Das alte KlischeeRolf Dobischat ärgert sich über den Begriff "Bummelstudent"
Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst im DSW-Journal 2/2008, dem Magazin des Deutschen Studentenwerks (DSW). Wir danken dem DSW für die Genehmigung, den Artikel auch bei Studis Online publizieren zu dürfen. |
Deutschlands Leitmedien haben die Reform der Studienstrukturen für sich entdeckt. Kaum eine Woche vergeht, da nicht prominent über die Umstellung auf Bachelor und Master berichtet wird. Bei aller Kritik sind sich die Medien in einem Punkt meist einig: Endlich geht es den Bummelstudenten an den Kragen!
Mögen die neuen Abschlüsse auch schlecht geplant sein, mag die Abbrecherquote steigen oder die Auslandsmobilität sinken – eines ist aus Sicht der Medien klar: Dank Bachelor ist es jetzt mit dem Bummeln vorbei. Man liest und hört es immer wieder, mit einer Mischung aus unverhohlener Genugtuung, offener Schadenfreude und zum Teil erschreckender Aggressivität.
Prof. Dr. Rolf Dobischat, der Autor dieses Beitrages, ist Präsident des Deutschen Studentenwerks und Bildungs- und Berufsforscher an der Uni Duisburg-Essen.
Es macht wenig Sinn, gegen solche Vorurteile anzuschreiben. Dagegen macht es Sinn, darauf hinzuweisen, dass es vielf ältige Gründe für das angebliche »Bummeln« gibt. Man muss nur erkenntnisoffen sein – die Förderung einer solchen Offenheit war im Übrigen Charakteristikum eines weniger verschulten, dafür interaktiven Umgangs zwischen Lehrenden und Lernenden alter Prägung. Zur Förderung von Erkenntnisoffenheit sind aber auch Seminare in Kleingruppen erforderlich, die in der Organisation öffentlich unterfinanzierter Hochschulen selten geworden sind.
Studienunterbrechung und Studienabbruch resultieren nur zu einem Teil aus unklaren, jetzt modifizierten Studienstrukturen. Ursache sind ebenso: schlecht ausgestattete Hochschulen, eine nicht ausreichende öffentliche Studienfinanzierung, die zu Studienzeit reduzierender und insoweit verlängernder Erwerbsarbeit zwingt, eine zu geringe Studienvorbereitung schon in den Schulen, aufgrund der zum Teil erheblichen Zuschusskürzungen der Länder ausgedünnte Service- und Betreuungsangebote und vieles mehr. Gegen alle diese Fakten wird ein enger strukturiertes, stärker verschultes Studiensystem allein wenig ausrichten können.
Mein Rat: Wer auf eine Effizienzsteigerung des Studiums durch den Bachelor hofft, der sollte weniger Klischees bedienen, sondern den Focus auf die Ursachen richten, wie es einer auf professioneller Recherche basierenden, differenzierten Darstellung würdig ist. Aber vielleicht gibt es ja in unserem »effizienten Leben« auch dafür keine Zeit mehr.