Als đ Hase oder đŠ Igel studieren?Schnelles fokussiertes vs. breites fundiertes Studium
Stellen wir uns folgendes Szenario vor: Eine Studentin möchte Ărztin werden, sieht sich aber weder in einer deutschen Klinik noch in einer Praxisniederlassung. Sie möchte zu 'Ărzte ohne Grenzen', damit sie im Ausland dort tĂ€tig sein kann, wo akute Mangelversorgung herrscht. Wie ginge eine solche Studentin am besten vor? BrĂ€uchte sie eher ein âHasestudiumâ oder âIgelstudiumâ, um im Bild eines bekannten MĂ€rchens der GebrĂŒder Grimm zu bleiben?
In dem MĂ€rchen âDer Hase und der Igelâ kommt es zu einem Wettrennen zwischen einem Hasen und einem Igel. Der siegessichere Hase stĂŒrmt sogleich los, wird aber durch die List des Igels besiegt, der vor dem Rennen seine Igelfrau am Ende des Feldes positioniert hat. Jedes Mal, wenn der Hase abgehetzt das Ziel erreicht, steht einer der beiden Igel bereits dort und sagt: âIch bin schon da!â Der Hase ist zwar stets der Erste, erkennt die Strategie der kooperierenden Igel jedoch nicht und verliert letztlich das Rennen.
Mit dem Bild dieser Fabel gesprochen: Sollte die angehende Ărztin ihr Studium besser fokussiert âdurchziehenâ oder es dem Igel gleichtun, der sich lieber vorneweg ĂŒberlegte, wie er das Ziel am besten erreichen könnte â auch ĂŒber Umwege oder kleine Tricks?
Breit aufgestellt, vorausblickend oder zĂŒgig und abkĂŒrzend â was passt am besten?
Holger Walther, Psychologe der psychologischen Studienberatung der Humboldt UniversitĂ€t Berlin, rĂ€t stets zu einer gut abgewogenen Entscheidung: âDie Studentin brĂ€uchte in jedem Fall zunĂ€chst eine fundierte Studienberatung an einer Hochschule, um sich fĂŒr einen gangbaren Weg zu entscheidenâ, sagt Walther im GesprĂ€ch mit Studis Online.
âEs könnte sein, dass man ihr rĂ€t, am besten zĂŒgig durch das Studium zu kommen, aber ebenso denkbar ist, dass man sie auf die hohen Anforderungen bei 'Ărzte ohne Grenzen' hinweist. Beispielsweise Sprachkenntnisse oder Auslandsaufenthalte scheinen fĂŒr die globale Ărzteorganisation unverzichtbar. âDas hieĂe wiederum, dass sich die Studentin Zeit lassen mĂŒsste, um wichtige Qualifikationen abseits des Abschlusses mitzunehmenâ, gibt der Diplom-Psychologe zu bedenken.
Guter Rat ist nicht immer teuer â und viel wert!
Da die Frage nach der ârichtigenâ Studierweise vom Menschentyp und der Berufswahl abhĂ€ngt â und bekanntlich viele Wege nach Rom fĂŒhren â könne die richtige Beratung den Ausschlag geben. Ob man auch mit einem BWL- oder der Psychologiestudium zu âĂrzte ohne Grenzenâ komme, kann der Psychologe zwar nicht eindeutig beantworten â aber hierfĂŒr sind ihm zufolge das Hochschulteam der Arbeitsagentur oder auch der Career Service einer UniversitĂ€t die Anlaufstellen der Wahl. âAuch die Organisation selbst oder der Berufsverband des Wunscharbeitgebers sind gute Ansprechpartnerâ, sagt Walther.
âIn der Psychologie und in der Politik ist es zum Beispiel immer gut, wenn wĂ€hrend des Studiums ehrenamtliche Arbeit, Zivildienst oder ein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert wurde. Solche StudentInnen sollten möglichst grĂŒndlich voranschreiten. So sieht der Arbeitgeber auf einen Blick, dass ein Bewerber immer schon mit Menschen arbeiten wollte â und nicht nur an Statistik gescheitert istâ, verdeutlicht Walther mit einem Augenzwinkern.
âDen klassischen Igel und Hasen gibt es nichtâ
Walther selbst kenne zwar keinen klassischen Hase- noch den Igeltyp unter den Studierenden, kann sich jedoch vorstellen, dass solche Studierende keine Beratung in Anspruch nehmen wĂŒrden.
Auch Dr. Stefan Petri, Leiter der Zentraleinrichtung Studienberatung und Psychologische Beratung der Freien UniversitĂ€t Berlin, wĂŒrde Studientypen nicht rigoros in zwei Persönlichkeiten mit den Merkmalen âschnellâ oder ârundumblickendâ einteilen. âEs gibt sicherlich Studierende, die genau darauf achten, möglichst effizient und abkĂŒrzend durch ihr Studium zu gehen. Und andere, die sich eher verzetteln â im guten Sinne verzetteln, weil sie breites Interesse zeigen und viele Dinge gleichzeitig tun â aber es gibt noch viele weitere Studientypen.â
Studierende, die zum Rundumblick neigen, wĂŒrden erfahrungsgemÀà öfter mal ihr Haupt- oder Nebenfach wechseln. âSie testen verschiedene Kombinationen aus, weil sie viele unterschiedliche Interessen zeigen und vieles gleichzeitig tunâ, veranschaulicht Dr. Petri diese Art zu studieren. Damit können sich Studierende aber möglicherweise fĂŒr bestimmte Berufe qualifizieren, die gerade einen Rundumblick mit breitem, fundiertem Wissen und diversen Zusatzqualifikationen erfordern.
Das sagen Experten zu âSchnellstudiumâ versus âRundumblickâ
Zudem ist die Art und Weise, wie ein Mensch studiert, Dr. Petri zufolge gar nicht einmal nur eine Typenfrage. âEs kommt eben oft auch auf die individuellen LebensumstĂ€nde an. Nehmen wir Menschen, die erst spĂ€t ihren Weg finden â sie können aufgrund von Finanzierung, Familie oder BerufstĂ€tigkeit nicht beliebig das Nebenfach wechseln.â Stattdessen versuchen Menschen in begrenzenden LebensumstĂ€nden, möglichst zielgerichtet zu studieren. Viele mĂŒssen schnell studieren, da ihnen die Zeit im Nacken sitzt und einige wollen dies, weil sie als SpĂ€tstudierende klare Ziele vor Augen haben.
âManche Studenten möchten zudem dem Ă€uĂeren Anspruch von Eltern, Freunden oder gar kĂŒnftigen Arbeitgebern gerecht werden.â Sie glauben zuweilen, dass der Arbeitsmarkt sogenannte âSchnellstudentenâ bevorzugt. Doch das sei ein Trugschluss, glaubt Dr. Petri von der zentralen Studienberatung der FU: âIch empfehle solchen Studierenden, einmal selbst zu recherchieren, was Personalentscheider ihres Berufsfelds fordern. Manchmal ist ein Schnellstudium sogar hinderlich, wenn Auslandserfahrung, Praxiserfahrung oder NebentĂ€tigkeiten gesucht werden. Ganz zu schweigen vom beruflichen Netzwerk fĂŒr angehende Politiker oder PR-Mitarbeiterâ, gibt Petri zu bedenken. In Personalsituationen komme es im Prinzip nur auf ĂŒberzeugende ErklĂ€rungen fĂŒr lĂ€ngere Studienzeiten an â die bei FamiliengrĂŒndung oder begleitender BerufstĂ€tigkeit auf der Hand lĂ€gen.
âWichtig ist bei breit aufgestellten Studierenden immer die Art des Leidensdrucks. Manche neigen dazu, parallel an mehreren Hausarbeiten gleichzeitig zu schreiben und keine abzugeben.â FĂŒr ihn stelle sich dabei die Frage, ob ein innerer oder Ă€uĂerer Leidensdruck fĂŒr ein zĂŒgiges Studium sprechen. Sei es, weil sie endlich ânach vorneâ kommen wollen oder Ă€uĂere Gegebenheiten dafĂŒr vorliegen. Bereits einfache Tipps von der Studienberatung wĂŒrden helfen, das Studium voranzubringen oder den Abschluss in Angriff zu nehmen.
DafĂŒr benötige der Student jedoch zunĂ€chst, wie es Holger Walther von der HU-Studienberatung betont, ein triftiges Argument. Nur dann können sie die Haltung fĂŒr ein zĂŒgiges Studium verinnerlichen: âWenn es eine Strategie wĂ€re, zĂŒgig durch's Studium zu wollen, muss es einen wichtigen Grund dafĂŒr geben. Der Mensch muss felsenfest denken: âIch will zĂŒgig durchs Studium â und nicht andersâ. Andernfalls wĂŒrden sich Studierende fĂŒr einzelne Scheine oder PrĂŒfungen automatisch mehr Zeit lassen.
Wie aber möglichst zĂŒgig ans Ziel kommen?
Wie geht nun ein Informatiker vor, der nur noch âdiesen Wischâ braucht, um beim Arbeitgeber anzufangen? Oder eine Person, die nur noch ein Semester BAföG erhĂ€lt, aber noch drei Semester vor sich hat? Und was soll jemand tun, der seine Arbeit in drei Wochen abgeben muss â und noch mittendrin steckt?
Hier muss Studienberater Holger Walther zufolge zunĂ€chst abgewogen werden, ob es Fakten gibt, die das Ganze entzerren. âWenn sich herausstellt, dass jemand wegen einer psychischen Erkrankung kaum studierfĂ€hig war, können wir das dem BAföG-Amt gegenĂŒber ins Feld fĂŒhren â wenn es Dokumente ĂŒber Arztbesuche oder Ă€hnliches gibt.â Auch, wenn eine VerlĂ€ngerung fĂŒr eine Hausarbeit benötigt wird, sollte man zunĂ€chst ein GesprĂ€ch mit dem Betreuenden suchen.
Wenn nun aber jemand wirklich zĂŒgig muss, weil die Frist ablĂ€uft oder weil ein Arbeitgeber ihm bereits eine Anstellung ermöglicht? Dann geht es dem Experten zufolge schlicht darum, die PrioritĂ€ten festzulegen: âMein norddeutsches Wort dafĂŒr ist: Stöpseln Sie etwas zusammen!â, bringt es Walther humorvoll auf den Punkt.
Schnell studieren: Die AnsprĂŒche herunterschrauben und nicht ânach rechts und links schauenâ
Das bedeute, nicht nach rechts und links zu sehen und sich auch nicht permanent durch Gedanken unter Druck zu setzen wie: Was denken die PrĂŒfer ĂŒber meine schlechte Leistung? Wie soll ich nun zeigen, was ich drauf habe? âIch verdeutliche Studierenden dann, dass sie das Gut-sein-Wollen jetzt einfach ĂŒber Bord werfen mĂŒssen â weil es eine ganze Menge fĂŒr sie bedeutet, ĂŒberhaupt etwas abzugeben. AuĂerdem denken die PrĂŒfer sowieso gar nichts ĂŒber Studierende, auch nicht, wenn sie nichts abgebenâ, sagt der HU-Psychologe.
âIm GesprĂ€ch rĂ€umen wir auch andere AnsprĂŒche aus dem Weg, etwa Perfektionismus. Zuletzt schauen wir nach konkreten Arbeitsstrategien, um die Abschlussarbeit zĂŒgig abzuwickeln.â FĂŒr viele sei es etwas Neues, zunĂ€chst etwas ins Unreine zu schreiben oder zu sprechen. âEs geht im Notfall darum, zunĂ€chst einen handschriftlichen Entwurf zu verfassen oder etwas ins DiktiergerĂ€t oder heute ins Handy zu sprechen. Manche sagen nĂ€mlich: Wenn ich es einer Freundin erzĂ€hle oder auf ein Blatt Papier schreibe, weiĂ ich genau, was da hinein gehört und wie die Gliederung sein sollte.â Solche Techniken hĂ€tten dem Psychologen zufolge bereits vielen Studierenden unter Zeitdruck geholfen.
Studieren mit EinschrĂ€nkungen â wie gelingt's?
Am besten gelingt das Studium fĂŒr hochbegabte und eingeschrĂ€nkte Studenten hingegen, wenn sich ZĂŒgige mit ZĂŒgigen und GrĂŒndliche mit GrĂŒndlichen zusammentun. Psychologe Walther drĂŒckt das Problem von Hochbegabten folgendermaĂen aus: âDie Hochbegabten werden oft missverstanden, weil sie zu solchen Hirnleistungen fĂ€hig sind, dass andere denken: Was redet er oder sie fĂŒr einen Quatsch?â FĂŒr solche Studierenden ist es bedeutsam, sich mit anderen Schnellen und Spezialisierten zusammenzutun â damit sie nicht an ihrer Umgebung scheitern. Ăhnlich Begabte können den LösungsvorschlĂ€gen schneller folgen.
Infos zur Autorin
Maria Köpf studierte Germanistik und Judaistik an der Freien UniversitĂ€t Berlin. Sie lebte je ein halbes Jahr in Israel und Spanien. Seit einigen Jahren verbindet sie mit den abgeschlossenen Studien und Ausbildungen Journalismus und Medizin und schreibt heute als freie Journalistin vor allem fĂŒr medizinische Fachzeitschriften und Magazine.
mariakoepf.com
Studierende mit BeeintrĂ€chtigung tun sich allerdings keinen Gefallen, wenn sie mit anderen mithalten wollen oder sich durch die Korrelation von der Regelstudienzeit und dem BAföG unter Druck setzten. âWir sagen ihnen gerne: Vergleichen Sie sich mit ebenfalls Ă€hnlich entschleunigten Studierendenâ, weiĂ Holger Walther. âDiejenigen, die nicht im Rollstuhl sitzen, sind nun einmal schneller zu FuĂ. Vorab in eine Behinderungsberatung zu gehen hilft, entschĂ€rfende Studienbedingungen zu kennenâ, berichtet Holger Walther aus der Praxis.
Beispielsweise der Nachteilsausgleich durch Zeitausgleich bei PrĂŒfungen oder besondere LesegerĂ€te bei einer Sehbehinderung sollen diesen Studenten helfen. âDer Student darf sagen: âIch habe ein Recht auf ein Studium, aber an dieser Stelle funktioniert es nicht.â Etwa wenn jemand stark dĂ€mpfende Medikamente einnimmt und sich dadurch schlecht in PrĂŒfungen konzentrieren könne, weiĂ Walther aus Erfahrung.
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