Buch-RezensionPromovieren mit Perspektive
Von Elke Michauk
Günauer, Franziska, Anne K. Krüger, Johannes Moes, Torsten Steidten und Claudia Koepernik (Hg., 2012): GEW Handbuch Promovieren mit Perspektive. Ein Ratgeber von und für DoktorandInnen; Bielefeld (W. Bertelsmann Verlag), zweite, überarbeitete Auflage, broschiert, 476 Seiten, 19,90 Euro.
Steigende Studierendenzahlen, nachgewiesener Einstellungsbedarf von Hochschulen und der vielerorts beschworene Fachkräftemangel sollte Promotionswilligen den „roten Teppich“ ausrollen. Doch die Realität zeichnet ein anderes Bild: Mit der Zahl der Studierenden steigt die Zahl der Promotionswilligen und damit die Konkurrenz um die begrenzten Promotionsstellen in der Privatwirtschaft, an Hochschulen und in sonstigen Forschungseinrichtungen. Der Vorstellung von exzellenter und gut finanzierter Forschung stehen jedoch vielfach prekäre Arbeits- und Lebensbedingungen Promotionswilliger und Doktorand_innen gegenüber. Gesichertes Wissen über Promovierende in Deutschland ist rar. Im Promotionsdschungel finden sich die Wenigsten allein zurecht. Rechtliche Hürden und finanzielle Fallstricke lassen eine hohe Dunkelziffer von Promotionsabbrecher_innen erahnen.
Von Doktorand_innen für Doktorand_innen
Die umfassend überarbeitete Neuauflage des erstmals 2006 erschienen „GEW Handbuch Promovieren mit Perspektive. Ein Ratgeber von und für DoktorandInnen“ belebt die zuletzt 2012 veröffentlichten Daten des Statistische Bundesamtes zu Promovierenden mit Erfahrungen aus erster Hand. Den Autor_innen gelingt der Spagat zwischen Nachschlagewerk und politischer Positionierung. Der Sammelband besticht durch Distanziertheit und seine Vielfalt an Tipps von Doktorand_innen für Doktorand_innen.
Aufbau des Ratgebers
Die Einleitung in das mehr als 460 Seiten starke Nachschlagewerk fällt dem Thema angemessen umfangreich aus. Der Aufbau des Ratgebers orientiert Promotionswillige im Themenfeld. Mit den anschließenden acht essayhaften Themenartikeln, dem Herz des Ratgebers, folgen die Autor_innen dem individuellen Abwägungs- und Entscheidungsprozess Promotionsinteressierter. Die Artikel sind jeweils ergänzt um Hinweise auf weiterführende Literatur und Webseiten, illustrierende Beispiele und Fallbeispiele. Ihre Ausführlichkeit macht sie unabhängig voneinander lesbar. Querverweise zwischen den Abschnitten erleichtern die Orientierung zeigen Chancen und Fallstricke auf.
Zum Inhalt
Mit einer guten Planung steht und fällt ein jedes Projekt. Dies gibt auch für die Promotion. In → Promotionsplanung werden die wichtigsten Rahmenbedingungen (Betreuung, Exposè und Promotionsordnung) aufgegriffen. Ergänzt werden sie um wichtige Hinweise für Promotionswillige von Fachhochschulen, mit Handicap, Promovierende mit Kind sowie die Geschlechterdimension der Promotion.
Ohne Finanzierung läuft nichts! Vor- und Nachteile unterschiedlicher Fördermodelle und Promotionsorte wie Kollegs, Zentren und Research Schools werden in → Finanzierung ausführlich dargestellt. Ergänzt werden die dargestellten Finanzierungsoptionen durch arbeits- und steuerrechtliche Hinweise. Wie von einem gewerkschaftlichen Ratgeber zu erwarten, werden die Fakten und deren Kritik mit dem Aufruf verbunden, selbst gestaltend auf Rahmenbedingungen Einfluss zu nehmen (→ Rechtliche Rahmenbedingungen und Mitbestimmung).
Das Projekt „Promotion“ und seine Höhen und Tiefen
Betreuer_innen gefunden? Exposè geschrieben? Finanzierung gesichtert? Dann steht der eigentlichen Promotion ja nichts mehr im Weg! Doch Vorsicht auch die beste Vorarbeit schützt Promovierende nicht vor den Höhen und Tiefen einer Promotion. In → Promotion als Prozess teilen Doktorand_innen persönliche Erfahrungen. Sie zeigen aus erster Hand Herausforderungen und alternative Handlungsstrategien auf. Besondere Berücksichtigung finden dabei lokale Promovierendengruppen, Graduiertenzentren u.ä. als Netzwerke Promovierender für Austausch und Motivation. Neben Zeitmanagement, Schreib- und Lehrkompetenz als sogenannte Schlüsselqualifikationen verdeutlichen die Autor_innen zudem die wachsende Bedeutung von Mentoring, Coaching und Supervision im Wissenschaftsbereich.
National oder International?
Die Erwartungshaltungen potentieller Arbeitgeber_innen und von Fördereinrichtungen an Promovierende steigt stetig. Professionelles Fachwissen, Innovationsleistungen, regelmäßige Publikationen und Schlüsselqualifikationen werden im gleichen Atemzug mit der Internationalilsierung von Promotionsvorgaben genannt (→ Internationalisierung). Förderhinweise und Erfahrungsberichte grenzüberschreitender Promotionen im europäischen Hochschulraum werden angereichert um Hintergrundwissen zur politischen Debatte rund um das Schlagwort „Brain Drain“.
Zu guter Letzt: Publizieren & Berufsperspektiven
Frühzeitig sind Doktorand_innen angehalten die Möglichkeiten und Grenzen ihrer Promotionsordnung oder die durch Fördereinrichtungen verbindlichen Rahmenbedingungen bezüglich der Veröffentlichung ihrer Promotion zu informieren. In → Publizieren greifen die Autor_innen neben Publikationswegen und -formaten der Dissertation (kumulative Promotion), Fachbeiträge in einschlägigen Journalen, Einzel- und Teampublikationen in Sammelbänden, Tagungsberichte und Rezensionen als Beitrag zur scientific community auf. Die Vielzahl der Plagiatsaffären macht Ausführungen zum wissenschaftlichen Arbeiten, Urheberrecht und Open Access zu einem „must“.
Die Arbeitslosigkeit unter Akademiker_innen und Promovierenten ist eine der Niedrigsten im Vergleich zu anderen Gruppen. Der Fakt sollte jedoch nicht über die Notwendigkeit der frühzeitigen proaktiven Suche nach einem Jobs hinwegtäuschen (→ Promotion und Beruf). Ein individuelles Kompetenzprofil kann dabei ebenso hilfreich sein, wie der Überblick über potentielle Arbeitgeber_innen und Arbeitsorte in der Wissenschaft und der freien Wirtschaft.
Abschießende Bewertung
Das GEW-Handbuch ist eine umfassende Hilfestellung sowohl für Promotionsinteressierte, Doktorand_innen und Beratungsstellen für Promotionsinteressierte. Die umfassende Neuauflage besticht durch die Zusammenführung von wissenschaftspolitischer Debatte und Erfahrungsberichten. Die Unabhängigkeit der Themenbeiträge macht die vorliegende Neuauflage zu einem „handlichen“ Nachschlagewerk mit einer Vielzahl von weiterführenden Literaturhinweisen und Anlaufstellen. Eine Publikation die in keinem wissenschaftlichen Bücherregal fehlen sollte. Das Handbuch erspart die zeitaufwendige Individualrecherche und ermöglicht die so gesparte Zeit als „Eigenzeit“ für die eigentliche Promotion zu nutzen.
Günauer, Franziska, Anne K. Krüger, Johannes Moes, Torsten Steidten und Claudia Koepernik (Hg., 2012): GEW Handbuch Promovieren mit Perspektive. Ein Ratgeber von und für DoktorandInnen; Bielefeld (W. Bertelsmann Verlag), zweite, überarbeitete Auflage, broschiert, 476 Seiten, 19,90 Euro.