Erfahrungsbericht AuslandsstudiumErasmus in Finnland – ein Traum in Weiß
Von Katrin Schlömer
Die Vorzüge der Europäischen Union
Die EU stellt für ihre Studierenden, Lehrende oder auch für Praktikant*innen viele Möglichkeiten bereit, ins Ausland zu gehen. Nicht nur die Reisefreiheit erleichtert ein Auslandssemester, auch die finanzielle Unterstützung durch ERASMUS und die relative Nähe der Länder in der EU sind von Vorteil. Die geplante Reise wird dabei unterstützt durch Vorbereitungstreffen, (online) Sprachkurse, Erfahrungsberichte von Rückkehrer*innen und durch zahlreiche Checklisten, wie hier auf Studis Online. Für mich persönlich ging es in das nordische Land Finnland (Achtung: kein skandinavisches Land). Meine Entscheidung traf ich auf Grund der hohen Qualität des Bildungssystems dort und der passenden Kursangebote an meiner Partneruniversität dort.
Erasmus in Finnland – ein Überblick
Finnland liegt im Norden Europas, hat eines der besten Bildungssysteme, englisch ist dort eine Sprache, die die meisten beherrschen, die Lebensqualität ist dort sehr hoch, die Infrastruktur ist sehr gut ausgebaut, die finnische Natur ist einzigartig und größtenteils noch intakt und die Nähe zu Russland und den baltischen Staaten fand ich persönlich sehr interessant. Meine Entscheidung nach Finnland zu gehen stand spätestens nach dem Argument der „einzigartigen Natur“ fest und so begann mein Semester dort mit freudigen Gefühlen.
Die Förderung
Geht man über seine Universität zu einer Partneruniversität ins EU-Ausland (und auch teilweise darüber hinaus), kann man mit einer Förderung durch das Programm Erasmus rechnen. Finnland liegt als nordisches Land dabei in der höchsten Förderungsstufe. Wer im Inland keinen Anspruch auf BAföG hat, hat trotzdem Chancen auf Auslandsbafög, hier lohnt sich auf jeden Fall ein Antrag! Wer in seinem Erasmus-Semester nicht übermäßig viel ausgibt, ein bisschen was an Geld angespart hat, die Erasmus-Förderung und Auslandsbafög bekommt, sollte soweit ganz gut über die Runden kommen. Wer sich schon vorher darum kümmert oder länger als ein Semester bleibt, kann auch überlegen, sich zusätzlich einen Nebenjob dort zu suchen. In Finnland reichen dafür oft Englischkenntnisse.
Finnland im Winter – nur kalt und nass?
Im warmen August in kurzer Hose angekommen wurde es dann im hohen Norden doch schnell kalt. Die regnerischen und kalten Tage waren zu Beginn sehr hart, bis wir durch Kommilitonen und Kommilitoninnen in die finnische Kultur eingeweiht wurden. Ab dann ging es alle zwei Tage in die Sauna, es wurde sich in der Bibliothek gesetzt mit Tageslichtlampen und Decken. Die zahlreichen sogenannten „Sitz“-Partys erhellten die Tage dort sehr. Sobald der Schnee in Turku (meinem Erasmus-Ort) ankam, war es auch gleich sehr viel heller und Spaziergänge im Schnee zwischen warmen Cafés und gemütlichen Bibliotheken machten das nasse Wetter gleich viel weniger schlimm.
Die schwedische Uni in Finnland
Finnland ist ein Sprachen reiches Land, durch seine Nähe zu Russland und Schweden, aber auch durch seine Offenheit für die englische Sprache. An den meisten Unis können daher Kurse sowohl auf englisch wie auch auf finnisch belegt werden. An der einzigen schwedischsprachigen Universität, der Åbo Akademi, kann man darüber hinaus auch auf schwedisch studieren.
Wie in Deutschland sind die finnischen Unis kostenlos, jedoch werden Bildungseinrichtungen in Finnland in viel größerem Maße unterstützt als bei uns. Die Bildungsausgaben von Finnland betragen, gemessen am BIP 7 Prozent. 28 Prozent davon gehen allein in tertiäre Bildung (höhere Bildungsbereiche). Diese starke Finanzierung des Staates machte sich sehr im studentischen Alltag bemerkbar; in den gut ausgebildeten Lehrkräften, der guten Ausstattungen der Universitäten, des billigen Mensa-Essens und der vielen Vergünstigungen für Studierende, auch beim Bahnfahren.
Flache Hierarchien – ein guter Grund zurückzukommen
Einige meiner Dozent*innen an der Åbo Akademi hatten einen Masterabschluss, andere einen Doktortitel oder waren Professor*in. In Deutschland werden diese Titel deutlich nach außen getragen, oft sogar bis aufs Klingelschild und nicht selten fordern Professor*innen in der Uni, diesen auch in jeder E-Mail zu nennen.
In Finnland ist davon nichts zu spüren. Jeder Mensch wird hier mit du (egal ob auf englisch, finnisch oder schwedisch) angesprochen, die Türen der Lehrpersonen stehen immer offen und die Dozierenden kennen meist die Namen aller Studierenden. Mein Lernen war in Finnland deutlich zielorientierter, ich bekam deutlich mehr konstruktive Rückmeldungen und fühlte mich mehr als Individuum wahrgenommen. So eine Struktur wünsche ich mir überall.
Fazit: Erasmus in Finnland
Ich bin eine teilweise chaotische Person, die es aber nichtsdestotrotz durch den ganzen Papierkram geschafft hat Auslandsbafög zu beantragen und alle Kurse erfolgreich zu bestehen sowie anrechnen zu lassen. Es war nicht immer einfach (zum Beispiel die Wohnungssuche), es war nicht immer schön (die ersten Tage ganz alleine im Wohnheim) und es war nicht immer leicht (die Prüfungsphasen im Semester), aber ich habe sehr viel mitgenommen, was ich niemals vergessen werde. Die Natur, die lieben Finnen und Finninnen, die Sprache, die Europäische Freiheit und Bildungsmöglichkeit, die Individualität der Finnen, das großartige Bildungssystem Finnlands, der finnische Winter in all seinen Facetten – all das wird für immer bleiben.
Zur Autorin:
Katrin Schlömer studiert gerade im ersten Mastersemester Germanistik an der Universität Bonn. An der schwedischen Åbo Akademi in Turku, Finnland war sie im Wintersemester 2018 und hat dort Germanistik und Politik studiert. Åbo ist die schwedische Bezeichnung für die Stadt Turku. Sie hatte dort Kurse auf englisch, deutsch und schwedisch. Die Åbo Akademi ist die einzige schwedischsprachige Universität in Finnland. Vor dem Studium hat sie ein Gap Year gemacht – von dieser Erfahrung hat sie auch auf Studis Online berichtet: Die Zeit dazwischen.