Kampf gegen Studiengebühren geht weiterBoykotteuren an Hamburger Kunsthochschule droht Pfändung
"Eintritt 500 €" - Protest-Banner vor dem Haupteingang der HfbK (2007)
An der Hamburger Hochschule für bildende Künste (HfbK Hamburg) in Hamburg geht der Boykott der Allgemeinen Studiengebühren in die nächste Runde. Seit dem Wintersemester 2007 wird dort die Zahlung der Studiengebühren boykottiert. Auch nach dem Ende der Boykotte an anderen Unis und FHs verweigert an der HfbK immer noch ein Drittel der Studierendenschaft die Zahlung und auch die Stundung der Studiengebühren. Die Hochschulleitung der Kunsthochschule hatte in den letzten Jahren mehrere Versuche unternommen, die ausstehenden Gebühren einzutreiben - jedoch ohne Erfolg. Um die konfliktreichen Fälle loszuwerden, wurden Ende 2009 die Daten der zahlungsunwilligen Studierenden an die Vollstreckungsbehörde Kasse.Hamburg (K.HH) übermittelt. Über 50 Studierenden, darunter auch viele, deren Einkommen weit unter dem Pfändungsfreibetrag liegt, steht nun die Pfändung ihres Eigentums bevor. Bei ersten Studierenden sind bereits Bank-Konten gesperrt worden und andere wurden schon von Vollstreckungsbeamten in ihren Wohnungen besucht, die ausstehende Studiengebühren einzutreiben versuchten.
Um die Zwangsvollstreckung auf offiziellem Wege abzuwenden, müssen betroffene Studierende eine eidesstattliche Versicherung abgeben, mit der der Kasse.Hamburg zugesichert wird, dass kein verwertbares Vermögen z.B. auf irgendwelchen Schweizer Nummernkonten vorhanden ist. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die gesetzlich geregelten Pfändungsfreigrenzen dafür sorgen, das ein bestimmter Betrag pro Monat vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt ist. Wenn man für niemanden unterhaltspflichtig ist, sind das zur Zeit knapp 1000 Euro im Monat. Allerdings tritt dieser Schutz nicht automatisch in Kraft. Zunächst muss man sich mit dem Amtsgericht auseinandersetzen bzw. ein P-Konto (Pfändungsfreies Konto) einrichten.
Verweigern die Studierenden die Zahlung und auch die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung, wäre es gesetzlich zulässig, sie schlussendlich in eine Beugehaft von bis zu sechs Monaten zu nehmen, um ein Einlenken zu erzwingen. Ob es soweit kommen wird, ist zur Zeit jedoch noch ungewiss. Die HfbK-Studierenden kündigen weiteren Widerstand an: "Studiengebühren sind grundsätzlich falsch und ich denke nicht daran diese ungerechte Politik zu unterstützen. Ich werde mich mit allen Mitteln dagegen wehren. Und damit stehe ich nicht alleine!", sagt die Kunststudentin Pauline Fall (23).
Jahresausstellung im Zeichen der Pfändung
"AUDITORIUM MINIMUM - Die Chronik einer Audimaxbesetzung" - Online-Dokusoap des Hamburger Filmkollektivs Boykotteducation
Die drohende Pfändung der Boykotteure wird auch im Rahmen der dreitägigen Jahresausstellung an der HfbK, die heute beginnt und bis zum 11. Juli täglich von 14 - 20 Uhr geöffnet ist, Thema sein. Dort werden u.a. die politischen Kunstfilme des Filmkollektivs Boykotteducation, die seit dem Beginn des Studiengebührenboykotts entstanden sind, zu sehen sein. Darunter auch die Reihe "AUDITORIUM MINIMUM - Die Chronik einer Audimaxbesetzung", mit mittlerweile 20 Folgen. Sie entstand während und nach der Besetzung des Audimax an der Uni Hamburg Ende 2009 und verarbeitet auch Material, das im Zuge der Proteste gegen die Einsetzung von Dieter Lenzen als Uni-Präsident entstand.
Studiengebühren: Ein Auslaufmodell
Die studentischen Proteste, die sich wie die Boykott-Aktionen speziell gegen Studiengebühren richteten, haben zwar in den letzten Semestern nachgelassen. Der Kampf für ein gebührenfreies Studium und dem freien Zugang zu (höherer) Bildung ging jedoch mit den Aktivitäten unter dem Label "Bildungsstreik" weiter. All das hat in den letzten Monaten auch landespolitisch Auswirkungen gehabt: Aus den sieben von sechzehn Bundesländern in denen 2008 noch allgemeine Studiengebühren erhoben wurden, sind durch die Abschaffung der Gebühren in Hessen und im Saarland mittlerweile fünf geworden. Voraussichtlich werden sie durch die neue Koalition jetzt auch in Nordrhein-Westfalen gekippt. Der politische Rückhalt für die Studiengebühren bröckelt also zusehends.
Unter den Studierenden stößt die Erhebung von Studiengebühren nach wie vor auf wenig Gegenliebe. Dies belegen die aktuellen Ergebnisse der Langzeitstudie "Gebuehrenkompass" (Uni Hohenheim), für die mehr als 5.200 Studierende an den 48 Universitäten in Deutschland an denen Studiengebühren erhoben werden, befragt wurden. Rund 66% der befragten Studierenden sind demnach der Ansicht, dass die Studiengebühren wieder abgeschafft werden sollten.
Da war das Marketing von Gebührenbefürwortern wie der "Initiative neue soziale Marktwirtschaft" bisher nicht so erfolgreich wie geplant.
Wie weiter mit den Hamburger Studiengebühren?
Auch wenn in Hamburg zur Zeit die Schulpolitik im Zentrum des öffentlichen Interesses steht, erinnern die boykottierenden Kunststudierenden die an der Landesregierung beteiligte GAL (Grüne Alternative Liste) an ihr nicht eingehaltenes Wahlversprechen, die Studiengebühren abschaffen zu wollen (nicht lediglich leicht zu senken und für einige "nachzulagern"). Etwas Erinnerungshilfe kann in diesem Zusammenhang nicht schaden. Eine rechnerische Mehrheit für die Abschaffung der Studiengebühren in der Hamburger Bürgerschaft steht jedenfalls nach wie vor. Ein Ansatzpunkt könnte die geplante Novellierung des Hamburgischen Hochschulgesetzes sein, die jedoch auf die Zeit nach der Sommerpause verschoben wurde.
Neben dem Boykott der Studiengebühren an der HfbK läuft in Hamburg seit Ende September 2009 auch noch eine Unterschriftenkampagne für ein gebührenfreies Studium, in deren Rahmen bisher bereits über 28.000 Unterschriften für die Gebührenfreiheit des Studiums gesammelt wurden.
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