Von Angesicht zu AngesichtAuswahlgespräche an Hochschulen
Von Katrin Iost
mit Material von Sebastian Horndasch
1. Kurz und knapp
Hochschulen führen immer häufiger Auswahlgespräche durch um die Motivation der Studieninteressierten zu erfahren und die potentiellen Studierenden besser kennen zu lernen. Außerdem erhoffen sich die Hochschulen so die Quote der StudienabbrecherInnen zu senken.
Du solltest im Idealfall bereit für die unterschiedlichsten Fragen und Situationen sein und wissen welchen beruflichen Pfad du einschlagen möchtest, was dich von anderen BewerberInnen abhebt. Setze dich vor dem Gespräch auch etwas mit Hochschule und Studienprofil des Studienganges auseinander, damit du auch das für dich nutzen kannst.
Beantworte die Fragen der Hochschulangehörigen ehrlich und weder zu kurz noch zu lang. Halte Blickkontakt. Zögere nicht Punkte aus deinem Bewerbungsschreiben oder Lebenslauf zu wiederholen, das ist an diesem Punkt des Bewerbungsverlaufes manchmal nötig.
Die Dauer eines Auswahlgespräches variiert stark, manche Gespräche sind nach nur ca. 20 Minuten beendet, andere dafür in einer dreiviertel Stunde. Du wirst binnen der ersten Gesprächsminuten einen ungefähren Zeitrahmen einschätzen können.
2. Eine Gelegenheit zum Kennenlernen
Auswahlgesprächen stehen viele Kandidaten und Kandidatinnen mit manchmal leichter und manchmal starker Nervosität entgegen. Dabei handelt es sich einfach um ein Gespräch, bei dem Professorinnen und Professoren oder andere Hochschulmitglieder mehr über ihre Bewerberinnen und Bewerber erfahren möchten und die Kandidat:innen wiederum die Möglichkeit erhalten sollen, die Hochschule oder die Uni und deren Angehörige kennenzulernen. Doch bestimmt der Verlauf des Interviews eben auch über die Auswahl der neuen Studienanfänger und Studienanfängerinnen.
Denn mit den Interviews versuchen Hochschulangehörige Aussagen über den künftigen Studienerfolg der Neulinge zu treffen und Studienabbrüche zu verringern. In manchen Fällen geht es noch weiter: Um die Auswahl einer Elite. Abhängig vom Ziel der Hochschule kann die Gestaltung der Auswahlgespräche deshalb deutlich variieren.
Ziel der Hochschulen ist, in den Auswahlgesprächen mehr über die Motivation, Eignung, Begeisterung und der zu erwartenden Entwicklung der Studienanwärter und Studienanwärterinnen zu erfahren. Dazu stellen sich verschiedene Fragen: Was wissen die Studieninteressierten über das Programm des Studiengangs? Welche beruflichen Pläne haben sie? Welche praktischen Erfahrungen wurden bisher zum Studienthema gesammelt?
An manchen Auswahlgesprächen ist eine Jury aus mehreren Hochschulmitgliedern beteiligt, bei anderen sitzt du nur einer Person gegenüber. Ähnlich verschieden kann auch die Anzahl der Mitbewerber und Mitbewerberinnen sein. Es gibt Berichte davon, dass jede:r Studienbewerber:in sich einzeln vorstellt. In anderen Gesprächen werden gleichzeitig zwei oder drei Studieninteressierte befragt.
Die Zeiten variieren. Manche Gespräche dauern höchstens 20 Minuten. Für andere Gespräche werden auch mal 45 Minuten angesetzt.
Wenn du mehr über den konkreten Ablauf der Gespräche wissen möchtest, kannst du aktuelle Studierende an den jeweiligen Hochschulen kontaktieren – entweder über Freunde oder Freundinnen, die Fachschaft am jeweiligen Fachbereich oder durch eine Suche in sozialen Netzwerken. Bei intensiver Recherche findest du auch immer wieder Erfahrungsberichte im Internet. Und aus vielen im Internet erreichbaren Studienordnungen kannst du die Eckdaten entnehmen.
3. Wie überzeuge ich die Jury von meiner Motivation?
Bei der Motivation handelt es sich um unseren inneren Antrieb. Motivation steuert unsere Aufmerksamkeit und weckt unser Interesse. Sie bringt Begeisterung hervor und versorgt uns mit Ausdauer. Sie hilft uns zielgerichtet als auch kraftvoll zu handeln. Deshalb ist sie auch für das Bewerbungsteam einer Hochschule so interessant.
In Bezug auf die Studienwahl kann Motivation für Studieninteressierte natürlich auch in den Wünschen bestehen, sozial aufzusteigen, mehr Macht und Einfluss zu gewinnen, viel Geld zu verdienen oder Prestige zu genießen. Aber bei diesen Absichten handelt es sich eher um weniger angesehene Beweggründe, die für ein Auswahlgespräch nicht brauchbar sind.
Bleibt also die Frage, wie du als Studieninteressierter genau auf den Studiengang gekommen bist, für den du am Auswahlgespräch teilnimmst.
Welche Neugier hat dich zu diesem Studiengang geführt?
Was hat dich bewogen andere Studiengänge zu verwerfen?
Wie lange besteht das Interesse am Thema des Studienfachs schon?
Welche Aktivitäten belegen deine Motivation? Liest du gerne Bücher zum Studienthema? Hast du ein Praktikum gemacht oder ein freiwilliges soziales Jahr? Gibt es Hobbys in deiner Freizeit im Rahmen derer du etwas machst, was im Verhältnis zum Studienthema steht?
Natürlich gibt es auch Berufswünsche, die sich manchmal aus Fernsehsendungen oder Familienvorbildern ergeben. Als anfängliche Inspiration mag es vielleicht anerkannt werden. Im Auswahlgespräch muss aber deutlich werden, dass du dich darüber hinaus mit dem Thema beschäftigt hast. Die bloße Erwähnung, dass z.B. ein Onkel Arzt ist, reicht als überzeugende Motivation in der Regel nicht aus.
Was sollten Studieninteressierte zum Studiengang wissen?
Für ein Auswahlgespräch solltest du dich intensiv zum Studiengang informiert haben. Wesentliches findest du leicht im Internet. Es gibt häufig Erläuterungen zum Inhalt und dem Ausbildungsziel vieler Studiengänge. Manche Hochschulwebseiten bieten zusätzlich Modulübersichten und Videos an. Auch Vorlesungsverzeichnisse findest du oft online.
Manche Lehrenden wünschen sich eine starke Verbundenheit ihrer Studierenden mit der Hochschule. Deshalb solltest du dich bei der Recherche auch damit beschäftigen, was deine Wunschhochschule von anderen unterscheidet.
Nähe kann dabei vielleicht für dich vorteilhaft sein, spielt aber für die Hochschule wahrscheinlich eine eher untergeordnete Rolle. Hingegen eine bestimmte Vertiefung oder Schwerpunktsetzung kann schon überzeugender auf die Interviewpartnerin oder den Interviewpartner wirken. Auch dass einem Thema in den Modulen mehr Zeit als an anderen Hochschulen gewidmet wird, kann als nachvollziehbarer Grund anerkannt werden.
Aber auch hier gilt wie bei allen Tipps zu Bewerbungen, begrenze dich nicht auf unsere Vorschläge. Nimm sie als Anregung. Denn wenn mehrere Bewerber:innen dieselben Argumente verwenden, sind sie nicht mehr besonders.
Auch über News zum Thema des Studiengangs solltest du Bescheid wissen. Ist Medizin dein Ziel solltest du z.B. mit den Thematiken zur Gesundheitsfinanzierung aus Zeitungen, Zeitschriften oder Onlinemedien vertraut sein. Sam Lucy, Direktor des Zulassungsbüros für Cambridge Colleges, fasste es in einem Interview mal so zusammen: "Bewirbst du dich für Geowissenschaften und es hat eine Naturkatastrophe gegeben, würden wir erwarten, dass du etwas von diesem Ereignis mitbekommen hast."
Wieweit müssen Studieninteressierte bereits ihre beruflichen Absichten kennen?
Bei den Auswahlgesprächen für die Aufnahme an der Hochschule werden auch die beruflichen Ideen ins Visier genommen. Denn die Auswahl des Studiums beeinflusst ja auch den späteren beruflichen Fokus.
Bei bestimmten Studiengängen ist das Berufsziel schon relativ klar, z.B. beim Medizinstudium. Bei anderen ist die Varianz der Möglichkeiten wiederum so groß, dass es schwierig sein kann sich schon vor dem Studium festzulegen. Hinzu kommt, dass sich allein schon in den letzten Jahren berufliche Profile so stark gewandelt haben, dass auch für die nächsten Jahre nur begrenzt voraussagbar sein wird, wie die Zukunft der sich dem Studium anschließenden Berufsjahre aussehen wird.
Bestehen klare Vorstellungen über die beruflichen Pläne nach dem Studium, kannst du darüber berichten. An manchen Hochschulen punkten klare Storys.
Aber auch, wenn die berufliche Zukunft noch vage ausgeprägt ist, brauchst du nicht zögerlich sein. Manch einer möchte sogar die Entscheidung des Schwerpunktes oder der Spezialisierung erst in der Zeit des Studiums treffen, wenn schon Vorlesungen und Seminare besucht worden sind. Auch das muss nicht verschwiegen werden. In diesem Fall kannst du Neigungen erwähnen. Vielleicht kannst du damit sogar auch bisher gemachte Erfahrungen oder bestehendes Wissen in ein besseres Licht rücken.
Auch wenn die Richtung zu Beginn des Studiums noch nicht festgelegt ist, sollten Bewerber:innen nicht versäumen sich vor dem Gespräch über die aktuellen beruflichen Möglichkeiten zum Themenfeld des Studiums zu informieren. Ein Wunsch der Hochschulen ist es, falsche Vorstellungen der Studienneulinge zu vermeiden. Mit Kenntnissen über den beruflichen Fokus kannst du diesem Problem vorbeugen.
Und nicht vergessen: Kein Hochschulangehöriger und keine Hochschulangehörige erwarten, dass du mit der Aussage über deine beruflichen Interessen, deine Zukunft in Stein meißelst. Berufliche Absichten verändern sich mit den Erfahrungen des Studiums durchaus.
Wie belege ich meine Eignung?
Ein guter Hinweis auf Eignung können bereits deine Noten aus dem Erwerb von Hochschulreife (z.B. Abitur, fachgebundene Hochschulreife) oder Fachhochschulreife sein. Auch die Fachwahl beim Erwerb der Hochschulreife bzw. Fachhochschulreife kann Hinweise auf deine Eignung geben. Motivation steht hierbei in engem Zusammenhang mit der Eignung. Denn die Motivation regt uns an uns mit etwas zu beschäftigen, was wiederum unsere Eignung für ein bestimmtes Studienfach sichtbarer macht.
Zu den Eignungsmerkmalen für ein Studium gehören im Vordergrund:
Intelligenz
die Fähigkeit sich differenziert ausdrücken zu können
Leistungsbereitschaft
Fähigkeit zu sachlicher, begründeter Kritik
Fähigkeit zu angemessener Selbsteinschätzung
Interesse an allgemeiner, fachlicher Bildung
Interesse an politischen und gesellschaftlichen Fragen
Interesse an wissenschaftlichen Vorgehenseisen und Themen
Fähigkeit zur eigenständigen Organisation des Studiums
Originalität und Kreativität im Denken
Bereitschaft sich hohe Ziele zu setzen
Fleiß und Ausdauer beim Erbringen von Leistungen
positive Erfahrungen mit Prüfungen
hohe Belasbarkeit
Das mag jetzt viel klingen, aber einen Teil der Eigenschaften erfüllst du bereits damit, dass du die (Fach-)Hochschulreife erlangt und dich mit der Studienwahl auseinandergesetzt hast. Letzteres gilt natürlich nur, wenn du reflektiert und überlegt bei der Fachwahl vorgegangen bist, das Für und Wider sorgfältig abgewogen sowie Alternativen geprüft und verworfen hast und beim Auswahlgespräch dem Hochschulteam darüber berichten kannst. Die Fragen aus dem Abschnitt Motivation können dir dabei helfen.
Womit kann ich meine Eignung verbessern?
Eignung ist nicht festgelegt, sondern vielmehr entwickelt sich Persönlichkeit auch parallel zum Studienverlauf immerzu weiter. Es gibt aber Zusammenhänge: Wem z.B. Mathematik dauerhaft in der Schule schwer fiel, der könnte auch bei ingenieurwissenschaftlichen Fächern und Berufen Schwierigkeiten haben, besonders wenn sich ein Widerwille gegen den Umgang mit Zahlen entwickelt hat. Denn in ingenieurwissenschaftlichen Fächern geht es dauerhaft um komplizierte Berechnungen. Ähnlich könnte es bei Rechtswissenschaften ausfallen. Hier müssen große Mengen Text gewälzt und Begründungen formuliert werden. Wer das Lesen und Schreiben in der Schule nicht so mochte, tut sich mit einer solchen Studienwahl vielleicht keinen Gefallen.
Dennoch können sich Blockaden durchaus auflösen, wenn sich der Kontext oder gar die Motivation des Lernens verändert. Wird z.B. Sprache nicht mehr nur am Schreibtisch gelernt, sondern plötzlich nötiges Mittel zur Kommunikation vielleicht bei einem Aufenthalt in einem anderen Land, kann die sprachliche Entwicklung einen enormen Entwicklungsschub hinlegen. Ähnlich kann es auch bei Geschriebenem sein. Liebt eine Person Bilder, braucht aber zur Bebilderung eben einen passenden Text so kann sich die Fähigkeit knackige Texte zu formulieren aufgrund der erhöhten Motivation auch im Verlauf des Studiums oder sogar im Berufsleben noch entwickeln. Auch praktische Erfahrungen z.B. aus einem sozialen oder einem Auslandsjahr können die Bereitschaft zum Lernen völlig verändern.
Deshalb suchen die Hochschulangehörig:en in den Auswahlgesprächen auch nach Belegen für die Eignung. Ist eine Studienbewerber:in schon oft und auch für längere Zeit im Ausland unterwegs gewesen und bewirbt sich dann auf einen ähnlich gesinnten internationalen Master-Studiengang, passt das gut zusammen. Ähnliches gilt, wenn ein:e Studienbewerber:in für Medizin oder Psychologie schon die Praxis während eines freiwilligen sozialen Jahres kennenlernen konnte und so die Wartezeit auf einen Studiengang nutzte.
Leider hat aber nicht jede:r Studienkandidat:in, besonders bei Bewerbungen auf einen Bachelor oder anderen ersten berufsqualifizierenden Abschluss solche Erfahrungen vorzuweisen. Doch auch das brauchst du nicht hinterm Berg zu halten. Frage dich, welche Initiativen habe ich selbst bereits ergriffen, um Erfahrungen im Fachbereich zu sammeln.
Wenn du viele Bücher oder Fachzeitschriften zum Studienthema ließt, kannst du darüber erzählen und so gleichzeitig auch dein Wissen kundtun. Hattest oder hast du in deiner Freizeit viel Kontakt mit Kindern, kann das zum Beispiel beim Wunschziel Kinderarzt auf wichtige soziale Eigenschaften für den späteren Beruf hinweisen. Denn Kinder sind nicht immer leicht zu überzeugen, wenn es um medizinische Maßnahmen geht. Da kann ein gutes Händchen im Umgang mit ihnen, positive Eindrücke hinterlassen.
Ähnliches gilt auch für andere Freizeitaktivitäten und Interessen, die nicht direkt mit dem Studienthema verbunden sein müssen. Wenn du im Vordergrund eigentlich gerne mit Pferden zusammen bist, Basketball spielst oder schwimmst, kann es ja sein, dass du im Zusammenhang mit deinem Hobby z.B. Nachkömmlinge trainierst oder dich an der Vereinsarbeit beteiligst. So etwas kann Aufschluss über soziale Fähigkeiten geben, die vielleicht nicht direkt für das Studium, aber für spätere Team- und Managementfähigkeiten im Beruf wesentlich sind.
Was kann ich tun, wenn es mir an Eignung fehlt?
Hierbei ist erwähnenswert, dass das Thema Auswahlgespräche durchaus auch in der Kritik steht, eben zum Beispiel beim Thema praktische Erfahrungen. Denn abhängig vom Elternhaus, können die Chancen von Kindern, Jungendlichen und jungen Erwachsenen sehr unterschiedlich ausfallen, was das Sammeln von praktischen Erfahrungen angeht.
Während der eine Nachkömmling vielleicht viel Unterstützung finanzieller oder auch sozialer Art erhält, stehen manchen anderen jungen Menschen, diese Angebote nicht offen. Entsprechend kann ein:e Bewerber:in eben schon ein soziales Jahr vielleicht sogar im Ausland gemacht oder Erfahrungen in der beruflichen Umgebung gesammelt haben, während es für einen anderen Bewerber oder eine andere Bewerberin nicht möglich war. Zum Teil weil dafür schlicht die finanzielle Grundlage fehlt oder eben auch das nötige Vitamin B (Abk. für Beziehungen & soziale Kontakte).
Beschäftige dich also auf die Art und Weise wie es dir möglich ist mit dem Studienthema und kommuniziere es gegebenenfalls auch. Stelle dich in ein gutes Licht und überzeuge mit deinen Aktivitäten im Rahmen deiner Möglichkeiten.
Sei im Zusammenhang mit der Eignung aber auch auf knifflige Fragen dieser Art vorbereitet: Ein Studienbewerber oder eine Studienbewerberin konnte sich mit überzeugenden Gründen erfolgreich auf ein sprachliches Fach bewerben, in Sprachen aber bisher nur mäßige Noten vorweisen. Bei der Ladung zu einem Auswahlgespräch wird die oder der Studieninteressierte dann gefragt, wie sie oder er die Sprachanforderungen des Studiums zu meistern gedenkt. Lege dir hierfür einen Plan bereit, wie du die Lücke schließen kannst.
4. Worauf sollte ich im Gespräch achten?
Auswahlgespräche finden häufig dort Anwendung, wo es darum geht neben dem für das Studium relevanten Wissen, auch mehr darüber zu erfahren, wie sich die Studienbewerber:innen im Gespräch verhalten. Frank Jacob von der Wirtschaftshochschule ESCP Europe rät in einem PDF mit 10 Tipps zum Auswahlgespräch: „Seien Sie Sie selbst: Geben Sie nicht vor, ein anderer zu sein. So sind Sie authentisch.“
Aber wie schaffst du es in einer Situation wie dem Auswahlgespräch du selbst zu sein, wo man doch den Hochschulangehörigen oder die Hochschulangehörige von den eigenen Qualitäten möglichst gut überzeugen möchte?
Auch im alltäglichen Leben verhalten wir uns nicht überall gleich, obwohl wir ein und dieselbe Person sind. Während wir flüchtige Bekannte mit einem zugeworfenen Hallo begrüßen, geben wir älteren Verwandten brav die Hand und mit engen Freunden teilen wir vielleicht sogar Wangenküsschen aus oder umarmen uns. Sind wir bei uns zuhause, fläzen wir uns manchmal gern auf das Sofa und lauschen der Musik, während wir zu Besuch bei Verwandten aufrecht sitzen und zuhören oder aktiv am Gespräch teilnehmen.
Wir können in unterschiedlichen Umgebungen verschieden agieren und bleiben trotzdem ein und dieselbe Persönlichkeit. Also: bleib du selbst, während du deine eigene Persönlichkeit in ein gutes Licht rückst und sei dir sicher, du schaffst auch diese Hürde.
Blickkontakt und Gesprächigkeit
So gibt es auch für das Auswahlgespräch ein paar soziale Grundregeln: Bewerber:innen sollten im Gespräch eine aktive Rolle übernehmen. Dazu gehört bei Beginn des Gesprächs eine angemessene Begrüßung. Wenn es die Situation des Auswahlgesprächs anbietet, ist es sinnvoll den Interviewpartner:innen die Hand zu geben und sich mit Namen vorzustellen, rät Jacob von der ESCP Europe. „Schauen Sie ihren Gesprächspartnern in die Augen.“ Erwidern die Jurymitglieder ihre Namen, ist es ratsam sich diese zu merken.
Ein aufmerksamer Blick hilft auf stille, aber wichtige Anzeichen seines Gesprächspartner reagieren zu können
Kurzantworten sollten vermieden werden. Wenn ein:e Studieninteressierte:r immer nur knapp mit wenigen Worten auf Fragen von Seiten der Hochschulvertretung antwortet, entsteht schnell der Eindruck, dass der Person alles aus der Nase gezogen werden muss oder sie nicht gut über sich erzählen kann. Die Hochschulmitglieder wiederum erfahren auch nicht genug über die Person um eine ausreichende Aussage über deren Motivation treffen zu können.
Also sprich, aber achte dabei auch auf Pausen in denen dein:e Interviewpartner:in Gelegenheit bekommt, weitere oder vertiefende Fragen zu stellen. Nicht enden wollende Monologe sind das andere Extrem, das du vermeiden solltest. Halte beim Sprechen Blickkontakt, dann bemerkst du die Aufmerksamkeit deines Gesprächspartners oder deiner Gesprächspartnerin und kannst darauf reagieren.
Es ist nicht für jede:n Studieninteressierte:n leicht diese Gepflogenheiten spontan umzusetzen und dabei gleichzeitig über die eigene Motivation für den Studiengang zu sprechen. Vielleicht gehörst du zu den eher stilleren Personen oder es gibt in deiner Umgebung nur wenig persönliche Kontakte. Wenn du zu deinem Wunschstudium nur ein Auswahlgespräch führst, dann fange vor dem Interview an auf deinen sozialen Umgang zu achten. Bieten sich Eltern oder Freunde an, ist das natürlich eine gute Möglichkeit mit ihnen die Situation eines Auswahlgesprächs zu proben.
Sind Freunde oder Familie nicht als Übungspartner geeignet, finden sich im Alltag aber immer Personen mit denen man freundlich in kurze Gespräche kommen kann, z.B. beim Einkaufen oder morgendlichen Brötchen holen. Dabei kannst du ausprobieren den Blickkontakt zu halten oder auch statt mit Knappheit mit ausgewogenen Antworten auf Fragen zu antworten.
Auch beim Thema „weiche Faktoren" greift die Kritik an Auswahlgesprächen an. Je nach Elternhaus können soziale Eigenschaften bei jungen Menschen unterschiedlich stark ausgebildet sein. Das heißt nicht, dass keine Entwicklung mehr möglich sei. Dennoch fällt es vielleicht jemandem, der Gespräche aufgrund eines großen freundlichen Familienumfelds schon sehr gewohnt ist, leichter auch im Bewerbungsgespräch klare Gedanken zu behalten, als einem jungen Menschen, der in einem sozialem Umfeld aufgewachsen ist, wo die Eltern das Kind wenig unterstützen können, weil auch ihnen z.B. erschöpft vom täglichen Job nur wenig Zeit für gemeinsame Erlebnisse bleibt.
Ohne Irritation wiederholen
Immer wieder kommt es vor, dass Fragen gestellt werden, auf die du schon im Motivationsschreiben oder deiner Bewerbung eingegangen bist. Verweise in solch einem Fall nicht auf deine Bewerbung, sondern beantworte die Frage brav ein zweites Mal. Mit dem Motivationsschreiben hast du es zu den Auswahlgesprächen geschafft. Nun bist du in einer neuen Runde dem Ziel etwas näher und es gilt wieder ein oder mehrere Hochschulmitglied(er) von deiner Studieneignung zu überzeugen. Zu knappe oder verweigernde Aussagen können einen vorher positiven Eindruck von Bewerber:innen schnell ins Gegenteil kehren.
Vielfach werden Bewerber:innen auch gebeten, sich kurz vorzustellen. Dabei dürfen durchaus auch Informationen wiedergegeben werden, die in der Bewerbung oder im Motivationsschreiben schon erwähnt wurden.
5. Wie begegne ich kniffligen Fragen?
In Auswahlgesprächen stehen die Hochschulangehörigen den Interviewpartner:innen in der Regel wohlwollend gegenüber. Aber hin und wieder werden doch auch knifflige oder gar unfreundliche Fragen gestellt.
Die Zielsetzungen solcher Fragen können sehr verschieden sein. In manchen Interviews zielen sie auf das Erkennen der geistigen Beweglichkeit ab. In anderen Situationen sollen sie die emotionale Stabilität der Interviewpartner:in testen. Lass dich im besten Fall von unangenehm oder gar harsch formulierten Fragen nicht provozieren. Versuche der Frage eine positive Wendung zu geben. Und wenn Fragen weit über das Studienthema ins Persönliche hinaus gehen, solltest du dich fragen, ob deine Interviewpartner:in herausfinden will, wo du deine Grenzen setzt und wie du das tust. Vielleicht schaffst du es das Thema dann geschickt umzulenken. Sollte dir eine Frage zu übergriffig sein, sei dir bewusst: Du hast das Recht das zu sagen und deine Grenzen zu zeigen. Allerdings reagiert nicht jede:r Gesprächspartner:in respektvoll, dessen musst du dir leider auch bewusst sein.
Gern als Frage gestellt wird, warum der oder die Studienbewerber:in ein geeignete:r Kandidat:in für den Studiengang sei. In diesem Fall kannst du nochmal zusammenfassen, was du schon erzählt hast oder was du gern noch über dich preisgeben möchtest. Doch auch hier ist Vorsicht geboten in der Länge, besonders wenn am Gespräch gleichzeitig mehrere Studienbewerber:innen beteiligt sind. Hast du das Gefühl, dass das Auswahlgespräch sehr straff und knapp gehalten ist, bietet es sich an kurze Antworten zu geben, damit du nicht plötzlich unterbrochen wirst ohne alles gewollte gesagt zu haben. Wenn du das Gefühl hast, ausführlich antworten zu können, dann werden statt knapper Stichworte ausgewogene Antworten gebraucht.
Kannst du eine Frage nicht beantworten, nimm einen tiefen Atemzug und stelle helfende Fragen. "Wir können dich ein bisschen mit Informationen füttern, die vielleicht helfen. Menschen, die in eine Sackgasse geraten sind, lenken wir wieder hinaus," antwortete der Professor für Geowissenschaften in Oxford, Conall MacNiocaill, in einem Interview des Guardian zu dieser Situation.
Auch bei Fehlern sollte man nicht nervös werden. "Etwas, was wir gerne sehen, ist die Fähigkeit, deine Fehler zu erkennen, sich zurückzulehnen und sie zu korrigieren", äußert Sam Lucy von Cambridge Colleges im selben Interview.
6. Auf welche Fragen sollte ich vorbereitet sein?
Die Themenvielfalt in Auswahlgesprächen ist so groß, wie das Angebot der Studiengänge selbst. Zum Teil werden vor der Ladung zum Auswahlgespräch bereits Eignungstests voraus gesetzt und dabei schon ein Teil des Wissens der Bewerber:innen erfasst.
Für grundständige Studiengänge ist es wichtig die aktuelle Presse mit Blick auf den Studiengang zu lesen. Bewirbst du dich für Medienwissenschaften, solltest du dich schlau machen, was medienpolitisch gerade diskutiert wird. Bewirbst du dich für Medizin, solltest du Kenntnisse über Gesundheitsreformen und deren Auswirkungen besitzen. Und interessierst du dich für internationale Politik, solltest du wissen, was gerade in der EU oder weltpolitisch diskutiert wird.
Im Master ist es anders: Hier werden auch solide Fachkenntnisse aus dem Vorstudium vorausgesetzt und auch das Thema der Bachelor-Arbeit angesprochen. Dabei solltest du darauf achten, dass das Thema nicht nur vorgegeben war, sondern auch aus deinem eigenen Interesse behandelt wurde. Einige Professor:innen freuen sich auch, wenn du eigene Wünsche und Vorstellungen an den Studiengang äußerst.
7. Wie sollte ich mich kleiden?
Kleide dich nicht zu zwanglos, aber auch nicht so, dass du dich aufgestylt fühlst.
In Sachen Dresscode kommt es darauf an, wofür du dich bewirbst. Eingeladene Bewerber:innen sollten sich wohl fühlen in ihrer Kleidung. Sie darf leicht schicker sein als im Alltag. Zu starke Freizügigkeit sollte vermieden werden.
Formale Kleidung, wie Anzug und Krawatte, sind nur bei wenigen Studiengängen – bevorzugt Business Master – gängig. „Wählen Sie den Kleidungsstil der Ihrer Persönlichkeit entspricht, den Sie aber selbst von einem Kandidaten erwarten würden,“ rät Jacob von der ESCP Europe.
Lucy von Cambridge Colleges empfiehlt bei Kleidung: „Kleide dich nicht so schick, dass du dich richtig aufgestylt fühlst, aber auch nicht so zwanglos, dass deine Mutter dich nicht aus dem Haus lassen würde.“
8. Was passiert nach dem Gespräch?
Die Auswahl der Bewerber:innen unterscheidet sich von Hochschule zu Hochschule. In manchen Fällen werden die Auserwählten bereits im Gespräch darüber informiert. In anderen Fällen werden je nach Motivation und Eignung Punkte vergeben, die wiederum in eine Gesamtwertung der zum Auswahlgespräch geladenen Bewerber:innen einfließen. Mit gelungenen Auswahlgesprächen können Studienbewerber:innen ihre Chancen auf den Wunschstudienplatz verbessern. Normalerweise erfährst du einige Wochen nach dem Gespräch, ob es geklappt hat.
9. Soll auch nicht fehlen: Kritik an Auswahlgesprächen
Wenn Hochschulen ausschließlich auf Auswahlgespräche setzen, gibt es eine Benachteiligung von Studienbewerber:innen aus bildungsfernen oder weniger finanzstarken Elternhäusern. Das vermehrte Einsetzen dieses Instrumentariums für die Studierendenauswahl ist von der Gefahr begleitet, dass „es eine noch größere Koppelung von sozialer Herkunft und Bildungserfolg geben wird,“ erwähnte bspw. Heinz-Peter Meindinger während einer Tagung zu hochschulischen Strategien.
Je nach sozialem Umfeld können Selbstbewusstsein sowie die Fähigkeit sich in Sprache auszudrücken verschieden ausgebildet sein. Möglichkeiten zu Praktika, Auslandsaufenthalten und Zusatzqualifikationen variieren auch abhängig vom Elternhaus.
Doch nicht nur die eigene Vergangenheit und das Umfeld spielen eine Rolle, sondern auch Themen wie Krankheiten. Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen, Depressionen anderen psychischen oder auch physischen Krankheiten können benachteiligt werden, wenn besonders auf soziale Fähigkeiten in Stresssituationen, wie es ein Auswahlgespräch darstellen kann, geachtet wird.
Infos & Quellen
Studis Online
- Zulassungsbeschränkte Studiengänge: Wie der NC zustande kommt
- Wie sag ich’s nur? – Motivationsschreiben für Masterstudium oder Bachelor
- Bildungstrichter: Studium und soziale Herkunft
Quellen
- Studienberatung FU Berlin: Erfolg und Präsentation im Auswahlgespräch
- Profil und Passung: Studierendenauswahl in einem differenzierten Hochschulsystem
- Bodewits, Hauk, Gramlich: Karriereführer für Naturwissenschaftlerinnen
- Interview zu Bewerbungsgesprächen im Guardian
Hinweis: Dieser Artikel wird immer wieder überarbeitet und ergänzt, zuletzt am oben angegebenen Datum.