Stress purZwischen Hörsaal, Job und Wickeltisch
In den Bachelor-Studiengängen besteht in der Regel bei allen Lehrveranstaltungen Anwesenheitspflicht. Zwei oder drei Mal dürfen Studierende in einem Seminar oder einer Vorlesungen entschuldigt fehlen. Sind es mehr Fehlzeiten, riskieren sie, dass ihnen für die Veranstaltung keine Credit Points angerechnet werden. Das kann besonders für Studierende mit Kind problematisch werden. Sind sie mehrmals verhindert, weil die Kleinen zum Beispiel mit Masern, Mumps und Co. das Bett hüten müssen, hängt es oft vom Goodwill des jeweiligen Lehrenden ab, wieweit er bereit ist, alternative Leistungsnachweise, etwa in Form einer Hausarbeit, zu akzeptieren.
»Die Belange Studierender mit Kindern sind für die meisten Hochschulleitungen kein Thema«, konstatiert Beate Wargalla, Sozialberaterin beim Studentenwerk Essen-Duisburg. Angebote für studentische Eltern, die den veränderten Studienbedingungen gerecht werden, kann auch Marcus Langer, zuständig bei der CHE Consult GmbH für das Programm »Familie in der Hochschule«, nicht erkennen. Das Programm will in einem Wettbewerb acht Hochschulen ermitteln, die aufgrund ihrer familienfreundlichen Maßnahmen zum Vorbild für andere werden sollen. »Das gestraffte Studium mit dem Credit Point System schafft ganz neue Schwierigkeiten«, räumt Langer ein. »Es gibt nur vereinzelte Lösungsansätze.«
Regelungen fehlen
Auch bei den UniEltern an der Universität Hamburg ist der Umgang mit Fehlzeiten ein Thema. »Wir haben gerade alle Prüfungsämter geschrieben und wollen klare Aussagen dazu haben, wie es geregelt werden kann«, sagt Daniela Kock von den UniEltern. Außerdem wünscht sich die Initiative, dass bei Lehrveranstaltungen, von denen in einem Semester mehrere parallel angeboten werden, mindestens eine in die Zeit vor 17 Uhr, also den üblichen Kita-Öffnungszeiten, gelegt wird.
Zu wenig Betreuungsmöglichkeiten
Auch an der FU Berlin, die im vergangenen Jahr als »familiengerechte Hochschule« zertifiziert wurde, ist erst im Rahmen des Audits sichtbar geworden, welche Probleme allein die neue Präsenzpflicht für studentische Eltern bedeutet. »Wir raten den Studierenden dazu, mit den Dozenten zu sprechen, welche Ersatzleistungen möglich sind«, sagt Sünne Andresen, Leiterin des Familienbüros an der FU Berlin. Auch das Präsidium hat das Problem erkannt, für die Zukunft sollen verbindliche Regelungen geschaffen werden. Darüber hinaus sollen weitere Verbesserungen auf den Weg gebracht werden. »Bisher mangelt es noch einer Kurzzeit- und Notfallbetreuung, bei der Studierende ihre Kinder zum Beispiel für drei Stunden abgeben können, um mit ihrem Prof eine Hausarbeit zu besprechen«, so Andresen. Auch die Nachfrage nach Betreuungsplätzen für unter 3-Jährigen sei höher als das vorhandene Angebot.
»Ein Bachelor-Studium neben der Kindererziehung wird sich in jedem Fall verzögern«, prognostiziert Beate Wargalla. »Es in der Regelstudienzeit zu schaffen, ist unrealistisch.« Um mit Kind studieren zu können, sei es notwendig sich ein eigenes Team zusammenzustellen, so die Sozialberaterin. Das kann der das andere Elternteil sein, eine Tagesmutter, die Großeltern oder Freunde.
Auch wer einen Job braucht, hat es schwer
Doch nicht nur für Eltern, auch für Studierende, die neben dem Studium auf einen Job angewiesen sind, kann vom lustigen Studienleben keine Rede sein. Ellen Maiwald (Name geändert) studiert an der Universität Hamburg im dritten Semester Französisch. Sie lebt vom BAföG. Allein für die Miete muss sie 300 Euro berappen. Ihr angespanntes Konto versucht sie, mit kleinen Jobs zu entlasten. »An manchen Tagen bin ich bis 16 Uhr an der Uni«, erzählt sie. »Danach gebe ich noch bis abends Nachhilfe. Dabei komme ich auf einen Zehnstundentag, der viel Energie erfordert.« Gerade hat sie sich bei einem guten Freund Geld für eine notwendige Anschaffung geliehen. »Dafür bin ich sehr dankbar – gäbe es ihn nicht, müsste ich einen Kredit aufnehmen«, sagt die Studentin.
Kleine finanzielle Entlastung in Sicht
Sozialberaterin Wargalla rät grundsätzlich zur Vorsicht bei der Kreditaufnahme. »Damit ist die Frage der Verschuldung verbunden.« Gleichwohl gäbe es einige empfehlenswerte Alternativen. Dazu zählt etwa der Bildungskredit der KfW-Förderbank. Und das Studentenwerk gewährt unter bestimmten Bedingungen ein Studienabschlussdarlehen in den letzten drei Monaten der akademischen Ausbildung.
Wenn der Stress im Studium zu heftig wird, egal aus welchen Gründen, sollten sich Studierende an die Studienberatung oder die Studienfachberatung wenden. Meist kann durch eine individuelle Beratung eine passende Lösung gefunden werden. Eine Überlegung kann es zum Beispiel sein, ein Urlaubssemester einzuschieben, um versäumten Lernstoff nachzuholen und um wieder zu Kräften zu kommen.
Zumindest was die finanzielle Situation betrifft, ist eine kleine Entlastung in Sicht. Zum Wintersemester 2008/09 wird der BAföG-Höchstsatz von derzeit 585 Euro auf 643 Euro angehoben. Und seit dem Dezember 2007 gibt es im Rahmen des BAföGs den Kinderbetreuungszuschlag für Studierende, die Kinder haben.
Weitere Informationen und Quellen