RezensionPromotion - Dieser Weg wird kein leichter sein
Von Daniela Arnold
Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst in Artes Liberales, einer (inzwischen nicht mehr existierenden) Online-Rezensionszeitschrift, die speziell auf die Interessen von Studentinnen und Studenten sowie Doktorandinnen und Doktoranden der geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächer zugeschnitten war. Wir danken Artes Liberales und der Autorin für die Genehmigung, den Artikel auch bei Studis Online publizieren zu dürfen. |
Angefangen mit Gründen für oder gegen das Verfassen einer Dissertation thematisiert er in 14 Kapiteln und in einem Anhang zur Ehrendoktorwürde unter anderem die oftmals schwierige Suche nach einem Doktorvater oder einer Doktormutter, eines zu bearbeitenden Themas sowie die Finanzierung des Promotionsvorhabens. Ist die Dissertation endlich eingereicht, folgen das Rigorosum, die Überarbeitung der Doktorarbeit sowie die Suche nach einem Verlag für die Publikation und der Druckkostenbezuschussung. In den Jahren 1980 bis 1992 gingen 18.600 Doktorandinnen und Doktoranden diesen langen und oftmals steinigen Weg, 40% davon waren Mediziner (5).
Die Einleitung beginnt mit der Anekdote um die 43 Seiten umfassende, in vier Wochen niedergeschriebene Doktorarbeit des später weltberühmt gewordenen Kunsthistorikers Heinrich Wölfflin, die den Titel "Prolegomena zu einer Psychologie der Architektur" trug und anfangs vehement kritisiert wurde (vvi). Der Inhalt der Anekdote steht im krassen Gegensatz zur heutigen Realität an den Universitäten.
Werden die Dissertationen an medizinischen Fakultäten verhältnismäßig zügig geschrieben, sieht das vor allem bei den Geistes- und Sozialwissenschaften ganz anders aus. Längst werden Doktorarbeiten von mehreren hundert Seiten verfasst und auch die angestrebte Zeit des Promovierens von zwei bis drei Jahren wird häufig überschritten. Das Alter der Promovierten in Deutschland lag 1998 im Schnitt zwischen dem 33. und 35. Lebensjahr (126). Wie viele Doktoranden auf diesem langen Weg frustriert aufgaben, das weiß der Autor auch nicht.
Von Münch gibt insbesondere Promovierenden, aber auch Promovierten und Betreuern hilfreiche Informationen rund ums Promovieren. Diejenigen, die eine Adressensammlung von unzähligen Fördertöpfen, Stiftungen und Universitäten suchen, werden enttäuscht sein. Diesen Anspruch erhebt das Buch auch nicht, vielmehr geht von Münch den Fragen nach, die den Sinngehalt einer Doktorarbeit oder dessen Bedeutung für den Promovierenden beziehungsweise den Promovierten betreffen:
Ist ein Mensch mit Doktortitel etwas Besonderes? Fördert der Doktortitel die außeruniversitäre Karriere? Was ändert sich mit der Promotion? Wie viele Doktoranden kann ein Doktorvater bzw. eine Doktormutter "verkraften"(27)?
Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Kapitel "Doktorandinnen" und "Die Dauer des Verfahrens". Von Münch geht im Kapitel "Doktorandinnen" der Frage nach, ob es Frauen besonders leicht oder besonders schwer haben, als Doktorandinnen angenommen zu werden. Laut einem Bericht aus dem Jahr 1998 entfallen von den jährlich 24.000 Promotionen in Deutschland rund 31% auf Frauen und liegen damit deutlich unter dem Prozentsatz an Erstsemesterstudentinnen, der derzeit bei über 50% liegt. Von Münch plädoyiert schließlich auch für die Vereinbarkeit von Kind und Promotion der Mutter, auch wenn die Vereinbarkeit oftmals nicht ganz einfach sei.
Auch auf das bekannte Problem der "besonderen" Betreuung, sprich der sexuellen Belästigung von Doktorandinnen durch den Doktorvater, legt der Autor ebenfalls sein Augenmerk. Genaue Angaben über die Häufigkeit einer solchen Ausnutzung des Betreuungsverhältnisses der Doktorandin durch den Doktorvater lassen sich nicht machen. An zwei Beispielen zeigt er jedoch deutlich die Konsequenzen eines solchen Fehlverhaltens auf: Soweit es zu strafrechtlichen Verfahren kommt, wird diese in der Regel zur Bewährung ausgesetzt.
Besonders lesenswert und zugleich ermahnend sind die Kapitel zur Dauer des Verfahrens" und "Von non rite bis summa cum laude – die Benotung", in denen von Münch verbreitete Missstände an Instituten anprangert. So gäbe es Professoren, die nicht in der Lage seien, Gutachten zu schreiben oder mit ihrem Votum säumig seien. Ebenfalls kritisiert er, dass immer wieder fakultätsinterne Rivalitäten auf Kosten von Doktorandinnen und Doktoranden ausgetragen werden.
Dieses gründlich recherchierte, geistreiche und zugleich kritische Buch lebt von der Kombination aus theoretischem und praktischem Faktenwissen, von Geschichten über unterschiedlichste Promotionen aus Vergangenheit und Gegenwart sowie von eigenen Erfahrungen, die von Münch in seiner Zeit als Professor für Öffentliches Recht und Doktorvater an der Universität Hamburg gesammelt hat. Der Autor zeichnet ein sehr realitätsnahes Bild vom Promovieren, in dem sich Promovierende mit all ihren eigenen Höhen und Tiefen in dieser Lebensphase erkennen werden. Ein zeitloses Buch, an dem man, wenn man einen Leitfaden zur Promotion heranziehen möchte, nicht vorbeikommt.
Ingo von Münch: Promotion.
Verlag Mohr Siebeck, Tübingen 2006.
217 Seiten, 19 EUR.
ISBN 978-3-16-149049-1