So was aber auchWeniger Erstsemester "dank" Studiengebühren?
Die Studienanfängerquote, das heißt der Anteil der Studienanfänger und ?anfängerinnen an der gleichaltrigen Bevölkerung, liegt für das Studienjahr 2006 bei 35,5%. Gegenüber dem Höchststand von 2003 (38,9%) ist sie um gut drei Prozentpunkte gesunken. Es ist das dritte Jahr in Folge, dass diese Quote sinkt.
Zahlen, Zahlen, Zahlen
Deutlich weniger Studienanfänger und -anfängerinnen begannen ein Studium an den Universitäten in Sachsen (– 13%), Nordrhein-Westfalen (– 10%), Sachsen-Anhalt (– 10%), Baden-Württemberg (– 9%) und Bremen (– 8%) sowie an den Fachhochschulen in Bremen (– 12%) und Niedersachsen (– 11%). Hohe Zuwächse verzeichneten hingegen die Berliner Universitäten (+ 9%) und Fachhochschulen (+ 6%).
Zeitraum | Studierende | AnfängerInnen | Quote1 |
1995 | 1.857.906 | 262.407 | 26,8% |
1996 | 1.838.099 | 267.469 | 28,1% |
1997 | 1.824.107 | 267.445 | 28,5% |
1998 | 1.801.233 | 272.473 | 29,2% |
1999 | 1.773.956 | 291.447 | 31,3% |
2000 | 1.799.338 | 314.956 | 33,5% |
2001 | 1.868.666 | 344.830 | 36,1% |
2002 | 1.939.233 | 358.946 | 37,1% |
2003 | 2.019.831 | 377.504 | 38,9% |
2004 | 1.963.598 | 358.870 | 37,1% |
2005 | 1.986.106 | 356.076 | 37,0% |
20062 | 1.979.102 | 343.712 | 35,5% |
Hinweis/Fußnote
1 StudienanfängerInnequote - gemeint ist also der Anteil der StudienanfängerInnen an der gleichaltrigen Bevölkerung
2 Vorläufige Ergebnisse
Zu einigen ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen liegen bereits gesonderte Zahlen vor zur Entwicklung verglichen mit dem letzten Jahr. Und schon letztes Jahr ging es dort bergab. Man kann also darauf wetten, dass bald wieder mit dem sorgenvollen Ruf "Ingenieurmangel droht" zu rechnen ist. Interessant ist jedoch, dass bei Informatik und Bauingenieurwesen bei Frauen kein Rückgang zu verzeichnen war. Vielleicht sind das erste Auswirkungen der zunehmenden Bemühungen vieler ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen, besonders auch Frauen anzusprechen. Wobei bei Maschinenbau da offenbar zu wenig getan wird.
Informatik: -5,0% (Männer -6,1% / Frauen +0,1%)
Maschinenbau/Verfahrenstechnik: -7,5% (-6,2 / -13,6%)
Elektrotechnik: -15,1% (-15,1% / -15,3%)
Bauingenieurwesen: -5,2% (-7,2% / +0,9%)
Streit um die Gründe
Nach den Worten von Bundesbildungsministerin Schavan (die vom Handelsblatt interviewt wurde) gibt es "keinen direkten Zusammenhang" zwischen den rückläufigen Erstsemesterzahlen und den neuen Studiengebühren. Sie macht es vor allem daran fest, dass es auch Bundesländer gibt, die Studiengebühren einführen und trotzdem steigende Studierendenzahlen aufweisen (Bayern, Hamburg).
Andere PolitikerInnen wollen einen Zusammenhang zwischen Studiengebühren und sinkenden Erstsemesterzahlen nicht so deutlich ausschließen. So sagte Sachsen-Anhalts Wissenschaftsminister Jan-Hendrik Olbertz ebenfalls im Handelsblatt: "Der Zusammenhang mit den Gebühren ist nicht einfach von der Hand zu weisen, aber auch nicht der einzige Beweggrund, nicht zu studieren."
Der studentische Dachverband fzs spricht dagegen von einer fatalen Wirkung, die Studiengebühren zeigen würden. Auf Bundesebene verfehle Bildungsministerin Schavan damit das 40-Prozent-Ziel [Studienanfängerquote, Anm. der Red.] aus dem Koalitionsvertrag. Der fzs verweist darauf, dass in vergleichbaren Industrienationen durchschnittlich 53 Prozent aller jungen Menschen ein Studium aufnehmen.
"Auf der Ebene der Länder sind die Zahlen Ausdruck für die seit Jahren falscher Bildungspolitik welche Löcher in Länderhaushalten auf Kosten von jungen Menschen stopfen will." erklärt Elke Michauk aus dem fzs Vorstand. "Wir brauchen Gebührenfreiheit und eine armutsfeste, bedarfsdeckende Grundsicherung für alle Studieninteressierten, die nicht zurück zu zahlen ist. Nur so können mehr Menschen für unsere Gesellschaft erfolgreich durch das Bildungssystem kommen." ergänzte Konstantin Bender, ebenfalls im fzs Vorstand, abschließend.
Das Deutsche Studentenwerk ist mit den Schlussfolgerungen etwas vorsichtiger, fragt aber schon im Titel seiner Pressemitteilung: "Weniger Erstsemester wegen falscher Hochschulpolitik?" und beantwortet dies später so: "Klar ist: Die Hochschulpolitik der vergangenen Jahre hat das Ziel , mehr junge Menschen für ein Studium zu begeistern, verfehlt. Jetzt muss man mit konkreten Maßnahmen gegensteuern."
Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks, stellt aber auch fest: "Die Frage, ob Studiengebühren, wie auch das Deutsche Studentenwerk befürchtet, eine abschreckende Wirkung haben, kann man auf Basis der nun vorliegenden Zahlen noch nicht beantworten. Hier ist die Entwicklung der nächsten Jahre abzuwarten, um zu einer wirklich abgesicherten Antwort zu kommen. Im Bündel möglicher Ursachen für den Rückgang der Studienanfängerzahlen kann neben möglichen Unklarheiten zu den Kosten und der Finanzierung eines Studiums auch die Ausweitung des Numerus Clausus auf weitere Fächer als ein möglicher Grund herangezogen werden."
Die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Professor Margret Wintermantel, sieht den Grund für sinkenden Anfängerzahlen fast ausschließlich in den Zulassungsbeschränkungen. "Aufgrund der mangelnden Ausfinanzierung und der Einführung der betreuungsintensiven neuen Bachelor- und Masterstudiengänge haben die Hochschulen aber immer häufiger keine andere Wahl, als die Zulassungen noch weiter zu beschränken."
Allerdings lassen sich allein durch die Zulassungsbeschränkungen die unterschiedlichen Entwicklungen auch nicht vollkommen erklären.
Offenbar Mischung verschiedener Faktoren
Betrachtet man die Zahlen im Detail, kann man am ehesten der differenzierten Betrachtung des DSW zustimmen. Neben Unklarheiten bei der Studienfinanzierung (fehlende Anpassung des BAföG, Einführung von Studiengebühren und damit zusätzlicher Kosten) sind auch die zunehmenden Zulassungsbeschränkungen an vielen Hochschulen der Grund, dass schließlich und endlich weniger Menschen ein Studium beginnen. Dazu mögen auch noch sinkende SchulabsolventInnen-Zahlen vor allem in den östlichen Bundesländern kommen.
In Sachsen beispielsweise gibt es keine allgemeinen Studiengebühren (zwar eine Debatte darüber, es ist aber klar, dass frühestens 2010 welche eingeführt würden) - trotzdem sanken die Erstsemesterzahlen dort am stärksten. Und auch in Sachsen-Anhalt zieht das Studiengebühren-Argument nicht. Allerdings in letzterem Land offenbar auch keine besonders gestiegenen Zulassungsbeschränkungen.
Andererseits - das zeigt auch manche Frage in den Foren von Studis Online - mag so manchen potentiellen Studierenden die Lage in Sachen Studiengebühren so erscheinen, als ob es schon überall welche gibt. Das stimmt zwar nicht, andererseits gibt es auch nirgendwo eine absolute Garantie darauf, dass Studiengebühren nicht auch noch in den bisher gebührenfreien Ländern kommen.
Von den Studiengebühren abgesehen ist vor allem die fehlende Anpassung des BAföG (von diversen weiteren mehr oder weniger großen Kritikpunkten daran ganz abgesehen) ein entscheidender Punkt, der sicherlich nicht zur Erhöhung der Studierneigung führt. Gerade bei diesem Punkt drücken sich Bund und Länder jedoch darum, Geld in die Hand zu nehmen und setzen - wie bspw. Bundesbildungsministerin Schavan - eher auf die Studienkredite, die zwar für einige eine Verbesserung darstellen, aber für die Masse eher von Nachteil sind (vgl. Sechs Jahre kein BAföG-Anpassung? und BAföG vs. Studienkredite: Des einen Freud', des anderen Leid).
Quellen und weiteres zum Thema
- 3,5% weniger Erstsemester im Studienjahr 2006 (Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes)
- Studiengebühren zeigen fatale Wirkung (fzs-Pressemitteilung, 29.11.2006)
- Deutsches Studentenwerk: "Weniger Erstsemester wegen falscher Hochschulpolitik?" (Pressemitteilung des DSW, 29.11.2006)
- HRK besorgt über neueste Statistik: Trotz starker Jahrgänge gehen Studienanfängerzahlen zurück (Pressemitteilung der Hochschulrektorenkonferenz, 29.11.2006)
- Studienanfängerquote sinkt weiter (Artikel von Studis Online zu den Studienanfängerzahlen 2005)