Wenn die Informationsflut im Studium zu viel wirdWas tun bei Reizüberflutung?
Reizüberflutung überwinden
Kennt ihr das? Ihr wollt nur kurz die E-Mails prüfen – und schon müsst ihr euch durch mindestens fünf Werbeemails arbeiten, von denen eine die Aufmerksamkeit so lange bündelt, dass euch hinterher wieder 10 Minuten fehlen?
Reizüberflutung scheint ein Stiefkind unserer Zeit zu sein, in der die zunehmende Digitalisierung, Verstädterung und Globalisierung uns zwingt, Mechanismen zu erlernen, um die Flut an Reizen zu bewältigen. Gerade im Studium kannst du bereits Techniken erlernen, um mit vielen Reizen besser umzugehen.
Kurz zur Struktur dieses Textes:
In Teil A erhältst du einen kurzen Überblick über den Forschungsstand und über die verschiedenen Formen der permanenten „digitalen Ablenkung“. In Teil B geben wir dir ganz konkrete Tipps an die Hand, die dir helfen können, dich weniger überflutet von Informationen zu fühlen.
TEIL A: Forschungsstand
Welche Reize können dein Gehirn belasten?
Der Begriff „sensory overload“ (engl. für Reizüberflutung) erzielt bei Pubmed nach wie vor wenige Treffer. Genau genommen befinden sich Studien zur Reizüberflutung im Kontext mental-psychischer Störungen noch in den Kinderschuhen. Dennoch beschäftigten sich zwei Studien genauer mit dem Phänomen.
Unter Sozialkognition verstehen Psychologen und Psychiater die Möglichkeit, dass Onlineinformationen soziale Prozesse im Alltag der Lesenden beeinflussen.
Eine Hypothese im Magazin „World Psychiatry“ im Juni 2019 legt nahe, dass sich unsere Hirnstrukturen tatsächlich durch konstante Informationen ändern können. So reduziert ständige Onlineinformation gemäß Joseph Firth et al. möglicherweise die Erinnerungsfähigkeit, Aufmerksamkeitsspanne und Sozialkognition eines Menschen. Offenbar werden diese Arten der Kognition sowohl akut als auch anhaltend beeinflusst.
Ein anderes Forschungsexperiment deutet an, dass ein Smartphone bereits geistige Energie verringert, wenn es lediglich ausgeschaltet (!) in erreichbarer Nähe liegt. Dieser Effekt beruhe darauf, dass die bloße Anwesenheit des Gerätes und das permanente Unterdrücken der Versuchung, nach neuen Nachrichten zu schauen, die verfügbare kognitive Kapazität reduziert.
Was aber steckt hinter der Informationsflut?
Das Phänomen ist nicht neu. Hinzu kommt, dass viele den Onlinemedien nicht nur mehr Konzentration schenken müssen, sondern auch um Aufmerksamkeit aus dem Netz auf Insta & Co. „buhlen“. Das Internet verlangt heute zunehmend Konzentration, die Vielzahl an Informationen aufzunehmen und relevante von weniger relevanten Daten zu trennen. Zusätzlich erfordern digitale Medien auch Konzentration dafür, die Aufmerksamkeit anderer auf sich selbst zu lenken.
Jüngere Menschen definieren sich zunehmend nach der Anzahl ihrer Likes, Friends, Follower und Kommentare. Das muss nicht immer gleich ins Absurde abdriften, jedes Detail der realen Welt sofort mit dem Smartphone festzuhalten. Eine Person, die von anderen im Internet gesehen werden will, benötigt nicht nur Zeit, den eigenen Feed zu füttern, sondern auch Energie, möglicherweise negative oder ausbleibende Kommentare emotional zu „verdauen“.
Für viele sind Onlinemedien aber schlicht und ergreifend notwendig, um eine datenbasierte Recherche durchzuführen oder die Korrespondenz abzuwickeln. Beispielsweise erhalten Berufstätige in Deutschland 21 E-Mails täglich, so eine Repräsentativbefragung der Bitcom im Juli 2018. Die wachsende Zahl an Onlinehändlern führt dazu, dass viele Shopper hinterher unerwünschte Marketingmails erhalten. Sei es einen regelmäßig eintreffenden Newsletter oder eine Bitte um eine Produktbewertung. Zudem erledigen wir bei vielen täglichen Absprachen mittels Telefon, Smartphone, Videocall via Zoom, MS Teams und Messengern.
Diese Beispiele verdeutlichen: Die Welt ist eine schnelllebige geworden. Wer bemerkt, dass ihm das nicht gut tut, sollte deswegen beginnen, geschickt gegenzulenken.
TEIL B: Was tun?
Der Reizüberflutung ein Schnippchen schlagen
Zunächst ist es einmal gut sich bewusst zu machen, wie viel Konzentration man auf das Erhalten von Informationen aus digitalen Medien verwenden will (oder muss) und wie viel Konzentration man darauf verwenden möchte, Aufmerksamkeit anderer zu erhalten.
Infos zur Autorin
Maria Köpf studierte Germanistik und Judaistik an der Freien Universität Berlin. Sie lebte je ein halbes Jahr in Israel und Spanien. Seit einigen Jahren verbindet sie mit den abgeschlossenen Studien und Ausbildungen Journalismus und Medizin und schreibt heute als freie Journalistin vor allem für medizinische Fachzeitschriften und Magazine.
mariakoepf.com
Frag dich einmal kurz, ob du dich eher zu den extrovertierten oder introvertierten Persönlichkeiten rechnen würdest. Introvertierte Menschen ziehen weniger Energie daraus, ständig in einem Netzwerk aktiv zu sein.
Auch Menschen, die eher verträumt und vergesslich sind, kostet es mehr Kraft, ihre Aufmerksamkeit auf viele Eindrücke und Dinge zu richten. Weniger ist mehr, wie es so schön heißt.
Natürlich gibt es auch Mischformen und selbstverständlich profitierst du auch von einem Blick in dein Netzwerk. Dennoch solltest du dich fragen, wie viel Zeit und Energie du durch die Beschäftigung mit einer Flut an Informationen verwenden möchtest.
Artikeltipp: Lernen ohne verplant zu sein – Zeitmanagement fürs Studium
Auch eine Planung deines Unitages kann dir helfen, fokussiert zu bleiben, indem du Zeiten fürs Lernen blockst. Auf Apps Rumdaddeln, Social Media Feeds checken und füttern oder Mails bearbeiten ... das bekommt dann andere eingeplante Zeitfenster. Mehr zum Zeitmanagement findest du im Artikel. weiter
Folgende Tipps können gegen digitale Reizüberflutung helfen
Sich selbst beobachten
Du bist förmlich „süchtig“ nach Wissen und verfolgst täglich Stunden die News oder Internetportale? Wenn dich Push-Up-Nachrichten zum Feed deines Instagram-Kontakts erreicht, musst du ihn einfach lesen? Du liebst Candy Crush Saga und andere Games? Sei ehrlich zu dir, aber auch nicht zu abwertend dir selbst gegenüber. Neugierde und Wissensdurst sind Eigenschaften, die du im Studium nutzen kannst. Aber kenne dein Limit und vermeide Ablenkung und Aufschieberitis. Dein Gehirn wird dadurch dauerhaft konzentrierter und du wirst weniger reizbar.Sich selbst mehr wertschätzen
Du genießt es, täglich lange auf Instagram, Facebook, Pinterest, Twitter, Blogs und Vlogs deine persönlichen Favoritenprofile und Markenartikel zu verfolgen? Dein Lieblingsvlog, Fan-Blog oder Lieblingskanal gibt dir so viel Kraft, Inspiration und Freude? Es ist immer gut, sich von anderen Vorbildern inspirieren zu lassen. Aber frag dich auch einmal, ob du dich selbst genügend schätzt. Falls das nicht so ist, pass' auf mit anderen Vorbildern. Du bist selbst genug.Sich Zeitgrenzen setzen
Du hast erkannt, dass du zu oft Zeit mit Onlinemedien vergeudest? Du möchtest statt 2 Stunden täglich maximal 30 Minuten mit E-Mails, Onlineportalen und dem Smartphone verbringen – oder zu Beginn die Bildschirmzeit um 30 % reduzieren? (Ausgenommen wirklich wichtige Telefonate oder Wegbeschreibungen und Verkehrs- oder Wetter-Apps.) Dann lege dein ganz persönliches Zeitlimit für Onlinemedien, Smartphone und Co fest.E-Mails abbestellen
Jeder Newsletter und jede Werbemail eines seriösen Unternehmens (Achtung bei Phishingmails!) enthält in der Regel einen Link zum abbestellen. Dieser Abbestell-Link findet sich in der Regel kleingedruckt am Ende der E-Mail. Oft steht dort „Sie wollen den Newsletter nicht mehr erhalten? Einfach hier klicken: Newsletter abbestellen“E-Mails als Spam markieren
Fast alle E-Mail-Accounts geben dir die Möglichkeit, eine E-Mail als Spam in einen Spam-Ordner zu verbannen. Einmal markierte E-Mails einer bestimmten Adresse gelangen nicht mehr in deinen E-Mail-Eingang.Whatsapp- oder Signal-Gruppen löschen oder stummschalten
Wenn es nicht möglich ist, dass du aus einer Whatsapp- oder anderen Messenger-Gruppe aktiv austreten kannst – weil du die Gruppe brauchst oder eine Verabschiedung zu unwirsch wirken würde – dann kannst du zumindest die Benachrichtigungen der jeweiligen Gruppe stumm schalten. Einfach in den Einstellungen der App festlegen, fertig.Apps gezielt blockieren
Ganz konkret geht das in jedem Smartphone über Einstellungen – Apps & Benachrichtigungen – Gerätenutzungsdauer – Timer für Apps einrichten. Dort stellst du ein, wie viele Minuten täglich du welche App maximal nutzen darfst. Ein anderer Weg ist das Herunterladen einer kostenfreien Digital-Detox-App. Diese Apps stellen sämtliche Apps ab, sobald dein Tageslimit erreicht ist.Schwarz-Weiß-Modus oder/und Darkmodus wählen
Einige Menschen, die sich selbst gezielt daran hindern möchten, sich permanent durch ihr Smartphone oder ihren Computer ablenken zu lassen, wählen auch den Schwarz-Weiß-Modus ab einer bestimmten Uhrzeit. Das hat tatsächlich einen Effekt, weil uns farbige Portale deutlich spannender vorkommen als schwarz-weiß-gehaltene Seiten. Wähle hierzu in Windows 10 die Befehle Farbfilter – Farbfilter ein- oder ausschalten – Graustufe. Im Smartphone gehst du hingegen über Einstellungen – Digital Wellbeing (ganz unten bei den Einstellungen!) – Schlafenszeitmodus – Uhrzeit festlegen und eine weitere Funktion wäre über Einstellungen – Display – Dunkles Design. Kleiner Tipp: Idealerweise auch schon 20 Uhr als Schlafenszeit festlegen, dann wird dein Smartphone schwarz-weiß und du erhältst keine Benachrichtigungen und Anrufe mehr.Sich aus Portalen abmelden und Portal-Mails ausschalten
Du bist eigentlich fast nie auf dem Portal nachbarn.de, kaufst nicht mehr bei H&M Fashion ein und du erhältst dennoch diese störenden Portal-Benachrichtigungen und klickst gelegentlich darauf? Scanne einmal alle Portale, die du nicht mehr nutzt und nicht benötigst. Immer dann, wenn dir wieder ein solches Portal auffällt, kannst du dein Profil dort löschen – sofern dir deine Benutzerzugangs-Daten noch einfallen 🤦.
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