Wahlprüfsteine HochschulpolitikAntworten der FDP Sachsen-Anhalt
Wie sollten diese rechtlichen Grundlagen nach Ihrer Vorstellung weiterentwickelt werden? Könnten Sie sich vorstellen, sich über den Bundesrat dafür einzusetzen das Unterhaltsrecht z. B. in Richtung einer vom Einkommen der Eltern unabhängigen Förderung zu reformieren?
Die CDU/CSU-FDP Koalition in Berlin hat mit der BAFöG-Reform die Sätze erhöht und den Kreis der Anspruchsberechtigten in den nächsten Jahren erweitert. Diese Politik wird auch von der FDP Sachsen-Anhalt unterstützt. Die FDP hat sich zudem seit längerem für ein elternunabhängiges Darlehensprogramm zur Finanzierung der Lebenshaltungskosten ausgesprochen. Die Koalition aus CDU/CSU und FDP hat sich darüber hinaus vorgenommen, die Harmonisierung der Leistungen im Unterhaltsrecht, Steuerrecht, Sozialrecht und Familienrecht zu prüfen und entsprechende Schritte einzuleiten.
2. Die Bundesregierung hat die bundesweite Einführung eines "Deutschlandstipendiums" beschlossen, das den "Leistungsstärksten" pro Monat 300 Euro - je zur Hälfte finanziert durch den Bund und private Sponsoren - einbringen soll. Unterstützen Sie diesen Plan?
Wie ist Ihre grundsätzliche Einstellung zu leistungsabhängigen Stipendien im Verhältnis zum BAföG?
Es ist nicht nachvollziehbar, warum sie in Ihrer Frage den Begriff Leistungsstärkste in Anführungsstriche setzen. Kann man daraus eine Abneigung gegen Leistung ablesen? Die Einführung des Deutschlandstipendiums nach Vorbild des bereits erfolgreich eingeführten Stipendienprogramms in NRW begrüßen wir ausdrücklich. Wir wollen die Hochschulen bei den Verwaltungskosten und den Aufwendungen zur Akquise der privaten Investoren durch Landesmittel unterstützen. Bafög und Leistungsstipendien stellen für uns unabhängige Wege der Erleichterung der Studienaufnahme für junge Menschen dar.
3. Studiengebühren sind seit ihrer Einführung ein stark umstrittenes Thema. In sieben Bundesländern wurden allgemeine Studiengebühren eingeführt, zwei (Hessen und Saarland) haben sie mittlerweile wieder abgeschafft, in Nordrhein-Westfalen ist die Abschaffung geplant. Bayern dagegen hat Pläne, bei berufsbegleitenden Bachelor-Studiengängen sogar höhere Studiengebühren von zunächst bis zu 2000 Euro zuzulassen.
Welche Pläne haben Sie für Sachsen-Anhalt?
Studiengebühren auch für das Erststudium werden in fast allen Staaten der Erde erhoben und voll akzeptiert, da Hochschulbildung als Zukunftsinvestition aufgefasst wird. Die FDP Sachsen-Anhalts sieht allerdings den gebührenfreien Zugang zum Studium im Moment für geboten, um die Chancen junger Menschen zu verbessern. Fort- und Weiterbildungsstudien sind seit langem in Sachsen-Anhalt mit unterschiedlich hohen Gebühren belegt, was allgemein anerkannt wird.
4. Was halten Sie von den sozialen Bewegungen, die Demokratie nicht mehrnur als System, bei dem man alle vier Jahre seine Stimme abgibt, verstehen wollen (bspw. das Bildungsstreik-Bündnis, die Proteste gegen Stuttgart 21)?
Ist Ihres Erachtens mehr Mitsprache und Mitbestimmung "von unten" nötig und möglich?
Sind Ihrer Auffassung nach in diesem Sinne auch an den Hochschulen Veränderungen notwendig?
Die FDP hält die Bürgerbeteiligung – unabhängig von den vertretenen Forderungen – auch außerhalb von Wahlen für Bereicherung der repräsentativen Demokratie. Gerade das Demonstrationsrecht ist ein kennzeichnendes Merkmal des liberalen Rechtsstaates. Die bestehenden Mitbestimmungsrechte auf kommunaler und Landesebene durch Anhörungen, Bürgerbegehren etc. sind unserer Auffassung nach grundsätzlich ausreichend. In Zukunft wird es verstärkt darauf ankommen, die Bürger darüber aufzuklären, dass es solche Mitwirkungsrechte gibt und dass sie genutzt werden müssen, bevor ein Planungs- oder Genehmigungsverfahren abgeschlossen ist.
In Bezug auf die Hochschulen brauchen wir ein Höchstmaß an Autonomie, Gestaltungs- und Entfaltungsfreiheit, damit diese schneller, besser und wettbewerbsfähiger werden. Die innere Verfassung und das Mitbestimmungsrecht der Studierenden betrachtet die FDP als Wettbewerbs- und Qualitätsfaktor. Unabhängig von formalen Fragen sind die Hochschulen gut beraten, verstärkt auf die Meinung der Studierenden zu hören. Die verfassten Studierendenschaften können für die Hochschulen wichtige Impulse bringen. Ihnen muss es dabei gelingen, einen größeren Teil der Studierenden von ihrem Nutzen zu überzeugen, so dass diese auch an den Wahlen teilnehmen. Eine weitere Konzentration auf deren alltägliche Belange wäre der beste Weg.
5. Brandenburg hat ein Landes-Schüler-BAföG für diejenigen Schülerinnen und Schüler eingeführt, die bisher kein BAföG bekommen können (insbesondere für Schüler an gymnasialen Oberstufen, die noch bei ihren Eltern wohnen). Was halten Sie von diesem Ansatz bzw. was für Pläne verfolgen sie, um mehr Menschen aus finanziell schlechter gestellten Familien zu einer Hochschulzugangsberechtigung zu verhelfen?
Entscheidend für die Chancengleichheit im Bildungssystem ist die Unterstützung der pädagogischen Strukturen, Maßnahmen gegen Unterrichtsausfall und Lehrerabbau helfen den Schülern mehr als ein Zuschuss zum monatlichen Taschengeld. Des Weiteren sind wir wie die brandenburgische FDP der Ansicht, dass eine Unterstützung, die lediglich in der gymnasialen Oberstufe und der Berufschule – also erst in der finalen Phase der schulischen Ausbildung – ansetzt, zu spät greift. Ganz grundsätzlich sehen wir keine Notwendigkeit, jenseits der Graduiertenförderung ein Landes-Ausbildungs- förderungssystem einzuführen. Im Übrigen ergaben sich in einer Umfrage des Landes keine Fälle, in denen auf den Besuch eines Gymnasiums aufgrund der familiären Finanzsituation verzichtet wurde.
6. Der Anteil der staatlichen Grundmittel für die Finanzierung der Hochschulen ist von 1980 bis 2007 von 72,3 auf 50,1 Prozent gesunken, während im gleichen Zeitraum die Finanzierung über Drittmittel- und Verwaltungseinnahmen in den letzten Jahrzehnten massiv zugenommen haben.
Wie stehen Sie dazu, dass die öffentliche Finanzierung der Hochschulen in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr zurückgefahren wurde?
Diese Behauptung trifft für Sachsen-Anhalt so nicht zu. Dass sich die Hochschulen allerdings verstärkt um Drittmittel – gerade aus dem Bereich der Wirtschaft und von Stiftungen – bemühen, begrüßen wir ausdrücklich. Hier haben unsere Hochschulen ihr Potenzial allerdings längst noch nicht ausgeschöpft. Jedes gewonnene Drittmittelprojekt spricht für den Forschungsstandort Sachsen-Anhalt. Die öffentliche Finanzierung der Hochschulen wurde in den letzten Jahrzehnten auch nicht zurückgefahren, gleichwohl gab es insbesondere durch den SPD-Finanzminister immer wieder den Versuch, die Etats der Hochschulen mittelfristig zu reduzieren. Die öffentliche Hand ist auch zukünftig gefordert, eine auskömmliche Finanzierung sicherzustellen. Die Hochschulen müssen im Gegenzug weiter ihre Profilbildung vorantreiben. Wir wollen die Objekt- durch eine Subjektförderung ergänzen, um Leistungen der Hochschule besser zu honorieren.
7. Was halten Sie von der so genannten "Schuldenbremse", die nach Ihrem Einzug ins Grundgesetz nun aktuell auch in immer mehr Landesverfassungen aufgenommen wird? Die Bildungsgewerkschaft GEW vertritt hier sehr pointiert die Auffassung, dass diese "Bremse" vor allem zu Sozialabbau führe und daher nichts anderes als eine "Bildungsbremse" sei. Wie stehen Sie dazu?
Die FDP Sachsen-Anhalt weist den Vorwurf der GEW entschieden von sich und bekennt sich ausdrücklich zur Schuldbremse. Wir dürfen die Chancen und damit auch die Bildungschancen nachfolgender Generationen nicht durch eine ausufernde Schuldenpolitik heute gefährden. Ein ausgeglichener Landeshaushalt auf der einen Seite und der Gewährung höchster Priorität für die Bildung in der Landespolitik auf der anderen Seite ermöglicht allen Generationen eine qualitativ hochwertige staatliche Ausbildung.
8. Eine vor kurzem veröffentlichte Studie des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) hat ergeben, dass "bis 2020 bis zu einer Million mehr Studienplätze erforderlich [sind]. Unter Berücksichtigung des Hochschulpakts besteht somit ein Finanzierungsbedarf für weitere 700.000 Plätze. Dieser Bedarf an Studienplätzen ergibt sich daraus, dass bis 2020 jedes Jahr mindestens 400.000 Studienanfänger an die Hochschulen drängen."
Stimmen Sie dieser Analyse zu? Wenn ja, wie wollen Sie die Vergrößerung des Studienplatzangebots realisieren?
In diesem Punkt halten wir uns an die Vorhersagen aus dem Hochschulpakt 2020. Wie bereits in der Antwort zu Frage 3 erwähnt, ergibt sich für Sachsen-Anhalt aufgrund der demografischen Entwicklung und eines immer kleiner werdenden Landeshaushaltes weniger das Problem einer rein quantitativen Verfügbarmachung der Studienplätze als deren finanziell zu untermauernde qualitative Ausgestaltung. Damit Sachsen-Anhalt für Studierende aus ganz Deutschland attraktiver wird, muss gezielt in die Qualität der Lehre und Forschung investiert werden. Im Übrigen hat Deutschland mit dem System der Dualen Berufsausbildung sehr gute Erfahrungen gemacht. Viele Berufsbilder die in anderen Ländern einer Hochschulausbildung bedürfen, sind in Deutschland auf gleichem teilweise auf höherem Niveau Teil einer Berufsausbildung. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) hat festgestellt, dass Deutschland deshalb eine im internationalen Vergleich ausgesprochen niedrige Jugendarbeitslosigkeit hat. Auch in Zukunft gilt für uns: Nicht jeder muss studieren, aber alle, die dazu fähig sind, sollen studieren können.
9. Aktuell wird der Bachelor-Abschluss für immer mehr Studierende zur Sackgasse, da es nicht genug Master-Studienplätze gibt. Wie stehen Sie zu der Umsetzung des Konzepts der Bachelor-Master-Studiengänge in Deutschland - i.d.R. sechssemesteriges Bachelor-Studium, Übergangsquoten in Höhe von ca. 30 – 70%, Neubewerbung für ein Master-Studium?
Welchen Entwicklungsbedarf sehen Sie auf diesem Gebiet?
Der Bachelor-Abschluss ist ein ordentlicher berufsqualifizierender Hochschulabschluss, der leider aufgrund seiner Neuheit noch nicht die gebührende Anerkennung bei den Unternehmen hat. Für eine verbesserte Akzeptanz des Bachelors fordern wir die Hochschulen zu noch mehr Kooperation mit der Wirtschaft beispielsweise bei der Gestaltung der Studiengänge auf. Mit den neuen Stipendienprogrammen wurde eine Möglichkeit geschaffen, Kontakte zu Unternehmen anzubahnen, um diese als langfristige Kooperationspartner zu gewinnen. Insbesondere in Sachsen-Anhalt gibt es in vielen Studienrichtungen eine sehr hohe Übergangsquote zum Master, so dass Ihre Aussage nicht generell Gültigkeit hat. Der Master dient im Wesentlichen der Vorbereitung auf eine wissenschaftliche Laufbahn, so dass Qualifikationsvoraussetzungen durchaus sinnvoll sind.
Aus Sicht der Liberalen ist es notwendig, endlich die internationale Anerkennung der erworbenen Abschlüsse und Credit Points durchzusetzen, um den gemeinsamen Bildungsraum zu leben.
10. Viele Studienfächer sind inzwischen zulassungsbeschränkt. Studieninteressierte sind daher gezwungen, sich an einer größeren Zahl von Hochschulen zu bewerben und Bewerbungen wieder zurückzuziehen, falls doch ein Platz an einer bevorzugten Hochschulen frei wird. Nun gibt es offenbar bereits Streit um die Kostenverteilung bei der ab kommenden Wintersemester geplanten zentralen (wenn auch freiwilligen) Koordinierung durch die Stiftung für Hochschulzulassung / hochschulSTART.de.
Wollen Sie sich in diese Auseinandersetzung einmischen und die Hochschulen ihres Landes zu einer einheitlichen Linie drängen bzw. durch finanzielle Zusagen des Landes eine Teilnahme aller Hochschulen des Landes ermöglichen?
Das zurzeit in NRW erprobte Model, die Studienplatzvergabe zentral über die Stiftung für Hochschulzulassung zu regeln, soll eine Chance erhalten, sich zu bewähren. Die FDP Sachsen-Anhalt ist allerdings der Ansicht, dass die "neue ZVS" unseren Universitäten und Hochschulen wohl nicht viel bringen wird. Wir werden sie deshalb nicht zur Teilnahme zwingen. Wir gehen davon aus, dass die Probleme vor allem daraus resultieren, dass die staatlichen Hochschulen bisher noch zu wenig Erfahrung mit der selbstbestimmten Auswahl von Studienanfängern haben. Wir setzen vor allem darauf, dass die Hochschulen diese Probleme durch freiwillige Kooperation untereinander und Lernprozesse eigenverantwortlich lösen können. Gute Modelle dafür gibt es auch in Sachsen-Anhalt bereits.