungsauftrag eigenständig realisieren können.
Eine Begrenzung der Schulden wird als sinnvoll angesehen, sofern die mit Augemaß vollzogen werde. Damit sie nicht als Argument für Sozialabbau und Bildungsarmut diene, müssten die erforderlichen Einnahmen gesichert und bei unnötigen Ausgaben gespart werden. Die GRÜNEN möchten Investitionen in Bildung dadurch finanzieren, dass 100 Millionen Euro an umweltschädlichen Ausgaben z.B. für Straßenbau abgebaut und umweltschädliche Subventionen z.B. für Bergbau zurückgefahren werden.
Die SPD ist sich "bewusst, dass die Kapazitätsgrenzen, um ein qualitativ hochwertiges Studium zu gewährleisten, erreicht sind". Bis 2013 sei die Finanzausstattung der Hochschulen verlässlich in Zielvereinbarungen geregelt. Die SPD wolle auch über 2013 hinaus für eine verlässliche und aufgabengerechte Finanzierung der Hochschulen im Land sorgen. Zum Schuldenabbau gebe es keine Alterative, die Schuldenbremse könne dabei hilfreich sein, solle aber nicht in der Landesverfassung verankert werden.
Die FDP widerspricht der Behauptung, dass die Finanzierung der Hochschulen in Sachen-Anhalt zurückgefahren wurde. Sie begrüßt ausdrücklich, dass sich die Hochschulen um Drittmittel bemühten, sieht das Potenzial aber noch nicht als ausgeschöpft an. Die öffentliche Hand sei aber auch zukünftig gefordert, eine auskömmliche Finanzierung sicherzustellen. Die Hochschulen müssten im Gegenzug ihre Profilbildung vorantreiben.
Die FDP bekennt sich ausdrücklich zur Schuldenbremse, die Vorwürfe der GEW seien zurückzuweisen. "Ein ausgeglichener Landeshaushalt auf der einen Seite und der Gewährung höchster Priorität für die Bildung in der Landespolitik auf der anderen Seite ermöglicht allen Generationen eine qualitativ hochwertige staatliche Ausbildung."
Thema Studienreform
In Sachen Studienreform fragten wir die Parteien, wie sie zu der Umsetzung des Konzepts der Bachelor-Master-Studiengänge in Deutschland – in der Regel sechssemesteriges Bachelor-Studium, Übergangsquoten in Höhe von ca. 30 - 70%, Neubewerbung für ein Master-Studium – stehen und welchen Entwicklungsbedarf sie auf diesem Gebiet sehen.
Die CDU bedauert, dass die erhoffte Studienzeitverkürzung durch die Einführung des Bachelor/Master-Systems wohl nicht eintreten wird. Dies liege auch daran, dass die Wirtschaft noch nicht in ausreichendem Maße Bachelor-Absolventen nachfragt. Trotzdem wird die "pauschale Negativsicht" in Bezug auf Masterstudiengänge nicht geteilt. Man wolle genau beobachten und gegebenenfalls nachsteuern.
Auch die LINKE steht grundsätzlich zum Bachelor/Master-System. Es gebe aber auch diverse Probleme, die zur Kenntnis genommen werden. Grundsätzlich wolle die LINKE, dass jeder, der einen Bachelorabschluss erwerbe, Anrecht auf die Zulassung zum Masterstudium habe.
Zitat GRÜNE: "Wir sind als die "Dagegenpartei" auch gegen jegliche Quoten für den Übergang vom Bachelor zum Master. Allen Studierenden muss die Möglichkeit zu einem Masterstudium gegeben werden. Das kann auch durch neue zusätzliche Masterangebote erfolgen."
Die SPD erachtet den Bologna-Prozess insgesamt als richtig, auch wenn die Umsetzung an verschiedenen Stellen nicht zufriedenstellend sei. Sie wolle die Hochschulen bei einer Umstellung des BA/MA-Systems von 6:4 Semester auf 7:3 Semester unterstützen. Die Masterstudiengänge in Sachsen-Anhalt seien in der Regel nicht zulassungsbeschränkt. Es existierten aber Engpässe, dazu soll es in der neuen Legislaturperiode einen Dialog mit Hochschulen und Studierenden geben, um zu erörtern, wie der Zugang zum Masterstudium "studiengangsdifferenziert gestaltet werden" könne.
Die FDP bedauert, dass der Bachelor-Abschluss aufgrund seiner Neuheit noch nicht die gebührende Anerkennung bei den Unternehmen habe. Für eine verbesserte Akzeptanz fordere die FDP die Hochschulen zu noch mehr Kooperation mit der Wirtschaft beispielsweise bei der Gestaltung der Studiengänge auf. Insbesondere in Sachsen-Anhalt gebe es in vielen Studienrichtungen eine sehr hohe Übergangsquote zum Master, so dass die von Studis Online gemachte Aussage nicht generell Gültigkeit habe.