Interview: Wie wird man eigentlich Projektmanager?
Hinweis: Das Interview mit Daniel Kalt, Projektmanager in der Softwareentwicklung, wurde vor der ersten Online-Veröffentlichung im Frühjahr 2010 geführt, ist aber nach wie vor inhaltlich relevant. Wo nötig, haben wir später Informationen ergänzt oder aktualisiert.
Simone Gölz: Was haben Sie studiert?
Daniel Kalt: Ich habe Wirtschaftsingenieurwesen mit der Fachrichtung Unternehmensplanung studiert, also keinen spezifischen Projektmanagementstudiengang durchlaufen. Damit bin ich aber vermutlich nicht alleine, denn meines Wissens gibt es bisher einen solchen Studiengang nicht.
Anmerkung der Redaktion
In der Zwischenzeit gibt es auch explizite Studiengänge für den Bereich Projektmanagement.
Wie war Ihr bisheriger Berufsweg?
Ich habe während meines Studiums diverse Praktika in mittelständischen und Großunternehmen absolviert. Die Branchen reichten von der Automobil- und Elektroindustrie bis zu einem großen Softwarehersteller. Bei dem letztgenannten hatte ich dann auch meinen „echten“ Berufseinstieg im Qualitätsmanagement. Ich habe mich dann intern zum Releasemanager weiterentwickelt und bin dadurch sehr nahe an das Projektmanagement von Softwareprojekten herangerückt. Man könnte sagen, ich habe das Thema dadurch umkreist und bin mit der Arbeit in (Software-) Entwicklungsprojekten groß geworden. Nach etwas mehr als vier Jahren habe ich dann bei einem kleinen Softwareunternehmen für Internetplattformen meine erste Stelle als Projektmanager angetreten.
Welche Studienrichtung würden Sie angehenden Projektmanagern empfehlen?
Keinen und jeden. Studienrichtungen sollte man sich aus meiner Sicht rein nach Interesse wählen. Ich halte überhaupt nichts von karriere- oder berufsorientiertem Studieren. Das hat im Wesentlichen drei Gründe: Erstens ist es sehr schwer den Bedarf des Arbeitsmarktes auf mehrere Jahre hinaus vorherzusagen. Zweitens bin ich davon überzeugt, dass man nur in Dingen richtig gut wird, bei denen man mit Herzblut dabei ist. Drittens kommen die meisten Projektmanager, die ich kenne in der Regel aus einer bestimmten Fachrichtung und waren dort zunächst einmal Spezialisten. Sie sind dann während ihres Arbeitslebens mit der professionellen Projektarbeit konfrontiert worden und haben angefangen sich dafür zu interessieren.
Studiengänge bei denen Fach-Know-How mit Managementkompetenzen kombiniert werden, wie z.B. Wirtschaftsinformatik, Wirtschaftsingenieurwesen, Wirtschaftsrecht, etc. eignen sich meiner Ansicht jedoch gut.
Sollte/ Muss man studieren?
Das würde ich nicht sagen, zumindest ist es nicht wie bei Ärzten, Richtern oder ähnlichen Berufsgruppen eine zwingende Voraussetzung. Die Definition Projektmanager ist sehr weit gefasst und wird von Branche zu Branche, und oft auch von Firma zu Firma unterschiedlich verstanden. Es gibt Projektmanager, die auf der höchsten Führungsebene arbeiten, direkt unterm Vorstand eines großen Unternehmens. Andere sind Praktikanten in einer kleinen Agentur und werden auch so genannt. Aber generell hilft es natürlich, wenn man ein abgeschlossenes Hochschulstudium vorweisen kann. Für viele Firmen ist das nach wie vor ein Kriterium.
Haben Sie Praktika absolviert?
Ja, einige (siehe oben). Ich halte Praktika während des Studiums für elementar bei der eigenen Berufsfindung. Schade, dass es bei dem heute recht verschulten Bachelor/Mastersystem immer weniger die Gelegenheit dazu gibt. Wenn ich nach einem Praktikanten suche, dann hat kaum einer der Bewerber noch länger als zwei Monate Zeit. Das ist aus meiner Sicht zu kurz um richtig etwas für sich selbst mitnehmen zu können und für die Firmen lohnt sich die Einarbeitung auch kaum.
Wie sieht der Einstieg in den Beruf aus?
Das kann man pauschal nicht sagen. Ich vermute aber, dass die meisten zunächst eine Fachfunktion ausfüllen, in meiner Branche z.B. Softwareentwickler. Mit der Zeit merkt man dann, dass einem das Koordinieren von übergreifenden Tätigkeiten mehr interessiert als die Lösung fein strukturierter Detailprobleme. Dann kann man versuchen sich durch Weiterbildung und Training on the job zum Projektmanager weiterzuentwickeln. Irgendwann bekommt man dann mal die Verantwortung für ein (Teil-) Projekt übertragen und schon ist man es.
Welche Voraussetzungen sollte man mitbringen?
Man sollte eher Generalist als Fachexperte sein. Dazu kommt ein hohes Maß an Kommunikationsstärke, Entscheidungsfreude und Stressresistenz.
Welche Persönlichkeitsmerkmale halten Sie für wichtig?
Da man oft im Mittelpunkt steht, ist ein sicheres und überzeugendes Auftreten wichtig. Kontakt und Kommunikationsfreude sind ebenfalls zwingend erforderlich; viele Projekte scheitern, weil zu wenig oder zu spät über die wichtigen Dinge gesprochen wird. Und ein wenig Forschungsdrang kombiniert mit einer guten Portion Flexibilität sollte man auch mitbringen. Jedes Projekt ist für sich genommen einzigartig und man betritt immer wieder Neuland. Wer da versucht, immer alles nach Schema F zu lösen wird es schwer haben.
Wie sieht ein Arbeitstag bei Ihnen aus?
Ich versuche meine Tage gut durch zu strukturieren und scheitere aufgrund des aktuellen Projektgeschehens immer wieder. In der Regel mache ich mir jeden Morgen eine priorisierte To-Do-Liste, die ich über den Tag versuche abzuarbeiten. Wenn etwas dringendes dazwischen kommt, und das tut es meistens, schaffe ich nicht alles und nehme den Rest als Input für den nächsten Tag mit. Die Tätigkeiten selbst sind sehr unterschiedlich. Mal erörtert man zusammen mit den Fachexperten ein Problem, moderiert ein Meeting, löst Konflikte oder bereitet Entscheidungen für die Auftraggeber bzw. Kunden vor.
Was sind die Schwerpunkte Ihrer Arbeit?
Das ist schwer zu beantworten, denn der Schwerpunkt ist es gerade keinen Schwerpunkt zu haben sondern alles im Gleichgewicht zu halten. Aber abhängig davon in welcher Phase sich ein Projekt gerade befindet, liegt der Schwerpunkt der Arbeit mal auf planerischem, mal auf organisatorischem und mal auf Präsentationsaufgaben.
Wie ist das mit dem Verdienst?
Das schwankt sehr stark und ist in erster Linie branchenabhängig. Für die IT-Branche gibt der Heise-Verlag regelmäßig gute Studien heraus.
Gibt es etwas, was Sie an Ihrem Beruf nicht mögen?
Kollegen, die glauben, sie müssten das selbständige Denken einstellen und könnten jedes noch so kleine Problem erst mal beim Projektmanager abladen, damit der es für einen löst.
Was mögen Sie besonders an Ihrem Beruf?
Die Vielseitigkeit, das Gefühl immer nah am Geschehen zu sein und den Stressabfall, der sich einstellt, wenn man mal wieder einen zentralen Meilenstein erreicht hat.
Wo kann man arbeiten?
Überall da, wo in Projekten gearbeitet wird. Es gibt Branchen in denen ist die Projektarbeit sehr ausgeprägt, z.B. Softwareentwicklung, Anlagenbau, Eventmanagement. Fachverbände wie z.B. die Gesellschaft für Projektmanagement (GPM) gehen davon aus, dass sich der Anteil der Projektarbeit am Gesamtvolumen der (deutschen) Wirtschaft weiter erhöht. Ob das stimmt, kann ich schlecht einschätzen, aber gute Projektmanager finden sicher überall auf der Welt einen Job.
Was würden Sie sagen sind die typischen Klischees über den Beruf Projektmanager?
Glaubt, er kann alles, mischt sich in alles ein und hat eigentlich von nichts eine Ahnung.
Wer ist für den Beruf ungeeignet?
Kontaktscheue Menschen und Personen, die ihre Arbeit nicht gerne strukturieren. Aber ich bin der Meinung, dass man die notwendigen Fähigkeiten mit der Zeit lernen kann.
Welche Gründe haben Sie bewegt Projektmanager zu werden?
Das kam mit der Zeit, ich fand Softwareentwicklung seit dem Studium schon interessant, und irgendwann merkte ich, dass mir die Projektarbeit viel Spaß macht. Also habe ich versucht, mich dorthin zu entwickeln. Hat ein wenig gedauert, aber jetzt bin ich sehr froh darüber wie alles gelaufen ist.