Wahlprüfsteine HochschulpolitikAntworten der FDP NRW
Eingangs muss erläutert werden, dass unter schwarz-gelb die Zahl der zulassungsbeschränkten Studiengänge in Nordrhein-Westfalen immer weiter abgenommen hat: Für die Erstausbildung, also Bachelorstudiengänge und Staatsexamensstudiengänge, ist seit 2005 die Anzahl der mit einem Nummerus Clausus belegten Studiengänge kontinuierlich von damals 700 auf heute 615 zurückgegangen. Der Anteil der NC-Studiengänge am Gesamtstudienangebot ist ebenfalls deutlich gesunken: von 43,7 Prozent im Jahr 2006 auf nunmehr 31 Prozent.
Die Entwicklung der ZVS zur einer Serviceeinrichtung "Stiftung Hochschulzulassung" ist angestoßen worden, um ein effizienteres Zulassungssystem mit dem Ziel, Mehrfachbewerbungen frühzeitig abzugleichen, zeitliche Verzögerungen im Entscheidungsverfahren möglichst zu vermeiden, einzuführen. Die FDP-NRW ist der Ansicht, dass dringend ein effektives bundesweites Service-Verfahren benötigt wird, um die langwierigen Nachrückverfahren überflüssig zu machen. Jeder Studienanfänger sollte die Angebote der Hochschule vom ersten Tag an nutzen können. Daher will die FDP NRW die Gründung der neuen Stiftung für Hochschulzulassung vorantreiben und sich dafür einsetzen, möglichst bald ein tragfähiges bundesweites Online-Verfahren zu haben, mit dem die Studienplätze zügig und passgenau vergeben werden können.
Bei dieser Serviceeinrichtung für Hochschulzulassung, sind keineswegs alle Angaben bzgl. der Studienplatzvergabeverfahren freiwillig. Die Datenabgleiche beispielsweise für die Studiengänge Medizin, Pharmazie und Zahnmedizin sind nach wie vor bundesweit verbindlich für alle Hochschulen ausgestaltet. Hinsichtlich der übrigen Studienplatzvergabeverfahren ist anzuführen, dass eine freiwillige Beteiligung wohl im Sinne jeder Hochschule liegen wird. Keine Hochschule kann ein Interesse daran haben, dass bestehende Studienplätze aufgrund organisatorischer Unzulänglichkeiten nicht besetzt werden, und wird eine gut funktionierende Serviceeinrichtung gerne in Anspruch nehmen.
2. Die gesicherte Studienfinanzierung ist ein entscheidender Punkt, um Menschen aus allen sozialen und gesellschaftlichen Schichten ein Studium zu ermöglichen. In Deutschland spielen hierfür Unterhaltsrecht und BAföG zusammen, nicht immer optimal. Welche Vorstellungen haben Sie in diesen Bereichen für eine Weiterentwicklung?
Die FDP-NRW begrüßt die von Bund und Ländern angestoßene Weiterentwicklung des BAföG. Die von der aktuellen Bundesregierung beschlossene BAföG-Erhöhung zum 1. August 2010 ist ein Schritt in die richtige Richtung. Zudem ist die Erhöhung der einschlägigen steuerlichen Freibeträge um drei Prozent geplant. Ferner wird es für Master-Studenten beim Bafög künftig eine gesonderte Altersgrenze geben. Wer bis zum 35. Lebensjahr ein Master-Studium beginnt, kann künftig noch die staatliche Förderung beziehen. Damit sollen die Studierenden ermutigt werden, den frühen berufsqualifizierenden Bachelor-Abschluss für den Berufseinstieg zu nutzen, ohne sogleich die Chance auf Förderung eines später aufgenommenen Masterstudiums zu verlieren. Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat sich im Übrigen schon seit langem für eine Erhöhung von drei Prozent beim Bedarfssatz und vier Prozent beim Fördersatz ausgesprochen. Mit den Ländern konnte man sich aber angesichts der leeren Kassen nur auf die jetzige Regelung verständigen. Wir werden uns weiter dafür einsetzen, dass das BAföG gesichert und weiterentwickelt wird. Die Möglichkeit, Bildungskredite über das 30. Lebensjahr hinaus zu verlässlichen Konditionen zu erhalten, wollen wir ausbauen.
3. Das in NRW bereits eingeführte Stipendien-Programm soll nach dem Willen der Bundesregierung bundesweit etabliert werden. Unterstützen Sie diesen Plan? Wie ist grundsätzlich Ihre Einstellung zu leistungsabhängigen Stipendien im Spannungsfeld der Finanzierbarkeit bspw. des BAföGs?
Diesen Schritt begrüßt die nordrhein-westfälische FDP ausdrücklich. Es wäre unsozial, wenn wir uns in einem Bildungsland wie der Bundesrepublik damit zufriedengäben, dass gerade einmal zwei Prozent der Studierenden in den Genuss eines Stipendiums kommen. Aus diesem Grund ist es eine mutige und richtige Entscheidung, die Zahl der Stipendiaten zu verfünffachen.
In diesem Zusammenhang muss hervorgehoben werden, dass die Stipendien nach unserem Stipendienmodell zusätzlich zum BAföG gezahlt wird. Zurzeit erhalten 1400 Stipendiaten in NRW in diesem Wintersemester einen monatlichen Zuschuss in Höhe von 300 Euro. Die Hälfte der Summe gibt das Land, die übrigen 150 Euro wurden als private Mittel eingeworben. Die Stipendien werden nach Leistung vergeben und unabhängig vom Einkommen der Eltern gewährt. Jeder kann sich für ein Stipendium bewerben. BAföG-Empfänger erhalten die gleichen Chancen wie alle anderen Bewerber. Zudem müssen sie sich das Stipendien-Einkommen nicht anrechnen lassen. Das Stipendium soll aber keine reine zusätzliche soziale Säule darstellen, sondern ist eine zusätzliche leistungsorientierte und einkommensunabhängige Förderung zusätzlich zum BAföG. Wir wollen das Stipendiensystem als zweite starke Säule der Studienfinanzierung etablieren. Innerhalb von vier Jahren soll jeder Zehnte Studierende in der Regelstudienzeit ein Stipendium erhalten.
4. Brandenburg will ein Landes-Schüler-BAföG einführen für diejenigen Schülerinnen und Schüler, die bisher kein BAföG bekommen können (insbesondere Schüler an gymnasialen Oberstufen, wenn sie noch bei ihren Eltern wohnen können). Was halten Sie von diesem Ansatz oder wie sind Ihre Vorstellungen, mehr Menschen aus finanziell schlechter gestellten Familien zu einer Hochschulzugangsberechtigung zu verhelfen?
Das Schüler-BAföG ist in seiner derzeitigen Form sinnvoll. Nach unserer Auffassung ist eine Ausweitung des Landes-Schüler-BAföG kurz- bis mittelfristig nicht zu realisieren. Die Zahl der Hochschulzugangsberechtigungen würde aus unserer Sicht auch nicht anwachsen. Wir halten es aber durchaus für sinnvoll, Schülerinnen und Schüler der Oberstufe schon frühzeitig über Finanzierungs- und Studienmöglichkeiten zu informieren, und zwar in einem größeren Umfang als dies jetzt geschieht.
Zudem ist zum Schuljahr 2009/2010 die von der FDP schon lange geforderte Bezugszeitgrenze des Schulstarterpakets, also die 100 Euro Hilfe für Schulbücher, Sportzeug, Schreibmaterial, Tornister u. ä., nach hinten geschoben und auch der Kreis der Anspruchsberechtigten vergrößert worden. Neben den Schülerinnen und Schülern der Gymnasien und Gesamtschulen, die auf das Abitur zusteuern, bekommen nun auch Vollzeit-Berufsschüler die 100 Euro. Diese Erweiterung verbessert die Bildungschancen von Kindern aus einkommensschwachen Familien. Die Verlängerung des Schulbedarfspakets bis zum Abitur ist aus unserer Sicht aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit und der gleichen Bildungschancen für alle erforderlich gewesen.
5. Allgemeine Studiengebühren wurden in ihrem Bundesland eingeführt. Als Besonderheit können die Hochschulen selbst entscheiden, ob sie tatsächlich Gebühren erheben. Wollen Sie an dieser Regelung unverändert festhalten oder sehen Sie Änderungsbedarf (z.B. bei der Ausgestaltung der Gebühren-Darlehen und den Verwendungsmöglichkeiten der Einnahmen durch die Hochschulen) und in welcher Art?
Die FDP wird an dieser Regelung festhalten. Jede Hochschule soll frei entscheiden können, ob sie überhaupt und in welcher Höhe sie Studienbeiträge erhebt. Wir wollen die Möglichkeit der Einnahmeerzielung aus Studienbeiträgen in Höhe von maximal 500 Euro pro Semester für die Hochschulen erhalten. Mit diesem zusätzlichen Finanzierungsinstrument können die Hochschulen zusätzliche Verbesserungen in der Lehre und den Studienbedingungen erreichen. Zudem ist das Studienbeitragsgesetz in Nordrhein-Westfalen das sozialverträglichste in Deutschland. So können die Beiträge nachgelagert entrichtet werden, indem die Studierenden das ihnen zustehende Darlehen der NRW.Bank in Anspruch nehmen und so erst frühestens zwei Jahre nach Studienabschluss mit der Darlehensrückzahlung und nur bei hinreichendem Einkommen beginnen müssen. Die Rückzahlung des Darlehens ist auf einen Gesamtbetrag zusammen mit dem Darlehensanteil des BAföG auf eine Summe von 10.000 Euro begrenzt. Das Risiko eines Ausfalls bei der Darlehensrückzahlung trägt der Ausfallfonds.
Die Studienbeiträge sichern den Hochschulen jährlich zusätzliche Einnahmen in Höhe von bis zu 280 Millionen Euro für die Verbesserung von Studienbedingungen und Lehre. Darüber hinaus stellt das Land den Hochschulen heute 400 Millionen Euro mehr zur Verfügung als noch 2005.
Damit stehen den Hochschulen selbst ohne Studienbeiträge 15% mehr Mittel zur Verfügung als noch unter Rot-Grün.
6. Ist die Trennung in Fachhochschulen und Universitäten, gerade im Hinblick darauf, dass die inzwischen eingeführten Abschlüsse Bachelor und Master unabhängig von der Hochschulart gleichwertig sein sollen, noch zweckmäßig? Wenn ja, warum; wenn nein, was planen Sie stattdessen?
Die FDP-NRW möchte weiter am bewährten System von Universitäten und Fachhochschulen festhalten. Auch wenn Fachhochschulen und Universitäten Studierende zu gleichwertigen Abschlüssen führen, so unterscheiden sich Universitäten und Fachhochschulen weiterhin in der Zielrichtung ihres Wirkens. Während sich Fachhochschulen bei der Ausbildung von Nachwuchskräften sehr viel stärker an den Bedürfnissen der Wirtschaft und Praxis orientieren, widmen sich Universitäten verstärkt der Forschung und qualifizieren unter anderem für eine wissenschaftliche Karriere.
Mit ihren praxisnahen Angeboten spielen die Fachhochschulen eine wichtige Rolle dabei, das Studium für jene Menschen attraktiver zu machen, die bislang nicht den Weg an eine Hochschule gefunden haben. Das duale Studium z. B., welches in der Regel in Kooperation mit einer Fachhochschule angeboten wird, ermöglicht leistungsbereiten Studieninteressenten einen raschen Start in die Arbeitswelt, ohne dass sie auf eine solide Berufsausbildung und einen international anerkannten Hochschulabschluss verzichten müssen. Duale Studiengänge werden in Nordrhein-Westfalen ausbildungs- und berufsintegriert angeboten. Sie sind auf eine enge Verzahnung von Theorie und Praxis ausgerichtet. Idealerweise ergänzen sich die Inhalte der Ausbildung mit dem parallelen Studium. Diese praxisnahen Studiengänge erhöhen die soziale Mobilität und sind ein wichtiger Baustein, um den Mangel an qualifizierten Fachkräften zu bekämpfen.
7. "Autonomie" ist ein Schlagwort der Hochschulreformen der letzten Jahre. "Demokratisierung" der Hochschulen dagegen nur noch selten. Wo legen Sie Ihre Schwerpunkte bei möglichen weiteren Änderungen der Hochschulgesetze Ihres Landes?
Die FDP-NRW ist der Auffassung, dass die derzeitigen Mitbestimmungsrechte der Studierenden ausreichen und ihren Zweck erfüllen. Wesentlicher Bestandteil des Studienbeitragsmodells ist der Gedanke, dass sich die Studierenden als aktive Partner in den Prozess der Lehroptimierung einbringen können. Es muss gesichert sein, dass die Studierenden als Beitragszahler auf die entsprechenden Leistungen in der Lehre hinwirken können. Aus diesem Grund haben wir in dem Studienbeitragsgesetz auch verbindlich geregelt, dass die Qualität der Lehrorganisation durch ein unabhängiges Prüfungsgremium in einem objektiv-rechtlichen Verfahren überprüft wird. Das Prüfungsgremium ist zur Hälfte mit Studierenden besetzt, die Vorsitzenden kommen jeweils von außerhalb der Hochschule. Jede Hochschule, die Studienbeiträge erhebt, ist verpflichtet, ein solches Gremium als Anlaufstelle für Beschwerden einzurichten. Näheres zum Prüfungsgremium bestimmen die Hochschulen selbst. Die Prüfungsgremien sind, wie auch der Bericht des Stifterverbands und Deutschen Studentenwerk über die Verwendung von Studienbeiträgen an den nordrhein-westfälischen Hochschulen aus dem Jahr 2009 bestätigt, sehr gut in den Hochschulalltag eingebunden. Die Mitbestimmung der Prüfungsgremien an den Hochschulen wird immer bedeutender und ihre Mitsprache bei der Verwendung der Beiträge wächst. Gerade auf der Fachbereichsebene wissen die Studierenden ziemlich genau, wofür ihre Studienbeiträge ausgegeben werden, denn sie können sich an dem Verwendungsprozess mit eigenen Vorschlägen beteiligen. In der Regel werden diese Vorschläge dann auch umgesetzt.
8. Spätestens der Bildungsstreik von Studierenden, Schülerinnen und Schülern im letzten Jahr zeigte, dass bei den Reformen an den Hochschulen (und Schulen) in den letzten Jahres einiges nicht optimal gelaufen ist. Welche Maßnahmen planen Sie von Seiten des Landes - z.B. (aber nicht nur!) im Bereich "Studierbarkeit" der Bachelor/Master-Studiengänge -, um auf die teilweise sicherlich berechtigte Kritik einzugehen?
Die FDP bewertet die Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge in Nordrhein-Westfalen positiv. Wir bekennen uns zu den Zielen des Bologna-Prozesses. Die Ziele, die Förderung von Mobilität von internationaler Wettbewerbsfähigkeit, von Beschäftigungsfähigkeit und die Verkürzung der Studiendauer sind richtig und wichtig. Erste beachtliche Erfolge zeichnen sich bereits jetzt ab. Nach aktuellen Zahlen hat sich die Absolventenquote in Regelstudienzeit innerhalb der vergangenen vier Jahre in Nordrhein-Westfalen von 21,4 auf 28,1 Prozent erhöht. Erstmal ist es dem Land damit gelungen, bei der Akademikerquote über dem Bundesdurchschnitt zu liegen.
Bei der Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge ist in Nordrhein Westfalen schon enorme konzeptionelle Arbeit geleistet worden. Mittlerweile sind 81,3 % aller Studiengänge umgestellt. Das bedeutet nicht, dass die Umstellung schon abgeschlossen ist und keine Übergangsprobleme aufgetreten sind. Unbestritten ist die Umstellung einiger Studiengänge nicht optimal gelaufen. Aus diesem Grund setzt sich die FDP-NRW für eine Verbesserung der Standards, Kriterien und Funktionsfähigkeit ein. Es ist notwendig, die während des Bildungsstreiks angesprochenen Probleme und vorgetragenen Argumente gemeinsam mit den Hochschulen und Studierenden zu analysieren und notwendige Kurskorrekturen vorzunehmen. Es gilt einzelne Prüfungselemente sowie einzelne Anwesenheitspflichten zu überprüfen, ohne das Gesamtqualifikationsziel zu beeinträchtigen.
In diesem Zusammenhang begrüßt die FDP-NRW das von den Rektoren der 14 nordrhein-westfälischen Universitäten am 26. November 2009 unterzeichnete Memorandum, in dem sich die Hochschulen verpflichtet haben, notwendige Veränderungen in die Wege zu leiten. Konkret vereinbarten die Universitäten zu überprüfen, ob der jeweilige Studiengang stofflich überladen ist, ob es eine den Zielen des Studiengangs angemessene Vielfalt an Prüfungsformen gibt, ob der Praxisbezug gewährleistet ist, ob es zu viele Anwesenheitspflichten gibt und ob die nationale und internationale Mobilität in angemessener Weise gewährleistet ist. Im Gegenzug hat die schwarz-gelbe Landesregierung den Hochschulen eine verlässliche Finanzausstattung in den nächsten Jahren zugesichert. Zudem wurden den Hochschulen Ausnahmengenehmigungen erteilt, um bereits vor der nächsten Re-Akkreditierung der Studiengänge konkrete Verbesserungen, wie etwa eine Verringerung von Prüfungslasten in einzelnen Studiengängen, unverzüglich zu erreichen. Eine erste Revisionsbilanz und erste Ergebnisse werden die Universitäten bereits zum Ende des Wintersemesters im März 2010 vorlegen.
Die FDP-NRW will den Bologna-Prozess weiter vorantreiben und dessen Umsetzung optimieren. Hierzu müssen die Hochschulen angehalten werden, ihre gewachsenen finanziellen Spielräume für zusätzliches Lehrpersonal und damit für eine Verbesserung der Betreuungsrelation zu nutzen. Studiengänge, die bislang mit dem Staatsexamen abschließen, sollen ebenfalls in den Bologna-Prozess einbezogen werden. Dabei darf die Umstellung nicht zu einer Verlängerung der Gesamtausbildung führen.