Interview: Wie wird man eigentlich Richterin?
„Recht sprechen“ – ohne Richter:in undenkbar. In der Interviewserie zu Menschen und ihrer Berufsfindung sprach Simone Gölz mit einer Richterin über ihren Weg zu ihrer aktuellen Beschäftigung und die Motivation dazu.
Simone Gölz: Was haben Sie studiert?
Dr. Rita Haber: Rechtswissenschaften.
Wie war Ihr bisheriger Berufsweg?
Abitur, Studium der Rechtswissenschaften, danach Mitarbeit in einer Anwaltskanzlei und Rechtsreferendariat, im Anschluss wissenschaftliche Mitarbeiterin an einem rechtswissenschaftlichen Institut an einer Universität sowie Promotion, dann Richterin in der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Den ordentlichen Gerichte sind Strafsachen und bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, unter anderem zivilrechtliche Streitigkeiten, aber auch familien- sowie betreuungsrechtliche Verfahren zugewiesen.
Haben Sie Praktika absolviert?
Ja, drei während meines Studium, eins am Gericht, eins bei der Staatsanwaltschaft und eins in einer Anwaltskanzlei. Nach dem zweiten Staatsexamen ein weiteres in einem Notariat.
Welche Quellen (z.B. Jobbörsen) haben Sie während der Praktikums- bzw. Jobsuche genutzt?
Ich habe vor allem Informationen, welche von der Uni ausgeschrieben waren genutzt.
Informationen zu Neueinstellungen und Voraussetzungen für Richter finden sich auf den Homepages der jeweiligen Oberlandesgerichte oder der Justizministerien.
Wie sieht der Einstieg in den Beruf aus?
Etwas unterschiedlich je nach Bundesland / Oberlandesgerichtsbezirk. Außerdem gibt es Abweichungen aufgrund der konkreten Personalsituation. Regelmäßig ist man zunächst mindestens 6 Monate in einer Zivilkammer am Landgericht tätig, dann findet häufig ein Wechsel ans Amtsgericht auf eine Zivil- oder Strafabteilung (ca. 1 Jahr) statt, der ein Einsatz in einer Strafkammer am Landgericht nachfolgen soll.
In Nordrhein-Westfalen ist es möglich, vorübergehend zur Staatsanwaltschaft zu wechseln. In anderen Bundesländern ist der Wechsel zwischen richterlicher und staatsanwaltlicher Tätigkeit zwingend.
Der Einstieg erfolgt in voller Verantwortung und vielfach mit voller Belastung - sprich man wird sofort ins kalte Wasser geworfen. Das kollegiale Verhältnis ist jedoch sehr gut; (Kammer-)Kollegen beantworten in aller Regel alle Fragen gerne und gut, was den Einstieg sehr erleichtert.
Schließlich gibt es Fortbildungen speziell für Berufseinsteiger und Dezernatswechsler.
Welche Persönlichkeitsmerkmale halten Sie für wichtig?
selbständiges und verantwortungsbewusstes Handeln
gute Kommunikationsfähigkeiten
eine analytische Herangehensweise
Kollegialität
eine ausgeprägte Konfliktbereitschaft
Lösungsorientiertes und zielorientiertes Handeln
Oft trifft man Entscheidungen mit weit reichenden Konsequenzen. Das eigene Handeln und Entscheiden kann nicht immer auf Zustimmung stoßen. Dem sollte man gewachsen sein.
Simone Gölz arbeitet als Coach und Karriereberaterin in Hamburg.
Wie sieht ein Arbeitstag / Tagesablauf bei Ihnen aus?
Für eine volle Zivilabteilung (häufig bearbeitet ein Richter daneben z.B. auch Registersachen oder Insolvenzsachen) sind in der Regel zwei Sitzungstage in der Woche vorgesehen. Diese müssen vorbereitet werden. An den Sitzungstagen sind meist auch die Verkündungstermine angesetzt (regelmäßig drei Wochen nach der mündlichen Verhandlung wird eine Entscheidung, z.B. ein Urteil oder ein Beweisbeschluss verkündet).
Daneben läuft die sog. Dezernatsarbeit. Das heißt neu eingegangene Schriftsätze und Akten nach Fristablauf werden vorgelegt. Im Wesentlichen wird hier der Rechtsstreit für die mündliche Verhandlung (ggf. eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren) vorbereitet.
Weiterhin sind Entscheidungen über Prozesskostenhilfe oder einstweilige Einstellungen der Zwangsvollstreckung zu treffen. Schließlich können Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eingehen.
Was sind die Schwerpunkte Ihrer Arbeit?
Die Bearbeitung von zivilrechtlichen Streitigkeiten, z.B. aus dem Mietrecht und dem Verkehrsunfallrecht, aber bis zu einem Streitwert von 5.000,00 Euro auch etwa Kauf- und Werkverträge, Arzthaftungssachen, Reiserecht etc.
Der Streit muss für die mündliche Verhandlung vorbereitet werden. Hierzu erfolgt zunächst eine Darlegung durch die Parteien bzw. meist über deren Anwälte. In der Sitzung besteht dann die Möglichkeit die Parteien zu einer sinnvollen Einigung hinzuführen, unklare Punkte aufzuklären oder Beweise zu erheben, z.B. durch die Vernehmung von Zeugen. Kommt es nicht zu einer Einigung wird eine Entscheidung verkündet.
Hierfür muss die Sache rechtlich abschließend gelöst werden, um dann ein Urteil zu erfassen oder einen Beweisbeschluss (Vernehmung von Zeugen, Sachverständigengutachten etc.) zu erlassen.
Die schriftsätzliche Vorbereitung der Sitzung durch die Parteien bzw. deren Anwälte steuern; Zwischenentscheidungen treffen (etwa vorbereitend Zeugen laden).
Bundesbesoldungsordnung R
Je nach Erfahrungsstufe (die höchste Stufe kann i.d.R. erst nach 23 Jahren Dienst erreicht werden) liegt das Brutto-Grundgehalt (Stand 24.08.2023) nach R1 zwischen ca. 4.500 und 7.200 Euro, nach R2 zwischen 5.500 und 8.150 Euro. Je nach Bundesland kann es Abweichungen geben
Wie ist das mit dem Verdienst?
Die Besoldung erfolgt nach R1. Eine Beförderung auf R2 (Vorsitzender RichterIn am Landgericht oder RichterIn am Oberlandesgericht) ist möglich. Weitere „Karriereschritte“ sind die Ausnahme.
Gibt es etwas, was Sie an Ihrem Beruf nicht mögen?
Nein, aber natürlich gibt es spannende und weniger spannende Fälle. Außerdem gehört es zum Beruf mit Konflikten – und nicht nur der Lösung abstrakter Rechtsfragen – umzugehen, was einerseits positiv ist, aber auch eine Belastung mit sich bringen kann.
Was mögen Sie besonders an Ihrem Beruf?
Vor allem das juristische Arbeiten.
Der Beruf ist sehr abwechslungsreich, da man Einblick in die verschiedensten Bereiche des Lebens erhält.
Weiterhin schätze ich sehr das unabhängige Arbeiten, das der Beruf mit sich bringt. Man ist keinen Interessen anderer verpflichtet, sondern entscheidet unabhängig nach Recht und Gesetz.
Last but not least ist die kollegiale Situation angenehm und bereichernd.
Wo kann man arbeiten?
An allen Amts- und Landgerichten.
Abordnungen und Beförderungen sind möglich z.B. an das Justizministerium, Oberlandesgerichte, den Bundesgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht (als wissenschaftlicher Mitarbeiter).
Der Großteil der Richter verbringt – ggf. abgesehen von einer 9-monatigen Abordnung an das Oberlandesgericht – sein gesamtes Berufsleben an einem Amts- oder Landgericht. Eine Beförderung als Richter über das Oberlandesgericht hinaus ist selten.
Neben der ordentlichen Gerichtsbarkeit gibt es die Möglichkeit Richter in der Arbeitsgerichtsbarkeit, der Sozialgerichtsbarkeit, der Verwaltungsgerichtsbarkeit und der Finanzgerichtsbarkeit (grundsätzlich nicht als Berufseinstieg) zu werden.
Was sind die typischen Klischees über Richter?
Arbeiten wenig und machen viel Urlaub, finde ich nicht zutreffend.
Wer ist für den Beruf ungeeignet?
Personen, die kein gutes Zeitmanagement haben werden Schwierigkeiten in den Beruf bekommen.
Weiterhin muss man gut mit Konflikte umgehen können, oft trifft man Entscheidungen, die für einen der Beteiligten von Nachteil sind, so was muss man aushalten können.
Was waren Ihre Motive als Richterin zu arbeiten?
Mich hat eine abwechslungsreiche Tätigkeit gereizt
* Richterin an einem Amtsgericht, Name von der Redaktion geändert
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Hinweis: Das Interview wurde vor der ersten Online-Veröffentlichung im Sommer 2013 geführt, ist aber nach wie vor inhaltlich relevant. Bei Bedarf wurden Hinweise ergänzt. Letzte Aktualisierung dieses Abschnitts am 24. August 2023.