AuslandsstudiumStudieren in Polen
Von Henning Brüggemann, aktualisiert durch die Studis Online-Redaktion
1. Warum Polen?
Östliche Länder werden unter deutschen Schulabgängern und Hochschulabsolventen immer populärer. Viele haben schon entdeckt, dass es zum Beispiel für Medizin im Osten einfacher ist einen Studienplatz zu bekommen als bei uns. Polen ist für viele da auch eine Option. Neben den geringen Aufnahmeschwierigkeiten bietet Polen auch eine große Vielfalt von Studienorten und Programmen. Kopernikus und Chopin tragen zudem ihren Teil zum Kulturprogramm bei.
Einige wollen auch das rasante Wachstum vom Land nicht verpassen. Jedoch die meisten wollen sich einfach von der breiten Masse absetzen und gegen den Strom schwimmen. Das breite Angebot an englischsprachigen Studienfächern bietet dafür eine ideale Grundlage.
Im Jahr 2020 waren laut Statistischem Bundesamt 1.501 deutsche Studierende in Polen. Allerdings ist nicht ganz klar, ob ERASMUS Studierende in der Statistik mit eingearbeitet wurden oder nicht. Polen liegt damit auf dem 17. Platz der beliebtesten Länder der deutschen Studierende für ein Auslandsstudium/semester.
Fabian hat seinen ganz eigenen Grund warum er seinen Master in Warschau macht „Mich hat vor allem die Gastfreundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Leute gereizt. Außerdem wollte ich mal etwas anderes machen und etwas „neues“ entdecken.“
2. Das polnische Hochschulsystem
Das Hochschulsystem ist ähnlich aufgebaut wie das deutsche. Das akademische Jahr besteht aus zwei Semestern, die Anfang Oktober und Mitte Februar anfangen. In Polen studiert man entweder an Universitäten oder Fachhochschulen und gelangt so zu einem international anerkannten Abschluss. Durch das ECTS-Punktesystem können Studienleistungen leicht mit denen in Deutschland verglichen und angerechnet werden.
Üblich sind, wie inzwischen in fast allen Ländern Europas, Bachelor- und Masterstudiengänge. Ausnahmen bestehen bei den Rechtswissenschaften, medizinischen Studiengänge und Psychologie. Hier gibt es noch das Magisterstudium, der in Polen allerdings eher dem Diplom in Deutschland entspricht. Glücklicherweise besteht seit 1970 ein Äquivalenzabkommen zwischen Deutschland und Polen, wodurch beide Hochschulabschlüsse anerkannt werden und der eine polnische Magisterabschluss dem deutschen Diplom entspricht.
Der Doktortitel wird nach einem weiteren drei- bis fünfjährigen Studium vergeben.
Auf dich wartet die Auswahl von über 20 klassischen Universitäten, über 40 spezialisierten Universitäten (z.B. Technik, Wirtschaft, Musik, Pädagogik) sowie vielen weiteren Hochschulen – insgesamt sind es über 400. Seit 1990 haben sich auch viele private Hochschulen etabliert, die zahlenmäßig die staatlichen bereits überholt haben. Die meisten privaten Hochschulen sind jedoch auf wirtschaftliche Fachrichtungen beschränkt, können sich aber auch bei internationalen Rankings sehen lassen.
Polens älteste Uni ist die „Jagiellonen-Universität“ in Krakau. 1364 gegründet, brachte sie große Persönlichkeiten hervor wie den Astronom Nikolaus Kopernikus oder Papst Johannes Paul II. Mit 38.597 Studierenden (Stand 2021) zählt sie zu den größten des Landes. Die meisten Unis findet man in den Ballungsgebieten wie Warschau, Breslau, Danzig, Posen, Krakau oder Lublin.
3. Das Studium
Im Vergleich zu Deutschland ist das Studium sehr durchorganisiert und verschult. Anwesenheitspflichten gehören immer noch zur Unterrichtsform wie zahlreiche Tests. Interessanterweise ist das Studium breiter gefächert als an deutschen Unis. Beispielsweise gehören bei einem Jurastudium Kurse wie Philosophie und Geschichte wie selbstverständlich dazu.
Polnische Abschlüsse und Noten
Am häufigsten wird das folgende Bewertungssystem verwendet, einige wenden aber auch ein um die Stufe 6,0 oder die Stufen 5,5 und 6,0 erweitertes System an, was in Polen ansonsten vor allem an Sekundarschulen eingesetzt wird.
Pol. Note | Polnische Bezeichnung | Übersetzung | Dt. Note |
---|---|---|---|
5 | celujący/bardzo dobry | ausgezeichnet/sehr gut | 1,0 |
4,5 | ponad dobry/dobry plus | über gut/voll gut | 1,7 |
4 | dobry | gut | 2,3 |
3,5 | dosc dobry/dostateczny plus | gut genug/voll befriedigend | 3,0 |
3 | dostateczny | hinreichend | 4,0 |
2 | niedostateczny | unzureichend | <4,0 |
Übliche Abschlussbezeichnungen sind die folgenden:
Bachelor: licencjat
Magister / Master / Diplom: magister, mgr; mgr inż.
Arzt: lekarz medycyny lek. med.
Tierarzt: lekarz weterynarii lek. wet.
Zahnarzt: lekarz dentysta lek. dent.
Chatten mit den Profs
In Polen ist der lockere Umgang mit den Dozenten sehr auffällig. Gearbeitet wird auf der gleichen „Wellenlänge“ und Hierarchien sind kaum spürbar. Teilweise wird sogar auf Facebook miteinander kommuniziert. Dies vereinfacht natürlich so manches, jedoch kann dabei schnell der Respekt vor einer gewissen Position verloren gehen. Generell ist der Umgang in einigen Punkten unbürokratischer und Abgabefristen können auch schon mal kurzfristig verschoben werden. Die polnischen Hochschulen scheinen in dieser Hinsicht eine andere Einstellung zu haben.
4. Bewerbung und Zulassung
Wie in anderen EU-Staaten auch, reicht das deutsche Abitur für eine Qualifikation aus. Das Zeugnis muss nur noch nostrifiziert werden, also in einem formalen Prozess der polnischen Matura gleichwertig anerkannt werden. In der Regel wird dies in der Stadt, in der du studieren möchtest von einem Educational Unit (Kuratorium Oświaty) gemacht. Bis auf einzelne Ausnahme reicht die Fachhochschulreife nicht für die Hochschulzugangsberechtigung. Wenn man jedoch bereits an einer deutschen Hochschule immatrikuliert ist und dort Punkte gesammelt hat, kann man das Studium in Polen aufnehmen.
Die Zulassungsvoraussetzungen unterscheiden sich von Uni zu Uni, basieren aber größtenteils auf der Abiturnote. Bei einem weiterführenden Studium wird natürlich ein Studienabschluss vorausgesetzt.
Die Bewerbungsfristen orientieren sich weitestgehend an denen der deutschen Unis. Die Bewerbung erfolgt dann ganz individuell über die ausgewählte Hochschule. Die Bewerbungsunterlagen lassen sich über die einzelnen Homepages anfordern. Je nachdem was man in Polen studieren will, muss man bestandene Sprachtests vorzeigen.
5. Leben in Polen
Das Studentenleben unterscheidet sich nicht groß von dem in deutschen Unistädten. Die Polen gehen genauso gerne aus und stellen in der Nacht ihre Trinkfestigkeit unter Beweis. Auffällig ist, dass man nicht auf viele Leute mit Migrationshintergrund trifft.
Ein großer Vorteil von Polen gegenüber anderen Ländern sind definitiv die geringen Unterhaltskosten. Die Kosten für eine Bleibe und für Essen und Trinken sind kaum mit westlichen Ländern zu vergleichen.
Studenten haben die Möglichkeit sich zwischen Einzel-, Doppel oder sogar Dreierzimmer zu entscheiden. Letzteres kann man schon für 75 bis 150 Euro monatlich in einem Studentenwohnheim mieten. Für einen Platz im Studentenwohnheim muss man sich direkt an der Hochschule bewerben.
Natürlich kann man auch außerhalb der Studentenwohnheime etwas finden. Viele nutzen dafür folgende Webseite:
https://www.gumtree.pl
Die Preise variieren natürlich von Stadt zu Stadt. Generell ist Warschau ein etwas teureres Pflaster. Hier kann man dennoch ein schönes Zimmer für 250 Euro warm finden. Andere Städte, wie z.B. Krakau oder Breslau haben da schon angenehmere Preise, allerdings steigen die Kosten auch hier.
Wie unterscheiden sich die Preise in Polen zu denen in Deutschland? | |
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Quelle: Statistisches Bundesamt, Stand: August 2024. Die Tabelle zeigt den Unterschied der Preise in Polen im Vergleich zu Deutschland. Nicht im Vergleich enthalten sind die Mieten. | |
Gesamt | -36 % |
Lebensmittel & Getränke | -22 % |
Brot, Reis, Müsli, Nudeln, Backwaren | -22 % |
Obst, Gemüse & Kartoffeln | -26 % |
Milchprodukte & Eier | -18 % |
Fleisch | -38 % |
Fisch | -18 % |
Alkoholische Getränke | +19 % |
Anderes | |
Kleidung & Schuhe | -3 % |
Energie | -25 % |
Bus, Bahn, Schiff & Flugzeug | -37 % |
Telefon, Internet & Post | -56 % |
Freizeit, Zeitungen & Bücher | -35 % |
Restaurants & Hotels | -18 % |
Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke: Brot und Nährmittel, Fleisch, Fisch, Milchprodukte und Eier, Öle und Fette, Früchte und Gemüse, Kartoffeln, andere Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke.
Brot und Nährmittel: Reis, Müsli, Mehl, Brot, andere Backwaren, Nudeln
Fleisch: Rind- und Kalbfleisch, Lamm, Geflügel, Wurstwaren
Fisch: Frischfisch, gefrorener Fisch und Meeresfrüchte, verarbeitete Fisch- und Meeresfrüchte
Milchprodukte und Eier: Frischmilch, haltbare Milch, andere Milchprodukte, Käse, Eier
Obst, Gemüse und Kartoffeln: frisches, gefrorenes und konserviertes Obst bzw. Gemüse und Kartoffeln
Alkoholische Getränke: Wein, Bier, Spirituosen
Bekleidung und Schuhe: ohne Dienstleistungen wie Reinigung
Energie: Strom, Gas und andere Brennstoffe
Transportdienstleistungen: Personenbeförderung im Schienenverkehr, Straßenverkehr, Schiff und Luftverkehr
Kommunikation: Postdienstleistungen, Telefone und Dienstleistungen Telekommunikation
Freizeit, Unterhaltung und Kultur: Audiovisuelle, fotografische und Informationsverarbeitende Geräte, Dienstleistungen für Erholung und Kultur, Garten- und Tierbedarf, Zeitungen und Bücher
Restaurants und Hotels: Restaurants, Cafés, Pubs, Bars, Kantinen, Hotels, Jugendherbergen usw.
6. Kosten und Finanzierung
Seit 2004 sind alle EU-Bürger, die in Polen auf polnisch studieren möchten, von Studiengebühren befreit. Wer jedoch an fremdsprachigen Studiengängen teilnimmt, muss mit Gebühren von ca. 4.000 bis 9.500 Euro pro Studienjahr rechnen.
Die Teilnahme an postgraduierten Aufbaustudiengängen ist sowohl an privaten als auch an staatlichen Hochschulen gebührenpflichtig.
Allen steht das ERASMUS+-Programm offen. Osteuropastudenten werden beispielsweise vom „Go East“ Programm des DAAD unterstützt.
Wenn du in Deutschland BAföG erhältst, erhältst du es in der Regel auch im Ausland. Dazu gibt es noch kleine Zuschüsse wie bspw. für die Fahrtkosten. Außerdem werden meist Studiengebühren bis 5.600 Euro für ein Jahr übernommen (allerdings auch tatsächlich auf ein Jahr begrenzt). Von der Begrenzung der Förderung von Studiengebühren abgesehen kann BAföG für ein komplettes Studium in Polen (also auch direkter Start dort) bezogen werden. Details dazu im Artikel Auslands-BAföG für Polen.
7. Weitere Informationen
Hinweis: Dieser Artikel wurde ursprünglich von Henning Brüggemann geschrieben, er war damals Masterstudent an der Kozminski University. Die Studis Online-Redaktion aktualisiert ihn von Zeit zu Zeit, zuletzt am oben genannten Datum.