Wahlprüfsteine HochschulpolitikAntworten der LINKEN Sachsen-Anhalt
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Wie sollten diese rechtlichen Grundlagen nach Ihrer Vorstellung weiterentwickelt werden? Könnten Sie sich vorstellen, sich über den Bundesrat dafür einzusetzen das Unterhaltsrecht z. B. in Richtung einer vom Einkommen der Eltern unabhängigen Förderung zu reformieren?
DIE LINKE setzt sich auf Bundesebene für eine Reform der Ausbildungsförderung ein. Die Ausbildungsförderung muss auskömmlich sein und mehr Studierenden zugute kommen. Langfristig ist auch für Studierende eine soziale Grundsicherung anzustreben, die unabhängig von der Finanzlage der Eltern allen zusteht. Sie ist Garant für eine freie Studienwahl, unabhängig vom Elternwunsch, und für die Möglichkeit, ein Studium auch ohne Nebenerwerb absolvieren zu können. Zudem würde eine solche Forderung den Bürokratieaufwand drastisch reduzieren. Wichtig ist uns dabei der Rechtsanspruch auf eine Förderung.
Bundesratsinitiativen zur Reform der Ausbildungsförderung im beschriebenen Sinne können wir uns vorstellen.
2. Die Bundesregierung hat die bundesweite Einführung eines "Deutschlandstipendiums" beschlossen, das den "Leistungsstärksten" pro Monat 300 Euro - je zur Hälfte finanziert durch den Bund und private Sponsoren - einbringen soll. Unterstützen Sie diesen Plan?
Wie ist Ihre grundsätzliche Einstellung zu leistungsabhängigen Stipendien im Verhältnis zum BAföG?
DIE LINKE unterstützt diese Form der Stipendien nicht. Zum einen ist das Konstrukt gerade für wirtschaftlich schwächere Regionen ungeeignet, da die Kofinanzierung aus der Wirtschaft fehlt, zum anderen sind diese Stipendien mit einem hohen Maß an Bürokratie für die Hochschulen verbunden. Zudem ist die Stipendienvergabe vom Interesse des Privaten Stipendiengebers abhängig. DIE LINKE sieht zudem in diesen Stipendien eine Verlagerung staatlicher Prioritäten hin zur Elitenförderung. Alternativ sollten die eingesetzten Staatlichen Mittel besser zum Ausbau des Anspruchs auf BAföG und dessen Erhöhung genutzt werden. Damit wäre eine stärkere Unterstützung der Studierenden möglich, deren finanzielle Situation sie sonst zur Erwerbsarbeit während des Studiums zwingt. Zudem legt DIE LINKE großen Wert auf den Rechtsanspruch der mit dem BAföG verbrieft ist.
3. Studiengebühren sind seit ihrer Einführung ein stark umstrittenes Thema. In sieben Bundesländern wurden allgemeine Studiengebühren eingeführt, zwei (Hessen und Saarland) haben sie mittlerweile wieder abgeschafft, in Nordrhein-Westfalen ist die Abschaffung geplant. Bayern dagegen hat Pläne, bei berufsbegleitenden Bachelor-Studiengängen sogar höhere Studiengebühren von zunächst bis zu 2000 Euro zuzulassen.
Welche Pläne haben Sie für Sachsen-Anhalt?
DIE LINKE hat immer deutlich gemacht, dass sie Studiengebühren ablehnt. In Sachsen-Anhalt gibt es derzeit keine allgemeinen Studiengebühren für ein Erststudium bis zum konsekutiven Master. Gleichwohl sehen wir bestehende Langzeitstudiengebühren, Gebühren für ein Zweitstudium und Gebühren für Lehr- und Lernmittel äußerst kritisch und wollen diese schrittweise abschaffen. Großes Augenmerk richten wir dabei auf die Gebühren für Lehr- und Lernmittel, die bereits im Erststudium je nach Fach große Belastungen für die Studierenden darstellen.
Perspektivisch sind aus Sicht der LINKEN nur Gebühren für speziell konzipierte Weiterbildungsstudiengänge legitim, die in der Regel die Unternehmen tragen sollen.
4. Was halten Sie von den sozialen Bewegungen, die Demokratie nicht mehrnur als System, bei dem man alle vier Jahre seine Stimme abgibt, verstehen wollen (bspw. das Bildungsstreik-Bündnis, die Proteste gegen Stuttgart 21)?
Ist Ihres Erachtens mehr Mitsprache und Mitbestimmung "von unten" nötig und möglich?
Sind Ihrer Auffassung nach in diesem Sinne auch an den Hochschulen Veränderungen notwendig?
Die Basis für Demokratie ist das tägliche Engagement der Bürger. Deswegen sind Teilhabe und demokratischer Wandel Kernthemen der Arbeit der LINKEN. An den Hochschulen bedeutet das für uns, dass sich DIE LINKE für ein wirkungsvolles politisches Mandat der Verfassten Studierendenschaften einsetzt. Zudem müssen die Mitspracherechte aller Statusgruppen verbessert werden. Dazu gehört zum einen die paritätische Besetzung von Hochschulgremien, zum anderen aber besonders, die Entscheidungskompetenzen wieder in diese Gremien zu verlagern. Denn Hochschulautonomie und Hochschuldemokratie sind für DIE LINKE zwei Seiten einer Medaille.
Aber auch außerhalb der Gremien haben Initiativen das Recht, politisch berücksichtigt zu werden. So hat DIE LINKE das Bildungsstreikbündnis in Sachsen-Anhalt aktiv unterstützt – auch wenn der Rückhalt der Studierendenräte gefehlt hat.
5. Brandenburg hat ein Landes-Schüler-BAföG für diejenigen Schülerinnen und Schüler eingeführt, die bisher kein BAföG bekommen können (insbesondere für Schüler an gymnasialen Oberstufen, die noch bei ihren Eltern wohnen). Was halten Sie von diesem Ansatz bzw. was für Pläne verfolgen sie, um mehr Menschen aus finanziell schlechter gestellten Familien zu einer Hochschulzugangsberechtigung zu verhelfen?
Das Landes-Schüler-BAföG, das DIE LINKE und die SPD in Brandenburg eingeführt haben, halten wir für eine gute Möglichkeit, um Schülerinnen und Schülern, deren Eltern nur über geringe Einkommen verfügen, den Weg zum Abitur oder zu einer fachgebundenen Hochschulzugangsberechtigung zu eröffnen.
DIE LINKE in Sachsen-Anhalt hat sich vehement dafür eingesetzt, dass in der gesamten Sekundarstufe II die Schülerinnen und Schüler von den Kosten der Schülerbeförderung entlastet werden. Das führte dazu, dass nunmehr alle Schülerinnen und Schüler dieser Schulstufe lediglich noch einen Eigenbeitrag von Euro 100,- pro Jahr zu den Beförderungskosten leisten müssen.
Außerdem tritt DIE LINKE zur Überwindung oder Milderung sozialer Disparitäten im Schulwesen für gezielten Nachteilsausgleich in allen Schulstufen (z.B. Beibehaltung des Schulbuchleihsystems, Ausbau von Ganztagsangeboten, kostenfreie Nutzung von musisch-kulturellen und sportlichen Angeboten im außerunterrichtlichen Schulbereich im Rahmen landesfinanzierter Programme) und für die Qualifizierung der individuellen Förderung an den Schulen ein.
6. Der Anteil der staatlichen Grundmittel für die Finanzierung der Hochschulen ist von 1980 bis 2007 von 72,3 auf 50,1 Prozent gesunken, während im gleichen Zeitraum die Finanzierung über Drittmittel- und Verwaltungseinnahmen in den letzten Jahrzehnten massiv zugenommen haben.
Wie stehen Sie dazu, dass die öffentliche Finanzierung der Hochschulen in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr zurückgefahren wurde?
DIE LINKE sieht diese Tendenz mit großer Sorge. Eine auskömmliche Grundfinanzierung ist die Voraussetzung für die Freiheit und die Unabhängigkeit von Forschung und Lehre. Auch wenn die die Mittel zur Förderung durch Dritte wie bei der DFG durch den Staat zur Verfügung gestellt werden, ist diese Förderung immer von den Kriterien eines Drittmittelgebers, egal ob staatlich oder privat, abhängig. Forschung, die nicht im Mainstream der Wissenschaft liegt, ist dadurch ebenso gefährdet, wie langjährige Forschungsvorhaben. So schadet die Kurzatmigkeit dieser Förderung dem Innovationssystem selbst. Zudem wendet sich DIE LINKE gegen ein gegenseitiges Ausspielen von Grundlagenforschung gegenüber der anwendungs- und transferorientierten Forschung.
Gleiches gilt auch für die sogenannte Exzellenzförderung. Diese macht nur Sinn, wenn sie zusätzlich erfolgt. Wird zu ihren Gunsten die Grundförderung beschnitten, gerät die Basis für diese Forschungsvorhaben in Gefahr.
DIE LINKE in Sachsen-Anhalt hat deshalb das Ziel, die Hochschulbudgets unter den derzeitigen Bedingungen auch bei einem sinkenden Landeshaushalt auf dem jetzigen Niveau zu halten.
7. Was halten Sie von der so genannten "Schuldenbremse", die nach Ihrem Einzug ins Grundgesetz nun aktuell auch in immer mehr Landesverfassungen aufgenommen wird? Die Bildungsgewerkschaft GEW vertritt hier sehr pointiert die Auffassung, dass diese "Bremse" vor allem zu Sozialabbau führe und daher nichts anderes als eine "Bildungsbremse" sei. Wie stehen Sie dazu?
DIE LINKE möchte ihre Programme weitgehend ohne Neuverschuldung umsetzen und die Schulden des Landes langfristig abbauen.
Gleichwohl haben wir im Wahlprogramm für Zeiten krisenhafter Entwicklungen die Möglichkeit moderater Schuldenaufnahme eingeräumt. Sie wird aber an die Kriterien geschlechtergerechte Verteilung, Zukunftsfähigkeit, Wertschöpfung, Nachhaltigkeit und Innovation sowie Schaffung von Arbeitsplätzen gebunden.
Politisch haben wir uns gegen die Schuldenbremse ausgesprochen, da wir die Befürchtungen der GEW teilen. Denn eine Schuldenbremse gepaart mit der neoliberal geprägten Politik des "Schlanken Staates" muss zwangsweise mit einem Abbau staatlicher Leistungen auf allen Ebenen einhergehen. Deswegen gilt es, sich auf Bundesebene gegen eine Politik des Verzichts auf notwendige Steuereinnahmen auf Grund zu geringer Belastung hoher Gewinne, Einkommen und Vermögen einzusetzen und durch eine gerechte Besteuerung die Einnahmen des Staates zu erhöhen, um eine sozialgerechte Politik umzusetzen. DIE LINKE im Bund hat dazu vor wenigen Tagen ein Steuerkonzept der Öffentlichkeit vorgestellt.
8. Eine vor kurzem veröffentlichte Studie des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) hat ergeben, dass "bis 2020 bis zu einer Million mehr Studienplätze erforderlich [sind]. Unter Berücksichtigung des Hochschulpakts besteht somit ein Finanzierungsbedarf für weitere 700.000 Plätze. Dieser Bedarf an Studienplätzen ergibt sich daraus, dass bis 2020 jedes Jahr mindestens 400.000 Studienanfänger an die Hochschulen drängen."
Stimmen Sie dieser Analyse zu? Wenn ja, wie wollen Sie die Vergrößerung des Studienplatzangebots realisieren?
Diese Analyse können wir weitgehend teilen. Allerdings gelten diese Zahlen nur bedingt für die ostdeutschen Bundesländer, denn hier muss auf Grund der demografischen Bedingungen mit einem Rückgang der Studierendenzahlen gerechnet werden. Sachsen-Anhalt leistet deswegen erhebliche Anstrengungen, um Studierende aus den west- und süddeutschenBundesländern zu werben. Ziel ist es deswegen die Anzahl der Studienplätze zu halten und durch Studienberatung auch die weniger nachgefragten Studienplätze besonders in den MINT-Fächern zu besetzen. Zu einer bundesweit ausgewogenen Besetzung der Studienplätze kann deswegen auch die von Ihnen in Frage 10 angesprochene Stiftung für Hochschulzulassung dienen.
9. Aktuell wird der Bachelor-Abschluss für immer mehr Studierende zur Sackgasse, da es nicht genug Master-Studienplätze gibt. Wie stehen Sie zu der Umsetzung des Konzepts der Bachelor-Master-Studiengänge in Deutschland - i.d.R. sechssemesteriges Bachelor-Studium, Übergangsquoten in Höhe von ca. 30 – 70%, Neubewerbung für ein Master-Studium?
Welchen Entwicklungsbedarf sehen Sie auf diesem Gebiet?
Die Studienreform hin zu einem gestuften System der Abschlüsse ist für DIE LINKE Grundlage in der Hochschulpolitik. Die Dynamisierung hat aber neben den positiven auch viele negative Folgen. So ist ein Studienortswechsel schwerer geworden. Und die Tendenz, die Fortsetzung des Studiums nach der Erlangung des ersten berufsqualifizierenden Abschlusses zu erschweren und Kapazitäten für die Masterstudiengänge nicht ausreichend zur Verfügung zu stellen, sehen wir mit Sorge. Das gilt z.B. auch für den Versicherungsschutz in der Familienversicherung oder bei der Unterstützung Behinderter in Masterstudiengängen. Für DIE LINKE gilt, dass jeder, der einen Bachelorabschluss erworben hat, ein Anrecht auf die Zulassung zum Masterstudium haben muss. Gleichzeitig verlangt dieses System mit seinen unterschiedlich langen Studienprogrammen (6-8 Semester BA; 2-4 Semester MA) eine Auflösung der starren Regelstudienzeiten von insgesamt 10 Semestern. Perspektivisch wird auch die Einteilung in konsekutive und nicht konsekutive Studiengänge fallen müssen.
10. Viele Studienfächer sind inzwischen zulassungsbeschränkt. Studieninteressierte sind daher gezwungen, sich an einer größeren Zahl von Hochschulen zu bewerben und Bewerbungen wieder zurückzuziehen, falls doch ein Platz an einer bevorzugten Hochschulen frei wird. Nun gibt es offenbar bereits Streit um die Kostenverteilung bei der ab kommenden Wintersemester geplanten zentralen (wenn auch freiwilligen) Koordinierung durch die Stiftung für Hochschulzulassung / hochschulSTART.de.
Wollen Sie sich in diese Auseinandersetzung einmischen und die Hochschulen ihres Landes zu einer einheitlichen Linie drängen bzw. durch finanzielle Zusagen des Landes eine Teilnahme aller Hochschulen des Landes ermöglichen?
Wenn die Stiftung ihre Arbeit zur Zufriedenheit aller Beteiligten (Hochschulen und Studierende) aufnehmen kann, ist eine Beteiligung aller Hochschulen erwünscht und erforderlich, damit keine Parallelsysteme entstehen.