Kleinstmöglicher KompromissBewerbungschaos wird kaum eingedämmt
Das Treffen im Bundesbildungministerium brachte offenbar nur wenig Fortschritte. Die Presseerklärung des Ministeriums spricht wolkig von "Dezentralität und der unterstützende Service der ZVS müssen ineinander greifen." In den nächsten Wochen soll es weitere Gespräche geben und ein Lastenheft für eine zentrale Lösung zusammengestellt werden, die aber frühestens für das Wintersemester 2010/2011 zur Verfügung stehen wird (wie diese ganz grob aussehen soll, dazu berichtete Studis Online vor kurzem).
Aber auch bei dieser sozusagen "gemeinsam" entwickelten Lösung soll es keinen Zwang zur Teilnahme geben. Was die sinnhaftigkeit der ganzen Sache schon deutlich einschränkt. Nur eine Stelle, die annähernd alle Bewerbungen kennt, kann versuchen, für alle eine möglichst gute Lösung zu finden. Wenn jede Hochschule erst einmal selbst das Bewerbungsverfahren durchführt, müssen die BewerberInnen zwangsläufig mehrere Bewerbungen schreiben und versenden, statt wie bei einer zentralen Lösung nur eine mit einer Rangliste, wo sie denn studieren möchten.
Einige Hochschulen wehren sich gegen zentrales Verfahren
Die Hamburger Universität ist federführend unter den Hochschulen, die auch zukünftig kein zentrales Verfahren und sich allein um die Vergabe ihrer Studienplätze kümmern wollen. Die Präsident der Uni erklärte dazu: "Für uns war stets klar, dass wir das Zulassungsgeschehen nicht aus der Hand geben wollen. Für uns hat die Gewinnung der Studierenden große Bedeutung, wir wollen Studieninteressierte aktiv ansprechen. (...) Wir haben jetzt einen einfachen und kostengünstigen Weg gefunden, mit dem Phänomen der Mehrfachbewerbungen umzugehen und zugleich eine entscheidende Verbesserung beim Service für unsere Studieninteressierten zu erreichen."
Dieser "einfache und kostengünstige Weg" ist demnach, dass sich Hochschulen auf einen festen Zeitraum einigen, in dem sie ihre jeweils eigenen Zulassungsbescheide versenden. An der Zahl der Mehrfachbewerbungen würde sich dadurch jedoch nichts ändern. Durch den zentralen Termin wäre lediglich gewährleistet, dass die BewerberInnen sich darauf einstellen können, in dieser Zeit ihre endgültige Entscheidung treffen zu können – falls sie sich denn nur an teilnehmenden Hochschulen bewerben würden.
Genau das wird aber kaum der Fall sein. Auch wenn sich scheinbar zunehmend Hochschulen der "Hamburger Initiative" anschließen – von einer Beteiligung aller ist man weit entfernt. Somit haben BewerberInnen weiterhin das Problem, dass die Zulassungsbescheide zu unterschiedlichsten Zeiten bei Ihnen ankommen können.
Der studentische Dachverband kritisiert diese Schmalspurlösung als "Wilde 13 der Hochschulpolitik". "Ein gemeinsamer Termin für den Versand der Unterlagen bringt kleine Fortschritte, nur eine gemeinsame Plattform aller Hochschulen in der BRD für die erste Bewerbung würde aber die Ungerechtigkeit wirklich beheben. Weiter steht zu befürchten, dass sich ein Gemenge von willkürlich zusammengesetzten Hochschulverbünden, welche untereinander dann wiederum inkompatibel sind, herausbildet" sagte Florian Keller, Mitglied des fzs-Vorstands.
Studienplätze im Last-Minute-Schnäppchen?
Auch beim zweiten Teil der "Hamburger Initiative" steckt der Teufel noch im Detail. Die beteiligten Hochschulen wollen die nach der ersten Runde offen gebliebenen Studienplätze über eine noch aufzubauende "Chancenbörse" im Internet verteilen.
Einfach wird das nicht: Eine solche Börse wird am Tag, an dem die "Reststudienplätze" online gestellt werden, einen riesen Andrang verkraften müssen. Ob es gelingt, die Technik und Software dafür schon im ersten Versuch ausreichend zu dimensionieren und fehlerfrei zu programmieren, darauf darf man gespannt sein.
Nicht vergessen sollten die Hochschulen auch rechtliche Probleme. Einfach Studienplätze verlosen dürfte rechtlich problematisch sein, auch die Vergabe an den/die ersten BewerberIn wird kaum korrekt sein. Wie aber soll dann in der Börse ausgewählt werden, wer zum Zuge kommt? Und auch hier könnte es zu weiteren Vergabe-Runden kommen, weil manche dann doch einen beantragten Platz nicht annehmen.
Hochschulen nicht einig
Dass auch unter den an der "Hamburger Initiative" beteiligten Hochschulen gar keine absolute Einigkeit herrscht, zeigt eine Äußerung der Uni Mainz. Diese betonte, dass sie mit der Teilnahme an der Hamburger Initiatve keineswegs verbinde, sich nie mehr an einem Verfahren über die ZVS zu beteiligen. Der Präsident der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Univ.-Prof. Dr. Georg Krausch, betonte, "daher ist eine zentrale Koordination gerade der bundesweit intensiv nachgefragten Studiengänge zwingend erforderlich." Mit ihrem langjährigen Know-how und ihrer vorhandenen Infrastruktur könne die ZVS hier zu einer wirkungsvollen Entlastung beitragen, die den Aufwand nicht nur für die Hochschulen, sondern auch für die Bewerberinnen und Bewerber massiv reduzieren würde.
Aber andererseits ist die Uni Hamburg sicher nicht die einzige, die ein bundesweites Verfahren mit Hilfe der ZVS ablehnt. Festzuhalten ist also: Auf die Hochschulen zu hoffen, dass diese sich freiwillig auf ein Verfahren einigen, dass größere Entlastungen auch für die BewerberInnen bringt, ist eher unrealistisch.
Bundesweite Lösung in weiter Ferne
Für eine sinnvolle zentrale Lösung wäre es notwendig, die Hochschulen zu einer Teilnahme zu verpflichten. Da aber in den letzten Jahren das Mantra der "Autonomie der Hochschulen" hochgehalten wurde (wie auch immer es letztlich umgesetzt wurde), die einzelnen Bundesländer unterschiedliche Meinungen vertreten und Bildung Ländersache ist, dürfte eine bundesweite Einigung auf einen solchen Zwang wohl nicht zustande kommen.
Es wäre insofern tatsächlich schon ein Fortschritt, wenn sich die Hochschulen wenigstens bundesweit auf einen Termin einigen würden, an dem die Zulassungsbescheide der ersten Runde versendet werden. Denn auch wenn Grüne, Linke und selbst SPD eine gesetzliche Regelung fordern – mit der CDU/CSU ist das im Bundestag wohl nicht zu machen (mit der FDP nebenbei ebenso wenig). Und die einzelnen Bundesländer sind ja erst recht unterschiedlichster Meinung bzw. wollen aus Prinzip keine Einmischung des Bundes.
Was heißt das also? An der Zahl der nötigen Bewerbungsschreiben wird sich dieses Jahr nur wenig ändern. Außer es würden sich – was fast ein Wunder wäre – doch noch sehr viele Hochschulen am Service-Verfahren der ZVS beteiligen ( Studis Online berichtete dazu vor kurzem). Dieses hatte die ZVS schon letztes Jahr angeboten, bei sehr geringer Beteiligung. Bis 20. Februar können die Hochschulen sich noch bei der ZVS melden, sollten sie teilnehmen wollen ...
Quellen und mehr zum Hintergrund
- Zum Wintersemester droht erneut Bewerbungschaos (Artikel bei Studis Online, 28.01.2009)
- Übergangsphase soll für Erleichterungen bei der Studienplatzvergabe sorgen (Pressemitteilung 025/2009 des Bundesbildungsministeriums, 09.02.2009)
- "Hamburger Initiative": Zahlreiche bundesdeutsche Hochschulen vereinheitlichen die Termine für den Versand der Zulassungsbescheide (Pressemitteilung der Uni Hamburg, 11.02.2009)
- 13 Hochschulen meinen Vergabe von Studienplätzen harmonisieren zu können (Pressemitteilung des fzs, 12.02.2009)
- Johannes Gutenberg-Universität hält an der Entwicklung eines Serviceverfahrens unter Leitung der ZVS fest (Pressemitteilung der Uni Mainz, 13.02.2009)