Wahlprüfsteine HochschulpolitikAntworten von Bündnis 90/Die Grünen Baden-Württemberg
Die jüngste BaföG-Erhöhung stellt zumindest einen kleinen Schritt in die richtige Richtung dar. Erforderlich wäre aber eine grundlegende Reform, wie sie von Bündnis 90/Die Grünen mit unserem sog. 2-Säulen-Modell der Studienfinanzierung im Bundesprogramm beschlossen ist. Wesentliche Bestandteile dieses Modells sind der elternunabhängige Studierendenzuschuss in Höhe von 200 €, der jedem Studierenden zur Verfügung gestellt werden soll. Er soll das bisherige Kindergeld und weitere Vergünstigungen an Eltern für ihre studierenden "Kinder" ersetzen – sowie der Bedarfszuschuss der – abhängig von der individuellen Einkommenssituation – bis zu 260 € betragen kann. Beide Zuschüsse sollen als Vollzuschüsse erfolgen und wären somit nicht rückzahlungspflichtig. Hinzu käme im Bedarfsfall noch das Wohngeld, dass nach geltenden Regelungen des Wohngeldgesetzes bis zu 272 € betragen kann. Ausgaben für Kranken- und Pflegeversicherung würden außerdem nach der tatsächlichen Höhe auf den Bedarf aufgeschlagen, wodurch eine maximale Förderung von rund 800 € möglich wäre. Eine solche Reform muss von Bund und Ländern beschlossen werden. Wir halten sie für das zentrale Projekt, um soziale Hürden beim Studium abzubauen.
Details zum 2-Stufen-Modell der Grünen Bundestagsfraktion finden Sie hier.
2. Die Bundesregierung hat die bundesweite Einführung eines "Deutschlandstipendiums" beschlossen, das den "Leistungsstarken" pro Monat 300 Euro einbringen soll. Unterstützen Sie diesen Plan? Wie ist Ihre grundsätzliche Einstellung zu leistungsabhängigen Stipendien im Verhältnis zum BAföG?
Eine Reform der Studienfinanzierung im Sinne des oben dargestellten 2-Säulen-Modells streben wir an. Für völlig inakzeptabel halten wir, dass das bestehende Bafög gekürzt wird, um das sog. Deutschland-Stipendium mit staatlichen Geldern mit zu finanzieren. Das Bafög kommt wenigstens gezielt denjenigen zu Gute, die finanzielle Unterstützung am dringendsten brauchen. Dieser Gedanke spielt beim Deutschland-Stipendium keine Rolle. Leistungsanreize innerhalb des Bafög-Systems können durchaus Sinn machen. Es ist daher ein Hohn, diese Möglichkeit zur Reduktion der Schuldenbelastung für leistungsstarke Bafög-Empfänger zu streichen und den besten Studierenden eines Jahrgangs keinen Nachlass mehr bei der Rückzahlung des Darlehens mehr zu gewähren. Schavans "Deutschland-Stipendium" ist bereits bei seiner Einführung gescheitert. Förderzeiten von maximal zwei Semestern und der Verlust des Stipendiums beim Hochschulwechsel widersprechen den Erfordernissen des Studienalltags.
Mit solchen realitätsfernen Vorgaben verschreckt die Bildungsministerin nicht nur Studierende und die Hochschulen, sondern auch die Wirtschaft als potenzielle Stipendiengeber. Folge: Dem Studierenden-Boom steht eine Stipendien-Flaute gegenüber. Die ersten Akquisezahlen zeigen, dass wir von der vollmundig ausgerufenen neuen Stipendienkultur Lichtjahre entfernt sind. Stipendien der parteinahen Stiftungen, der Gewerkschaften und der Kirchen halten wir für eine sinnvolle Ergänzung zu einem ordentlichen System der Studienfinanzierung. Sie können diese aber keinesfalls ersetzen, sondern nur ergänzen. Da die staatlichen Mittel für diese Stipendien nicht im Verhältnis zu den wachsenden Studierendenzahlen steigen, haben die heutigen Studienanfänger de facto eine weit geringere Chance auf ein Stipendium – das Deutschland-Stipendium ändert daran nichts.
3. Studiengebühren sind seit ihrer Einführung stark umstritten. In sieben Bundesländern wurden allgemeine Studiengebühren eingeführt (darunter auch in Baden-Württemberg), zwei (Hessen und Saarland) haben sie mittlerweile wieder abgeschafft, in Nordrhein-Westfalen ist die Abschaffung geplant. Bayern hat dagegen Pläne, bei berufsbegleitenden Bachelor-Studiengängen sogar höhere Studiengebühren von zunächst bis zu 2000 Euro zuzulassen. Welche Pläne haben Sie für Baden-Württemberg? Wenn sie die Gebühren abschaffen wollen, wie wollen sie mit den Einnahmeausfällen der Hochschulen umgehen?
Studiengebühren stellen eine Hürde bei der Aufnahme eines Hochschulstudiums dar, besonders für Menschen aus bildungsfernen Schichten. Die Schere im Bildungssystem war aber lange vor den Studiengebühren vorhanden und sie setzt viel früher ein. Deshalb ist die Abschaffung der Gebühren allein sicher nicht das zentrale Mittel, um die soziale Selektivität zu überwinden. Dafür müsste wesentlich früher angesetzt werden, denn die Weichen für den Bildungsweg werden schon im Kindergarten, vor allem aber in der Schule gestellt, wo Baden-Württemberg wegen fehlender Ganztagesschulen und mit dem dreigliedrigen Schulsystem über Selektionsmechanismen verfügt, die systematisch Aufstiegsmöglichkeiten durch Bildung erschweren. Von einer Abschaffung von Studiengebühren profitieren daher in überdurchschnittlichem Ausmaß diejenigen privilegierten Gruppen, die es mehrheitlich überhaupt erst bis zur Hochschule schaffen. Dennoch stehen wir klar für ein gebührenfreies Erststudium ein. Das unter schwarz-gelb eingeführte Studiengebührenmodell ist sozial blind und wir wollen es so schnell wie möglich abschaffen. Das Erststudium bis zum Master-Abschluss soll in Baden-Württemberg künftig gebührenfrei sein.
Zwingende Voraussetzung dafür ist, dass wegfallende Gebühren aus dem Landeshaushalt ausgeglichen werden. Denn die Mittel werden dringend gebraucht, um akzeptable Studienbedingungen zu gewährleisten. Es wäre das Schlechteste, was den starken Studierenden-Jahrgängen passieren könnte, wenn sie jetzt auch noch Qualitätseinbußen hinnehmen müssten. Bereits die überstürzte Einführung der Geschwisterregelung durch Schwarz-Gelb hat gezeigt, welche Löcher derartige Maßnahmen in Hochschulhaushalten reißen können – mit fatalen Folgen für das Lehrangebot. Dies gilt es im Interesse der Studierenden zu verhindern!
4. Was halten Sie von den sozialen Bewegungen, die Demokratie nicht mehr nur als System, bei dem man alle vier Jahre Stimme abgibt, verstehen wollen (z.B. das Bildungsstreik-Bündnis, die Proteste gegen Stuttgart 21)? Ist Ihres Erachtens mehr Mitsprache und Mitbestimmung "von unten" nötig und möglich? Sind Ihrer Auffassung nach in diesem Sinne auch an den Hochschulen Veränderungen notwendig?
Die stärkere Anbindung der repräsentativen Demokratie an den Bürgerwillen und Politik "von unten" ist eines der Gründungsthemen der Grünen und noch immer ein zentrales Ziel, das wir verfolgen. Gerade die angesprochenen Beispiele zeigen, dass Bürgerbeteiligung, aber auch Protest gegen Fehlentwicklungen nicht im Gegensatz zur repräsentativen Demokratie stehen, sondern diese in unverzichtbarer Weise komplementär ergänzen.
Beispiel Stuttgart 21: das angeblich am besten geplante Bauvorhaben in der Geschichte der Bundesrepublik hat sich im Schlichtungsverfahren als so mangelhaft entpuppt, dass selbst die Projektträger eingestehen mussten, dass ohne massive Nachbesserungen ein Funktionieren des Verkehrsknotens Stuttgart nicht hätte gewährleistet werden können. Zu einem solchen Schlichtungsverfahren mit Offenlegung aller Fakten wäre es aber ohne den entschlossenen, gewaltfreien Protest so vieler Menschen gar nicht erst gekommen. Mit ernsthafter früherer Bürgerbeteiligung wäre das Milliardengrab Stuttgart 21 gar nicht erst auf den Weg gebracht worden. Wir halten deshalb den Protest weiterhin für legitim und unterstützen ihn. Gemeinsam gelingt es uns, dieses Projekt nach der erfolgreichen Wahl zu stoppen.
Beispiel Bildungsstreik: Dass die Umsetzung von Bologna zum Nulltarif und ohne landesweite Koordinierung im Chaos enden würde, hätte man zwar ahnen können. Die Bereitschaft, zumindest kleine Korrekturen auf den Weg zu bringen – das Problem überhaupt als solches anzuerkennen! – hat die Landesregierung allerdings erst aufgebracht, als 2009 massenhaft Studierende und SchülerInnen auf die Straße gegangen sind und Hörsäle besetzt haben. Dies wiederum hat auch die Arbeit auf parlamentarischer Ebene erleichtert und eine ernsthafte öffentliche Auseinandersetzung über die drängendsten Probleme in der Bildungspolitik beflügelt, die von Regierungsseite sonst gerne verweigert wird.
In beiden Fällen zeigt sich: Repräsentative Demokratie, Bürgerbeteiligung und eine lebendige Protestkultur konkurrieren nicht, sondern sorgen für eine lebendige Demokratie, wie wir sie brauchen.
In diesem Sinne muss sich auch an den Hochschulen einiges ändern: Es wird höchste Zeit, dass dort eine Beteiligungskultur Einzug hält, die weit über die zeitaufwändige und oft wenig transparente Mitsprache in Gremien hinaus geht und hinführt zu einem aktiven Mitgestalten der Studierenden bei Lehrinhalten und auch Leitbildern von Hochschulen.
5. In allen Bundesländern außer Bayern und Baden-Württemberg gibt es so genannte "Verfasste Studierendenschaften", also gesetzlich verankerte Gremien der studentischen Selbstverwaltung. Wie stehen Sie zur studentischen Selbstverwaltung? Mit welchen Rechten sollte diese Ihrer Einschätzung nach ausgestattet sein? Gibt es in Baden-Württemberg Änderungsbedarf, z.B. die Einführung einer "Verfassten Studierendenschaft"?
Mindestbedingung für eine solche demokratische Kultur bleibt unserer Ansicht nach die demokratische Verfasstheit der Studierendenschaft. Deren Wiedereinführung stellt für uns eine Selbstverständlichkeit dar, die wir im Falle eines Wahlsieges sofort umsetzen würden. Satzungs- und Finanzautonomie gehören dabei ebenso zu einer ernsthaften Ausgestaltung der Verfassten Studierendenschaft wie die Möglichkeit, sich auch über hochschulpolitische Fragen hinaus in politische Willensbildungsprozesse einzumischen und öffentlich Stellung zu beziehen.
Ein entsprechender Gesetzentwurf wurde zuletzt im Dezember 2010 von der GRÜNEN Fraktion gemeinsam mit der SPD in den Landtag eingebracht. Den Gesetzentwurf finden Sie hier.
6. Der Anteil der staatlichen Grundmittel für die Finanzierung der Hochschulen ist von 1980 bis 2007 von 72,3 auf 50,1 % gesunken, während im gleichen Zeitraum die Finanzierung über Drittmittel- und Verwaltungseinnahmen massiv zugenommen haben. Wie stehen Sie dazu, dass die öffentliche Finanzierung der Hochschulen in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr zurückgefahren wurde?
Zwar wurde nicht die öffentliche Finanzierung der Hochschulen an sich zurückgefahren – diese war im Gegenteil in den letzten Jahren recht großzügig. Skandalös ist aber die Prioritätensetzung bei der Verteilung der Mittel. Denn es stimmt, dass immer weniger Geld für die grundständige Lehre zur Verfügung steht und immer mehr in Projektförderung fließt. Der größte Fördertopf war dabei die Exzellenzinitiative, über die Milliardenbeträge in einige Hochschulen gelangten. Allerdings: diese kamen vom Bund und waren somit schon verfassungsrechtlich an die Forschung gebunden. Die Lehre, die den entscheidenden Faktor für die Rekrutierung von hoch qualifiziertem Nachwuchs für Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft als Ganzes darstellt, ging weitgehend leer aus. Sie musste darüber hinaus darunter leiden, dass die Bundesfördermittel mit Landesmitteln kofinanziert werden – wo der Bund die Forschung fördert, springt auch das Land mit ein. Dies ist in den letzten Jahren in relevantem Umfang geschehen, ohne dass der Wissenschaftsetat dafür in angemessener Weise angewachsen wäre. Mit anderen Worten: Förderung von Forschungsexzellenz auf der einen Seite hat zu relativem Absenken der Grundfinanzierung geführt.
Es bedarf schnellstmöglich einer Umkehrung der Prioritätensetzung bei der Hochschulfinanzierung, wenn Baden-Württemberg auch weiterhin viele und gute Hochschulabsolventen hervorbringen soll. Wir Grüne wollen daher gezielt finanzielle Anreize für Hochschulen setzen, viele Studierende aufzunehmen, diese hervorragend zu betreuen und zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen. Gute Lehre darf kein Anhängsel von Forschungsexzellenz sein!
7. Was halten Sie von der so genannten "Schuldenbremse", die nach Ihrem Einzug ins Grundgesetz nun aktuell auch in immer mehr Landesverfassungen aufgenommen wird? Die Bildungsgewerkschaft GEW vertritt hier sehr pointiert die Auffassung, dass diese "Bremse" vor allem zu Sozialabbau führe und daher nicht anderes als eine "Bildungsbremse" sei. Wie stehen Sie dazu?
Grüne orientieren sich in allen Politikbereichen am Grundsatz der Nachhaltigkeit – Ressourcen sollen so eingesetzt werden, dass durch den heute gepflegten Umgang nicht die Chancen zu ihrer Nutzung in Zukunft gefährdet werden. Was in der Ökologie gilt, gilt für Finanzen ebenso: Geld, das wir heute ausgeben, kann morgen nicht mehr verwendet werden – Schulden, die heute gemacht werden, belasten durch Schuldendienst und eingeengte Spielräume schon die heutige und viel mehr noch künftige Generationen. Es ist für uns daher eine zentrale Gerechtigkeitsfrage, öffentliche Haushalte so zu konsolidieren, dass Staat und Kommunen auch in 20 Jahren noch gute Bildung anbieten, sozial Schwache unterstützen und Zukunftsinvestitionen tätigen können. Die Schuldenbremse ist grundsätzlich ein geeignetes Instrument, Regierungen zum verantwortungsvollen Wirtschaften anzuhalten. Die Grüne Landtagsfraktion hat die Aufnahme der Schuldenbremse in die Landesverfassung deshalb ausdrücklich begrüßt.
Vor dem Hintergrund der massiven Schwierigkeiten, in denen die öffentlichen Haushalte infolge der internationalen Finanzkrise stecken, haben wir Grüne unser Wahlprogramm an strengen Haushaltsgrundsätzen ausgerichtet – denn das von der Schuldenbremse vorgegebene Ziel kann nur erreicht werden, wenn wir es schaffen, das jährliche strukturelle Defizit von rund 1 Mrd. Euro endlich zu überwinden. Dafür muss sich auf der Ausgabenseite wie auf der Einnahmeseite etwas verändern. Wichtig ist für uns aber, dass die Schuldenbremse eben keine "Bildungsbremse" wird – Bildung ist aus unserer Sicht eine Investition in die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft. Hier stehen hinsichtlich des Ausbaus der Studienplätze, der Ganztagesschulen oder der Qualitätsverbesserung in der Kleinkindbetreuung so viele zentrale Reformvorhaben auf der Agenda, dass wir diesen Bereich explizit von Sparzielen ausgenommen haben. Bei der Bildung darf nicht gekürzt werden – hier bedarf es im Gegenteil massiver zusätzlicher Investitionen. Wir stehen für klare Prioritätensetzung zugunsten von Bildung und wir stehen dazu, dass wir mehr Steuereinnahmen brauchen, wenn der Staat handlungsfähig bleiben soll.
8. Eine vor kurzem veröffentlichte Studie des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) hat ergeben, dass "bis 2020 bis zu einer Million mehr Studienplätze erforderlich sind. Unter Berücksichtigung des Hochschulpakts besteht somit ein Finanzierungsbedarf für weitere 700.000 Plätze. Dieser Bedarf an Studienplätzen ergibt sich daraus, dass bis 2020 jedes Jahr mindestens 400.000 Studienanfänger an die Hochschulen drängen."
Stimmen Sie dieser Analyse zu? Wenn ja, wie wollen Sie die Vergrößerung des Studienplatzangebots realisieren?
Wir halten diese Analyse für richtig. Seit 2004 drängen wir die Landesregierung, etwas gegen den Studienplatzmangel zu unternehmen. Es gibt zwar mittlerweile den "Masterplan 2012" der Landesregierung, aber nach wie vor rechnet sie kontinuierlich den Bedarf an zusätzlichen Studienplätzen speziell in Baden-Württemberg in den nächsten Jahren klein und finanziert die zusätzlichen Studienplätze nicht richtig aus. Bereits als das Ausbauprogramm "Hochschulpakt 2012" aufgelegt wurde, war klar, dass der von der Landesregierung angepeilte Aufwuchs von 16.000 Plätzen nicht ausreichen würde. Wir haben bereits damals einen Ausbau um mindestens 20.000 Studienanfängerplätze gefordert. Dies hat die Landesregierung zwar Anfang 2010 eingesehen und ihr Ziel angepasst, nicht aber die dafür notwendigen Mittel. Mittlerweile muss aber aufgrund der Aussetzung der Wehrpflicht mit noch mehr StudienbewerberInnen in den nächsten Jahren gerechnet werden. Ein weiterer Zuwachs von rund 3000 Plätzen ab dem kommenden Wintersemester wäre erforderlich, um diesen Bedarf zu decken.
Es versteht sich von selbst, dass der Ausbau von Bachelor-Plätzen von einem Ausbau auch des Master-Angebots begleitet werden muss. Deren Finanzierung ist einer der Baustellen in der Bildungspolitik, für die eine Ausweitung des Etats unumgänglich ist. Investitionen, die wir hier nicht tätigen, würden aber umso höhere Folgekosten in der Zukunft mit sich bringen, wenn wir für immer mehr Studienbewerber keine Plätze mehr anbieten könnten.
9. Aktuell wird der Bachelor-Abschluss für immer mehr Studierende zur Sackgasse, da es nicht genug Master-Studienplätze gibt. Wie stehen Sie zu der Umsetzung des Konzepts der Bachelor-Master-Studiengänge in Deutschland – i.d.R. sechssemestriges Bachelor-Studium, Übergangsquoten in Höhe von ca. 30-70 %, Neubewerbung für ein Master-Studium? Welchen Entwicklungsbedarf sehen Sie auf diesem Gebiet?
Die Auffassung, dass der Bachelor für viele Studierende eine Sackgasse ist, können wir nicht teilen. Diese von Studierenden häufig formulierte Sorge wird bisher von der vorliegenden Datenlage nicht gestützt. Lediglich in Ausnahmefällen (z.B. Wirtschaftswissenschaften an der Universität Köln) ist es bisher zu größeren Problemen im Zugang zum Master-Studium gekommen. Wir beobachten allerdings sehr genau, wie sich die Lage in Baden-Württemberg hier entwickelt – denn wenn der Ausbau der Master-Plätze nicht analog zum Aufwuchs im Bachelor-Bereich zügig erfolgt, drohen hier in den nächsten Jahren tatsächlich Engpässe. Der bedarfsgerechte Ausbau der Master-Studienplätze ist daher ein wichtiger Eckpunkt unseres hochschulpolitischen Programms für Baden-Württemberg – ausgehend von der Überzeugung, dass alle Studierenden, die willens und fähig sind, ein Master-Studium aufzunehmen, dazu auch die Möglichkeit erhalten sollen.
Hinsichtlich der Sorge, dass der Bachelor eine Sackgasse darstellt, sollte aber auch erwähnt werden, dass von Arbeitgeberseite sehr positive Rückmeldungen hinsichtlich der beruflichen Chancen von Bachelor-Absolventen kommen, die mittlerweile auch durch entsprechende Forschungsergebnisse des Internationalen Zentrums für Hochschulforschung (INCHER) in Kassel gestützt werden. Der erfolgreiche Berufseinstieg vieler Bachelor-Absolventen wird dazu beitragen, dass die Konkurrenz um angebotene Masterstudienplätze nicht in einer Weise ausartet, wie Studierende derzeit fürchten.
Wir unterstützen Bestrebungen, verstärkt 7- bis 8-semestrige BA-Studiengänge anzubieten, bzw. eine Studieneingangs- oder Orientierungsphase vorzuschieben. Der 6-semestrige BA ist kein Muss. Der "Deckel" der KMK, die eine Obergrenze von 10 Semestern für BA plus MA vorgesehen hatte, ist deshalb aufzuheben.
Auch von starren Übergangsquoten halten GRÜNE nichts. Es ist der Befähigung und dem Interesse der Studierenden zu überlassen, ob sie weiterstudieren wollen oder nicht. Allerdings halten wir ebenso wenig davon, dass Mängel im Bachelor-Studium dadurch aufgefangen werden, das Master-Studium zum Regelfall zu machen. Ein schlechtes Bachelor-Studium wird nur dadurch besser, dass man es reformiert.
10. Viele Studienfächer sind inzwischen zulassungsbeschränkt. Studieninteressierte sind daher gezwungen, sich an einer größeren Zahl von Hochschulen zu bewerben und Bewerbungen wieder zurückzuziehen, falls doch ein Platz an einer bevorzugten Hochschule frei wird. Nun gibt es offenbar bereits Streit um die Kostenverteilung bei der ab kommenden Wintersemester geplanten zentralen (wenn auch freiwilligen) Koordinierung durch die Stiftung für Hochschulzulassung. Wollen Sie sich in diese Auseinandersetzung einmischen und die Hochschulen ihres Landes zu einer einheitlichen Linie drängen bzw. durch finanzielle Zusagen des Landes eine Teilnahme aller Hochschulen des Landes ermöglichen?
Wie eine parlamentarische Initiative unserer Fraktion 2009 ergeben hat, bleiben in zulassungsbeschränkten Studiengängen trotz der konstant hohen Zahl an StudienbeweberInnen immer wieder Plätze in relevanten Mengen unbesetzt – aufgrund des Chaos in Bewerbungs- und Hochschulzulassungsverfahren. Bereits damals haben wir die verbindliche Teilnahme der baden-württembergischen Hochschulen am Vergabeverfahren der Stiftung für Hochschulzulassung beantragt. Der Erfolg der Stiftung für Hochschulzulassung wird davon abhängig sein, dass sich möglichst alle Hochschulen daran beteiligen. Was nicht in das Belieben der Hochschulen gestellt werden darf, ist folglich durch den Landeshaushalt zu finanzieren.
Den Antrag dazu finden Sie hier.