Wahlprüfsteine HochschulpolitikAntworten der LINKEN Hamburg
Eine Ausweitung des BAföG ist in der Tat eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass sich alle unabhängig von ihrer sozialen Herkunft für einen ihren Interessen entsprechenden Beruf entscheiden und eine qualifizierte Ausbildung abschließen können. Es muss dringend eine grundlegende Strukturreform der Ausbildungsförderung eingeleitet werden, mit der Zielperspektive einer elternunabhängigen Förderung für alle sich in Ausbildung befindliche und individuell bedürftigen Volljährigen. Denn Auszubildende müssen über ihren Bildungsweg auch finanziell unabhängig von ihren Eltern entscheiden können. Eine entsprechende Reform der Ausbildungsförderung muss so ausgestaltet sein, dass sozial schlechter gestellte Haushalte entlastet werden und finanzstarke Haushalte etwa über erhöhte Einkommens-, Vermögens- und Erbschaftssteuern weiterhin ihren gesellschaftlichen Beitrag zur Ausbildung junger Menschen leisten.
In einem ersten Schritt muss das BAföG aber dringend wieder auf einen Vollzuschuss umgestellt werden, denn die Aussicht, am Ende des Studiums vor einem Schuldenberg zu stehen, schreckt gerade junge Menschen aus nichtakademischen Elternhäusern vom Studium ab. Derzeit nehmen 83 Prozent aller Akademikerkinder ein Studium auf, aber nur 17 Prozent aller Arbeiterkinder. Weitere wichtige Bausteine sind: die Anhebung der Bedarfssätze auf ein kostendeckendes Niveau, die Förderung eines Masterstudiums und die Abschaffung der diskriminierenden Altersgrenze. Es muss auch noch später im Leben möglich werden, eine Ausbildung bzw. ein Studium zu beginnen. DIE LINKE streitet auf Bundes- und Landesebene für all diese Ziele.
2. Die Bundesregierung hat die bundesweite Einführung eines "Deutschlandstipendiums" beschlossen, das den "Leistungsstärksten" pro Monat 300 Euro - je zur Hälfte finanziert durch den Bund und private Sponsoren - einbringen soll. Unterstützen Sie diesen Plan? Wie ist Ihre grundsätzliche Einstellung zu leistungsabhängigen Stipendien im Verhältnis zum BAföG?
DIE LINKE lehnt den Kurs der Bundesregierung ab. Mit dem Deutschlandstipendium werden unsinnig Millionen ausgegeben, die im BAföG fehlen. Das Programm ist zudem ungerecht: Die privaten Geldgeber entscheiden bei einem Großteil der Stipendien mit, wohin die Mittel fließen. Es ist doch logisch, dass Studierende in wirtschaftsnahen Fächergruppen stärker vom Programm profitieren als andere. Laut Studien weisen zudem schon heute die meisten Stipendienprogramme eine soziale Schieflage auf. Denn Studierende aus nicht-akademischen oder armen Elternhäusern tun sich in Auswahlgesprächen besonders schwer. Zudem reist die vage Aussicht auf ein Stipendium – oder anders gesagt: das Recht an einem Auswahlverfahren teilzunehmen – wohl niemanden vom Hocker. Ganz zu schweigen, dass niemand von 300 Euro monatlich leben kann. Stattdessen muss das BAföG ausgeweitet und vor allem kostendeckend und in einen nicht zurückzahlbaren Zuschuss ungewandelt werden.
3. Studiengebühren sind seit ihrer Einführung ein stark umstrittenes Thema. In sieben Bundesländern wurden allgemeine Studiengebühren eingeführt (darunter auch Hamburg), zwei (Hessen und Saarland) haben sie mittlerweile wieder abgeschafft, in Nordrhein-Westfalen ist die Abschaffung geplant. Bayern dagegen hat Pläne, bei berufsbegleitenden Bachelor-Studiengängen sogar höhere Studiengebühren von zunächst bis zu 2000 Euro zuzulassen. Welche Pläne haben Sie für Hamburg? Wenn sie die Gebühren abschaffen wollen, wie wollen sie mit den Einnahmeausfällen der Hochschulen umgehen?
DIE LINKE in Hamburg setzt sich ohne Wenn und Aber für ein gebührenfreies Studium für alle ein. Die Campusmaut muss schnellstens wieder Geschichte werden, da das Studium und Leben in Hamburg schon teuer genug ist und die Aufnahme eines Studiums nicht vom Geldbeutel abhängen darf. Wir fordern, Studien- und Bildungsgebühren bundesweit im Grundgesetz zu verbieten. Dieser Weg stünde der Bundesregierung auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Studiengebühren offen. Eine Anfrage in der Hamburger Bürgerschaft zeigte jüngst, dass viele Hochschule die Einnahmen aus Studiengebühren kaum ausgeben. Trotzdem dürfen die dann fehlenden rund 35 Mio. Euro nicht einfach wegfallen. Die öffentlichen Ausgaben müssen dementsprechend gesteigert werden, um die strukturelle Unterfinanzierung der Hochschulen Hamburg endlich zu überwinden.
4. "Autonomie" ist ein wichtiges Schlagwort der Hochschulreformen der letzten Jahre. Von einer "Demokratisierung" der Hochschulen hört man hingegen nur selten etwas. Welche Schwerpunkte legen Sie bei möglichen Änderungen des Hamburger Hochschulgesetzes? (Dies auch im Hinblick auf das vor kurzem ergangene Urteil des Bundesverfassungsgericht, das die §§ 90 und 91 des Hamburgischen Hochschulgesetzes für teilweise verfassungswidrig erklärt hat.)
In wechselnden Koalitionen hat die CDU in den vergangenen Jahren die Hochschulen und die Universität Hamburg stetig weiter entdemokratisiert. Die von der LINKEN immer wieder erhobene Forderung nach einer Re-Demokratisierung der Hochschulen in Hamburg erhielt jetzt sogar durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Dezember noch einmal Verstärkung. Unsere Kritik, dass die Freiheit von Forschung und Lehre unzulässig eingeschränkt und die Hochschulen grundgesetzwidrig der "Regie" der Wirtschaft unterstellt wurden, wurde hierdurch noch einmal bestätigt. Auch die vorliegende Evaluation des Hamburgischen Hochschulgesetzes kam zu dem Ergebnis, dass die Partizipation der an der Universität Lehrenden, Forschenden, Studierenden und in der Verwaltung Tätigen erheblich eingeschränkt ist.
Bei der notwendigen Novellierung des Hochschulgesetzes wird DIE LINKE ihre Forderung nach Abschaffung des Hochschulrates wieder einbringen und sich für erweiterte Mitbestimmungsrechte einsetzen. Damit soll sichergestellt werden, dass weder ein externer Sponsor, noch allein die Hochschulleitung entscheidet, welche Forschung wichtig und was gelehrt werden soll. DIE LINKE will zudem die bestehende Curricula studierendenfreundlicher gestalten, Anwesenheitspflichten und übermäßigen Leistungs- und Prüfungsdruck entschärfen und Hürden für chronisch kranke und behinderte Studierende, sowie Studierende mit Kind abbauen.
5. Der Anteil der staatlichen Grundmittel der Hochschulen ist von 1980 bis 2007 von 72,3 auf 50,1 Prozent gesunken, während im gleichen Zeitraum die Drittmittel- und Verwaltungseinnahmen der Hochschulen massiv zugenommen haben. Wie stehen Sie dazu, dass der Staat sich mehr und mehr aus der Hochschulfinanzierung zurückzieht?
DIE LINKE sieht die im Vergleich zum Drittmittelaufkommen absinkende Grundfinanzierung der Hochschulen äußerst kritisch. Im Sinne der Unabhängigkeit von Lehre und Forschung tritt DIE LINKE für eine Finanzierung aus öffentlichen Mitteln ein. Innovative Forschung und hochwertige Lehrangebote brauchen eine nachhaltige finanzielle Sicherheit. Dies ist allerdings nur mit Hilfe einer substanziellen Unterstützung von Seiten des Bundes möglich. Der von Bund und Ländern vereinbarte Hochschulpakt 2020 zur Schaffung zusätzlicher Studienplätze ist hierbei ein wichtiges Instrument. Dieser muss endlich ausgebaut und an die tatsächlichen Kosten eines Studienplatzes angepasst werden. Dies ist eine zentrale Voraussetzung, um mit der Betreuungsrelation auch die Studienbedingungen zu verbessern. Drittmittel aus öffentlicher oder privater Hand sehen wir als zusätzliche Finanzierungsmöglichkeit an, die ihre positiven Wirkungen aber nur bei ausfinanzierten Hochschulen entfalten können.
6. Eine vor kurzem veröffentlichte Studie des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) hat ergeben, dass "bis 2020 bis zu einer Million mehr Studienplätze erforderlich [sind]. Unter Berücksichtigung des Hochschulpakts besteht somit ein Finanzierungsbedarf für weitere 700.000 Plätze. Dieser Bedarf an Studienplätzen ergibt sich daraus, dass bis 2020 jedes Jahr mindestens 400.000 Studienanfänger an die Hochschulen drängen." Stimmen Sie dieser Analyse zu? Wenn ja, wie wollen Sie die Vergrößerung des Studienplatzangebots realisieren?
Es gibt sehr unterschiedlich Prognosen über den genauen Bedarf an zusätzlichen Studienplätzen. Fakt ist, dass wir deutlich mehr als die bisher vorgesehenen 275.000 zusätzlichen Studienplätze benötigen. Allein durch den Wegfall des Wehrdienstes werden nach Schätzungen der GEW weitere 70.000 Studienplätze benötigt. Der derzeitige Hochschulpakt wird diesem zusätzlichen Bedarf nicht gerecht und ist zudem unterfinanziert. Bund und Land müssen ein umfangreiches Paket vereinbaren, das zur Verbesserung der Betreuungsrelation die Schaffung von zusätzlichen Professuren, dauerhaften Stellen im wissenschaftlichen Mittelbau und die Schaffung von Qualifizierungszentren zur Verbesserung der Lehre vorsieht.
7. Aktuell wird der Bachelor-Abschluss für immer mehr Studierende zur Sackgasse, da es nicht genug Master-Studienplätze gibt. Wie stehen Sie zu der Umsetzung des Konzepts der Bachelor-Master-Studiengänge in Deutschland - i.d.R. sechssemesteriges Bachelor-Studium, Übergangsquoten in Höhe von ca. 30 - 70%, Neubewerbung für ein Master-Studium? Welchen Entwicklungsbedarf sehen Sie auf diesem Gebiet?
DIE LINKE fordert einen offenen Studienzugang – sowohl für ein Bachelor-, als auch für ein Masterstudium! Um die Hochschulen tatsächlich zu öffnen, brauchen wir zusätzliche Studienplätze und ein bundesweites Hochschulzulassungsgesetz. Die Hochschulen sind überfüllt und reagieren derzeit mit weiteren Zulassungsbeschränkungen. Das Bundesverfassungsgericht betonte in seinem wegweisenden "NC-Urteil" aber bereits am 3. Mai 1972, dass "der Numerus Clausus niemals den Charakter einer vorübergehenden Maßnahme verlieren und zu einer ständigen, das verfassungsrechtlich garantierte Recht auf freie Berufswahl aushöhlenden Einrichtung werden [dürfe]". Durch den Wegfall des Wehrpflichtdienstes könnte sich die ohnehin schon angespannte Lage noch erheblich verschlechtern. Zudem fehlen tausende Studienplätze im Fach Humanmedizin.
NCs und individuelle Auswahlverfahren müssen überflüssig werden, indem mehr Studienplätze geschaffen und vor allem mehr Lehrpersonal eingestellt wird. Ein Schmalspurstudium wird es mit der LINKEN nicht geben. Alle Studierwilligen haben das Recht auf freie Berufswahl und müssen deshalb auch einen qualitativ hochwertigen Studienplatz erhalten.
8. Was halten Sie von den sozialen Bewegungen, die Demokratie nicht mehr nur als System, bei dem man alle vier Jahre seine Stimme abgibt, verstehen wollen (bspw. das Bildungsstreik-Bündnis, die Proteste gegen Stuttgart 21)? Ist Ihres Erachtens mehr Mitsprache und Mitbestimmung "von unten" nötig und möglich? Sind Ihrer Auffassung nach in diesem Sinne auch an den Hochschulen Veränderungen notwendig?
Für DIE LINKE bedeutet Demokratie mehr als an Wahlen teilzunehmen. Deshalb haben wir die sozialen Proteste ausdrücklich begrüßt und unterstützt. Viele unserer Mitglieder haben sich zudem aktiv in die Proteste eingebracht. Es gilt die Demokratisierung der Demokratie weiter voran zu treiben. Transparente Entscheidungsstrukturen sind hierfür eine wichtige Voraussetzung. Desweiteren darf niemand davon ausgeschlossen werden, wichtige gesellschaftliche Weichenstellungen mitzuentscheiden. Deshalb fordert DIE LINKE das kommunale Wahlrecht für Migrantinnen und Migranten. Darüber hinaus müssen die direkte Demokratie gestärkt sowie Bürgerinnen und Bürger frühzeitig und offen in Vorhaben eingebunden werden.
Für die Hochschulen gilt dies ganz genau so: Alle an der Hochschule Lernende, Lehrende und Beschäftigte sollen gleichermaßen über ihre Belange mitbestimmen und "ihre" Hochschule gestalten. DIE LINKE will die viertelparitätische Besetzung aller Gremien und insgesamt eine Stärkung der studentischen und akademischen Selbstverwaltung. Zudem sind alle Beschäftigtengruppen, die derzeit nicht durch Tarifverträge erfasst sind, wie etwa studentische Beschäftigte, wissenschaftliche Hilfskräfte oder Lehrbeauftragte, in die Tarifverträge einzubeziehen.
9. Was halten Sie von der so genannten "Schuldenbremse", die nach Ihrem Einzug ins Grundgesetz nun aktuell auch in immer mehr Landesverfassungen aufgenommen wird? Die Bildungsgewerkschaft GEW vertritt hier sehr pointiert die Auffassung, dass diese "Bremse" vor allem zu Sozialabbau führe und daher nichts anderes als eine "Bildungsbremse" sei. Wie stehen Sie dazu?
DIE LINKE hat die Schuldenbremse der Regierungsparteien abgelehnt, da sie Investitionen ausbremst und Bildungsabbau bedeutet. Für DIE LINKE muss Bildung und Bildungsplanung eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern werden. Das Kooperationsverbot, das eine Zusammenarbeit von Bund und Ländern erschwert, muss fallen. Zusätzliche Einnahmen zur Deckung der Kosten können durch eine angemessene Besteuerung von Unternehmen, Erbschaften und hohen Einkommen, sowie durch die Wiedereinführung der Vermögens- und Börsenumsatzsteuer viel sinnvoller erzielt werden. Der GEW ist deshalb uneingeschränkt zuzustimmen.
10. Die Universität Hamburg braucht mehr Platz und neue Gebäude. Der Plan eines Umzugs der Uni in die Hafen City ist mittlerweile vom Tisch. Wie stehen sie zu den aktuellen Plänen, dies vor allem durch Verdichtung auf und rund um das bestehende Uniareal in Eimsbüttel zu lösen?
DIE LINKE hat sich von Anfang an gegen den Umzug der Universität Hamburg auf den Kleinen Grasbrook ausgesprochen. Dabei hat DIE LINKE die besondere Geschichte und Verankerung der Universität Hamburg im Grindelviertel betont und konkrete Wege aufgezeigt, wie die Universität in Eimsbüttel ihren gestiegenen Platzbedarf im Konsens mit den BewohnerInnen realisieren kann. DIE LINKE war die erste und einzige Partei in der Hamburgischen Bürgerschaft, die den sofortigen Rücktritt der Universitätspräsidentin Auweter-Kurtz gefordert hatte, die entgegen der Beschlüsse der universitären Gremien, mit der CDU-Wissenschaftssenatorin Gundelach den Umzug der Universität in den Hafen gefordert hatte. Gemeinsam mit linken Hochschulgruppen, der Bürgerinitiative für den Erhalt der Universität im Grindelviertel, mit vielen WissenschaftlerInnen ist es der LINKEN gelungen, den Abriss der Universität zu verhindern.