Umstellungsschwierigkeiten?Zahl der Studienabbrüche sinkt leicht – außer beim Bachelor
Die Hochschul Informations System GmbH (HIS), die die Studie herausgegeben hat, ist im Besitz von Bund (1/3) und Ländern (2/3). Sie fungiert als Softwarehaus für die Hochschulverwaltungen und ist in den Bereichen Hochschulentwicklung und Hochschulforschung aktiv. Im für die Öffentlichkeit sichtbarsten Bereich Hochschulforschung führt die HIS u.a. die Sozialerhebung der Studierendenschaft im Auftrag des Deutschen Studentenwerkes durch.
Die aktuelle Erhebung ermittelt ausschließlich die Zahl derer, die ihr Studium endgültig abbrechen. Von daher werden auch nur solche (Ex-)Studierenden betrachtet, die ihr Studium spätestens 2004 aufgenommen haben. Zur Zahl der FachwechslerInnen macht sie genau so wenig Angaben, wie es keine Befragung zu den Motiven des Abbruchs gibt. Es gibt lediglich einige Interpretationsversuche der Autoren zu besonders auffälligen Ergebnissen. Die aktuelle Studie reiht sich in eine Reihe von gleichartigen Untersuchungen der Vergangenheit ein, so dass für die Studienanfänger 1992 Daten vorliegen und man verfolgen kann, wie sich die Abbrecher-Quoten verändern.
Betrachtet man die Abbrecher-Quote für alle Studierenden, so ist der Trend leicht positiv. Sie liegt inzwischen bei 21%. Was aber immer noch bedeutet, dass z.B. von den 2001 insgesamt 260.000 erstimmatrikulierten Studierenden ca. 55.000 ihr Studium ohne Abschluss abgebrochen haben. In der Studie vor vier Jahren lag die Abbruch-Quote jedoch sogar bei 25%.
Erstmals Fachhochschulen mit höherer Abbruch-Quote – vor allem bei Bachelor-Studiengängen
Waren in der letzten Erhebung vor zwei Jahren bei einem Durchschnittswert von 22% Abbrechern die Fachhochschulen mit einer Abbrecher-Quote von 17% noch weit vor den Universitäten (24%), so liegen nun erstmals die Universitäten vorn. Sie konnten ihre Abbrecher-Quote auf 20% senken, bei den Fachhochschulen ist die Quote auf 22% gestiegen.
Ein Grund für diese deutliche Verschlechterung bei den Fachhochschulen scheint die möglicherweise wenig durchdachte Umstellung auf Bachelor-Studiengänge zu sein. Laut der HIS-Studie lag die Zahl der Abbrecher bei Bachelor-Studiengänge an Fachhochschulen bei – man kann es nicht anders sagen – erschreckenden 39%. An den Universitäten mit 25% ist der Bachelor-Abbrecherwert dagegen nicht so auffällig, aber auch wenig erfreulich.
Bachelor ein Misserfolg?
Die Autoren der HIS-Studie bemühen sich, trotz der unerfreulichen Ergebnisse, den Bachelor zu verteidigen. Sicherlich ist auch nicht "der Bachelor" schuld, sondern wenn, dann offenbar eine undurchdachte Einführung an vielen Fachbereichen in den Anfangsjahren. In jedem Fall sollten die Ergebnisse zum Nachdenken anregen.
"Prüfungsdichte und unflexible Studienorganisation sind die größten Probleme der Studierenden. Die Bachelorstudiengänge sind voll von Anwesenheitspflicht und vielerorts völlig verschult", fasst fzs-Vorstandsmitglied Regina Weber die Probleme zusammen. "Die meisten Studierenden müssen nebenher arbeiten. Das geht bei einer 40-Stunden-Woche an der Hochschule einfach nicht."
In der HIS-Studie wird erwähnt, dass an Fachhochschulen inzwischen besonders Ingenieurwissenschaften mit höheren Abbruchraten konfrontiert sind. fzs-Vorstandsmitglied Weber dazu: "In den am meisten betroffenen Studiengängen studieren viele Studierende aus bildungsfernen Schichten. Diese Zahlen zeigen, dass der Bachelor einmal mehr die Studierenden benachteiligt, die es schon durch Job und Studium schwerer haben"
In der Tat könnte die Mischung aus ausbleibenden BAföG-Anpassungen (kommt ja erst Ende dieses Jahres) und weniger Möglichkeit auf Jobben (in verschulten Bachelor-Studiengängen viel schwerer möglich) gerade Studierende ohne gute finanzielle Ausstattung schwerer getroffen haben.
Was tun?
"Die Studiengänge müssen noch einmal reformiert und entschlackt werden, mehr Wahlfreiheit kann das Studium flexibler machen. Zusätzlich muss auch die finanzielle Situation besser werden, damit niemand mehr gezwungen ist, jobben zu gehen", fordert fzs-Vorstandsmitglied Florian Hillebrand.
Diesen grundsätzlichen Forderungen kann man sich wohl anschließen. Wobei die Umsetzung im Detail so manche Schwierigkeit bedeutet. Nach wie vor haben in allen Bundesländern die ProfessorInnen die absolute Mehrheit in Gremien, die über Prüfungs- und Studienordnungen entscheiden. So kann es passieren, dass Bedenken von Studierenden oder auch wissenschaftlichen MitarbeiterInnen einfach qua Mehrheit vom Tisch gewischt werden.
Studentisches Engagement – auch und gerade die Mitgestaltung von Studienordnungen – kostet Zeit. Sowohl durch die "Verschulung" im Bachelor aber auch durch Studiengebühren muss sich jedeR StudentIn zweimal überlegen, ob sie sich um solche Dinge kümmert. So mag es manchmal auch gar keine oder zu wenige "mitdenkende" Studierende geben, selbst wenn ProfessorInnen der studentischen Stimme aufgeschlossen gegenüber stehen.
Wie so oft mag es zum Teil einfach am Engagement weniger (ob Studierender, ProfessorInnen oder wissenschaftlicher Mitarbeiter) liegen, ob Studiengänge "gut" oder "schlecht" umgestellt werden und ob möglichst die Vorschläge aller in vernünftiger Weise berücksichtigt werden.
Bei der Studienwahl nicht vom Abschluss leiten lassen
Wer noch vor der Qual der Wahl steht, was studiert werden soll, sollte trotzdem nicht den Bachelor grundsätzlich ausschließen. In vielen Fachbereichen sind das klassische Diplom oder der Magister nur noch selten für Studienanfänger im Angebot. Selbst wer noch anfangen kann, wird gegen Ende des Studiums möglicherweise nur noch ein ausgedünntes bzw. eher auf Bachelor-/Master-Studierende ausgerichtetes Angebot vorfinden.
Studiengänge, die gerade erst zu dem Zeitpunkt umgestellt werden, zu dem man das Studium an der umstellenden Hochschule beginnen will, sollte man nicht unbedingt wählen. Anfangs gibt es erfahrungsgemäß doch so einige Reibungsverluste, bis alle Beteiligten sich auf die neue Studienstruktur eingestellt haben. Wenn es also den gleichen Studiengang an einer ebenfalls in Frage kommenden Hochschule auch gibt und dort die Umstellung schon früher vollzogen wurde, so mag das eine Alternative sein. Außer man hört von dort, dass die Umstellung immer noch ungeklärte Probleme mit sich herumschleppt.
Gespräche mit Studierenden, die das gewünschte Fach schon studieren, sind immer hilfreich. Auch eine Anfrage bei Studierenden der Fachschaft kann sinnvoll sein. Insbesondere, wenn man in Erfahrung bringen kann, wie die Umstellung aus Sicht der Studierenden in den Hochschulgremien lief.
Quelle und weiteres zum Thema
- Ulrich Heublein/Robert Schmelzer/Dieter Sommer: Die Entwicklung der Studienabbruchquote an den deutschen Hochschulen (HIS:Projektbereicht, Februar 2008; als PDF)
- fzs: Gründe für Studienabbrüche untersuchen und besser Rahmenbedingungen schaffen (Pressemitteilung, 14.02.2008)
- Bachelor + Master: Eine Zwischenbilanz (Fachartikel bei Studis Online; zwar von 2006, aber inhaltlich immer noch aktuell)