Nationaler Bologna-Gipfel in Berlin"Wir sind auf einem guten Weg" oder "Die Schavan-Show"
Wie hier in Hamburg demonstrierten im vergangenen Jahr in ganz Deutschland Schüler_innen und Studierende im Rahmen des Bildungsstreiks.
Im vergangenen Sommer demonstrierten in über 100 Städten Deutschlands 270.000 Menschen gemeinsam gegen den Abbau von öffentlicher Bildung und kritisierten die Ausrichtung des Bologna-Prozesses bzw. seine Umsetzung. Nicht nur europaweit, sondern auch auf allen anderen Kontinenten der Welt gab es Proteste im Bildungsbereich. Im vergangenen Herbst wurden bundesweit schließlich über 80 Bildungseinrichtungen für mehrere Wochen besetzt.
Dass die von Österreich ausgehenden Bildungsproteste des Wintersemesters nicht nur auf das Betreiben einiger weniger "ewig gestriger" Studierender zurückzuführen waren, wie Bundesbildungsministerin Annette Schavan noch zu Beginn der Protestwelle verkündete, sondern ein nicht zu ignorierender Ausdruck einer breiten und begründeten Unzufriedenheit mit verschiedenen Aspekten der derzeitigen Situation an den Schulen, Hochschulen und Universitäten waren, hat dazu geführt, dass in diesem Semester - zunächst für den April angekündigt, später auf Mai verschoben - eine "Nationale Bologna-Konferenz" stattfinden wird.
Was ist geplant?
Die "Bologna-Konferenz" ist für kommenden Montag von 9:30 bis 14:00 im dbb forum Berlin angesetzt. Auf ihr soll öffentlich über notwendige Korrekturen am Bologna-Prozess beraten werden. Es sind Vertreter_innen der Kultusministerien der Länder, der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), der sogenannten "Wirtschaft" (so z.B. Thomas Sattelberger, Personalvorstand der Telekom und Vorstandsvorsitzender der Selbst-GmbH) und der Studierenden eingeladen worden. Die Seite der Studierenden soll u.a. von Vertreter_innen aus bundesweit agierenden parteinahen und kirchennahen Studierendengruppen und dem freien zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs) repräsentiert werden. Für das Bildungsstreik-Bündnis werden voraussichtlich zwei Vertreter_innen an der Konferenz teilnehmen.
Qualitätssicherung und Kompetenzentwicklung
Die für die Vorbereitung der Veranstaltung zuständige Fachreferentin des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) teilte auf telefonische Nachfrage mit, dass es Vortreffen zu der Konferenz gab, auf denen die Behandlung von drei Themenfeldern, nämlich Studienbedingungen, Mobilität/Anerkennung und Akzeptanz der neuen Studiengänge auf dem Arbeitsmarkt, festgelegttwurden. Daraus sind nun zwei inhaltliche Blöcke für die Konferenz geworden:
1. Qualitätssicherung: Curricula und Studienbedingungen, Anerkennung und Mobilität
2. Kompetenzentwicklung: Arbeitsmarkt und neue Berufsbiographien
Weitere Infos finden sich im vorläufigen Ablaufplan auf der Seite des BMBF.
Das BMBF nennt als Ziel der Konferenz zum Einen eine Bestandsaufnahme dessen, was in den letzten Monaten an Aktivitäten zur "Reform der Reform" passiert ist und zum Anderen die Bestimmung von konkreten Schritten für die Zukunft. Inwiefern das in so einem begrenzten Zeitrahmen und mit so wenig Berücksichtigung der grundsätzlich kritischen Stimmen zum Bologna-Prozess möglich sein kann, scheint sehr fraglich.
Kritik von Schüler_innen und Studierenden
Die Vertreter_innen des Bildungsstreik-Bündnisses äußern denn auch in einer aktuellen Pressemitteilung die Befürchtung bzw. Erwartung, dass es unter den gegebenen Umständen im Rahmen der "Schavan-Show" zu einer Selbstinszenierung der Bildungspolitiker und zu keinerlei Fortschritten bei der Lösung der Probleme im Bildungssystem kommen wird. Sie kritisieren zudem die thematische Engführung der Konferenz und die Ausklammerung von zentralen Punkten wie der Schulpolitik, der sozialen Auslese und der fehlenden Finanzmittel im Bildungssystem aus der Diskussion. An der HU Berlin wird denn auch für den Montag Nachmittag zu einem Gegengipfel aufgerufen.
Die Veranstaltung wird am Montag live auf der Homepage des BMBF übertragen werden und in vielen Hochschulen wird es - teilweise im Rahmen von Vollversammlungen - die Möglichkeit zum Public Viewing und anschließender Diskussion geben.
Klar scheint bereits zum jetzigen Zeitpunkt, dass die Forderungen, für die im letzten Semester im Rahmen des Bildungsstreiks von Zehntausenden gestritten wurde, auch nach dem "Bologna-Gipfel" aktuell sein werden. Das Ende der Bildungsproteste wird mit diesem Gipfel sicher nicht eingeläutet werden.