Studierendenzahlen im WiSe 2009/2010Überfüllte Hochschulen kein Wunder
Dass die Studierenden gerade aktuell über schwierige Studienbedingungen klagen, ist in Anbetracht der heute veröffentlichten Zahlen des Statistischen Bundesamtes wenig verwunderlich. Die Studierendenzahlen sind auf den höchsten Stand aller Zeiten gestiegen und vor allem auch die Zahl der Studienanfänger erreicht ungeahnte Höhen. Dass es so zu überfüllten Veranstaltungen kommt (aus Raumnot, aber auch wegen Mangel an Personal), ist naheliegend.
Mehr, mehr, mehr (aber teilweise auch weniger)
Die Tendenz geht nach oben: Noch nie gab es so viele Studierende wie in diesem Jahr
Der Tiefstand der Studierendenzahl in den letzten 15 Jahren liegt lange zurück: 1999/2000 waren nur 1.773.956 Studierende eingeschrieben, inzwischen sind es 350.000 mehr (+20%). Bei den StudienanfängerInnen war der Tiefstand 1995 mit 262.407 erreicht. Heute sind es 160.000 mehr (+61%). Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Erstsemester um knapp 7% gestiegen (Unis +5%, Fachhochschulen +9%). Besonders die prozentualen Veränderungen verdeutlichen, mit welch starken Veränderungen die Hochschulen heute umgehen müssen.
Ganz leicht gestiegen ist der Frauenanteil an allen Studierenden, der nun bei 47,9% liegt. Bei den StudienanfängerInnen liegt er bei 49,8% – da war er 2002 mit 50,6% schon einmal höher.
Unterschiedliche Tendenz in den einzelnen Bundesländern
Besonders stark sind die StudienanfängerInnen-Zahlen im Saarland gestiegen (+ 15%) – was angesichts eines doppelten Abiturjahrganges (durch die Umstellung auf das achtjährige Gymnasium, dass dieses Jahr zum ersten Mal AbsolventInnen entließ – parallel zu den "letzten" des neunjährigen Gymnasiums) aber sogar eher eine schwache Zahl ist. Auffallend starke Zuwächse hatten noch Bayern und Berlin mit um die 9% mehr StudienanfängerInnen. Überdurchschnittlich auch die Zahlen aus Nordrhein-Westfalen (+8,2%), Baden-Württemberg (+7,3%), Thüringen (+7,2%) und Hessen (+7%). Relativ geringe Zunahmen melden Bremen (+ 2,8%) sowie Brandenburg und Sachsen (je + 2%). Sogar einen Rückgang um 0,7% muss Sachsen-Anhalt hinnehmen.
Warum sich die Zahlen in den Bundesländern doch so stark unterscheiden, hängt zum einen an Sondereffekten wie den doppelten Abi-Jahrgängen (einigen Bundesländern stehen diese noch bevor), aber auch an Zulassungsbeschränkungen (die zwar jede Hochschule selbst verantwortet, aber in der Summe kann es eben mal in einem Land stärkere Beschränkungen geben und dann wieder schwächere), "Image" und schließlich das Vorhandensein von Studiengebühren. Was nun im Einzelnen besonderes Gewicht hat, dürfte erst durch umfassende Befragungen und Auswertungen herauszufinden sein (und selbst dann u.U. umstritten bleiben).
Und wieder: MINT-Fächer extra ausgewiesen und große Freude bei Bundesbildungsministerin Schavan
Die StudienanfängerInnenzahlen im Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technikfächern ("MINT") werden vom Statistischen Bundesamt schon in der vorläufigen Auswertung gesondert ausgewiesen. Hier herrscht ja immer Sorge, dass es zu wenig Nachwuchs geben könnte. Und tatsächlich sind die Zahlen unterdurchschnittlich: Zwar gab es überall Steigerungen, aber bei Elektrotechnik nur um 3%, bei Informatik um 4% und bei Maschinenbau/Verfahrenstechnik um 6%. Nur im Bauingenieurwesen lag der Zuwachs mit 15% deutlich über den Zuwächsen im Durchschnitt aller Fächer.
Auch die Bundesbildungsministerin Schvan geht auf die MINT-Zahlen in ihrer heutigen Presseerklärung extra ein. Bei gerade +3% (im Vergleich zu fast +7% bei allen Fächern) im Bereich Elektrotechnik von "deutlichen Steigerungen" zu sprechen ist aber doch etwas gewagt. Richtig ist aber sicher, dass die Erhöhung des BAföGs im vorigen Jahr einen Teil beigetragen hat. Der ebenfalls von Schavan genannte Ausbau der Stipendien als Grund für die steigenden Studierendenzahlen ist allerdings eher fraglich: Wird jemand wirklich nur deswegen studieren, weil er oder sie nun eine geringfügig größere Chance auf ein Stipendium hat und hätte es ansonsten nicht getan? Aber Frau Schavan will natürlich jede Chance nutzen, Stipendien als positiv darzustellen – insbesondere auch wegen der weiteren Pläne in Sachen Stipendien (vgl. Artikel Stipendien für 10% der Studierenden?).
Die wichtigsten Zahlen der letzten 15 Jahre
Studienjahr | Studierende | AnfängerInnen | Quote1 |
1994 | 1.872.490 | 267.946 | 25,9% |
1995 | 1.857.906 | 262.407 | 26,8% |
1996 | 1.838.099 | 267.469 | 28,1% |
1997 | 1.824.107 | 267.445 | 28,5% |
1998 | 1.801.233 | 272.473 | 29,2% |
1999 | 1.773.956 | 291.447 | 31,3% |
2000 | 1.799.338 | 314.956 | 33,5% |
2001 | 1.868.666 | 344.830 | 36,1% |
2002 | 1.939.233 | 358.946 | 37,1% |
2003 | 2.019.831 | 377.504 | 38,9% |
2004 | 1.963.598 | 358.870 | 37,1% |
2005 | 1.986.106 | 356.076 | 37,0% |
2006 | 1.979.445 | 344.967 | 35,7% |
2007 | 1.941.763 | 361.459 | 37,1% |
2008 | 2.025.742 | 396.800 | 40,3% |
20092 | 2.128.976 | 423.398 | 43,3% |
Quelle: Schnellmeldungsergebnisse der Hochschulstatistik - vorl. Ergebnisse - Wintersemester 2009/2010 (PDF des Statistischen Bundesamtes)
1 StudienanfängerInnequote - gemeint ist der Anteil der StudienanfängerInnen an der gleichaltrigen Bevölkerung (die Abgrenzung ist hier aber nicht gerade einfach, auch in Anbetracht von doppelten Abitur-Jahrgängen)
2 Vorläufige Ergebnisse
Quellen und weiteres zum Thema
- 7% mehr Studienanfänger im Studienjahr 2009 (Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes, 25.11.2009)
- Schavan: "Studieren ist für junge Menschen attraktiv" (Pressemitteilung des BMBF, 25.11.2009)
- Geburtenstarke Jahrgänge führen zu hohen Erstsemesterzahlen (Artikel von Studis Online zu den Studienanfängerzahlen 2008)