Arbeitsmarktprognose 2006Wie ist die Job-Lage für angehende Lehrerinnen und Lehrer?
Hinweis: Von diesem Artikel gibt es auch eine aktuelle Fassung für 2007: Lehrerarbeitsmarkt 2007
Die Unterrichtsversorgung an den Schulen in Deutschland wird sich dadurch weiter verschlechtern. Das befürchtet die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) mit Blick auf die Zahlen der aktuellen Arbeitsmarktprognose. Die WissenschaftlerInnen der AG Bildungsforschung/Bildungsplanung und die Bildungsgewerkschaft hatten die Untersuchung am Donnerstag während einer Pressekonferenz in Berlin vorgestellt.
"Die Schere geht immer weiter auseinander: Die Länder stellen Jahr für Jahr viel weniger Lehrkräfte ein, als die Kultusministerkonferenz (KMK) 2003 in einer Lehrerbedarfsstudie festgestellt hatte. In vier Jahren klafft zwischen Prognose und Realität eine Lücke von 16.200 Lehrkräften", sagte GEW-Vorsitzender Ulrich Thöne. Allein 2006 seien 1.400 Lehrer zuwenig eingestellt worden. Offenbar sei diese Entwicklung der KMK mittlerweile so peinlich, dass sie seit 2005 darauf verzichtet hat, eigene Daten zur Lehrereinstellung zu veröffentlichen.
"Das Diktat der Sparkommissare und der Bildungsföderalismus führen zu einer paradoxen Situation: Während in Mathe und Physik an beruflichen und Hauptschulen sowie vielen Regionen bereits heute Lehrermangel herrscht, haben über 26.000 junge Kolleginnen und Kollegen keine Stelle erhalten. Hochqualifizierte Pädagogen, die an den Schulen dringend gebraucht werden", betonte der GEW-Vorsitzende.
In den östlichen Bundesländern werde gerade der Fehler aus dem Westen wiederholt: Statt kontinuierlich Lehrkräfte einzustellen, haben auch 2006 nicht einmal 1.150 Pädagogen zwischen Rügen und Plauen den Einstieg in den Beruf schaffen können.
Wunsch vs. Realität
2005 sind mit 24.646 LehrerInnen (Schätzung der AG bfp) wieder weniger Lehrkräfte eingestellt worden, als in der erwähnten Studie der KMK als wünschenswert dargestellt. Zwar ist die Differenz geringer als in den Vorjahren und die Zahl der Einstellungen erstmals seit Jahren wieder angestiegen. Trotzdem: Stellt man die Prognosen der KMK den Daten von 2003+2004 und den Schätzungen für 2005+2006 gegenüber, so stellt man fest, dass bereits etwa 16.200 LehrerInnen weniger als von der KMK angenommen eingestellt wurden.
Wie man der folgenden Tabelle auch entnehmen kann, lag die AG bfp mit ihren Schätzung recht nahe an den realen Daten laut Erhebung der KMK. 2006 hat die KMK auf eine gesonderte Erhebung verzichtet, erst Mitte 2007 sollen für 2005 und 2006 endgültige Daten präsentiert werden.
KMK (Prognose) | KMK (Daten) | AG bfp | |
2003 | 30.000 | 26.572 | 26.425 |
2004 | 31.000 | 23.597 | 22.739 |
2005 | 27.000 | 22.400 | |
2006 | 26.000 | 24.646 |
Arbeitslosigkeit von Lehrkräften
Genaue Zahlen liegen dazu nicht vor, die AG bpf versucht nicht desto trotz auf Grund von Erfahrungswerten die Zahl der abgelehnten BewerberInnen zu schätzen. Schwierig ist das deswegen, weil nur die Gesamtzahl an Bewerbungen bekannt ist, nicht aber, wie viele verschiedene Personen dahinter stecken, wie viele sich also auf mehrere Stellen bewerben.
Insgesamt gab es in 12 Bundesländern (mit ca. 70% der Bevölkerung) ungefähr 47.600 Bewerbungen und 14.800 Einstellungen. Schätzungsweise 30% der Bewerbungen sind Doppelbewerbungen. Somit verbleiben 33.300 BewerberInnen, von denen folglich 18.500 ohne Stelle verbleiben. Hochgerechnet auf alle Bundesländer könnten somit ca. 26.400 ausgebildete Lehrkräfte ohne Job verblieben sein.
Zwar gibt es praktisch bei allen Schulformen einen Überhang an Bewerbungen. Besonders groß ist der Überhang bei Grundschulen und Gymnasien. Dazu kommt aber auch noch ein fachspezifischer Überhang. Diesen Aspekt kann die Untersuchung der AG bpf aber leider nicht genauer differenzieren. Traditionell sind aber Fächer wie Informatik oder Naturwissenschaften stärker gesucht, als bspw. Kunst oder Deutsch.
Bewerbungen und Einstellungen 2006
Nach Bundesland und teilweise Schulart aufgeschlüsselt
Baden-Württemberg
Hier liegen nur ungefähre Zahlen vor. Demnach gab es 8120 Bewerbungen, 5000 Stellen wurden geschaffen. Besonders günstig (aus Sicht der BewerberInnen) war die Situation bei wissenschaftlichen LehrerInnen für berufliche Schulen: Bei 1180 Bewerbungen wurden 880 Stellen vergeben. Für Grund- und Hauptschulen zusammen (wobei vermutlich der Bedarf an HauptschullehrerInnen höher ist, bei Grundschulen geringer) gab es 2510 Bewerbungen und immerhin noch 1440 Einstellungen. Besonders schlecht sah es bei Sonderschulen, Realschulen und Gymnasien aus: Hier konnten weniger als die Hälfte der Bewerbungen berücksichtigt werden.
Bayern
Hier sind die Zahlen sehr unvollständig. Bei Grundschulen gab es demnach 1595 Bewerbungen, 1077 Stellen wurden schließlich besetzt. Bei Hauptschulen waren Angebot und Nachfragen angeblich mit je 335 im Gleichgewicht. Über alle Schularten gerechnet wurden ca. 1640 Stellen besetzt.
Berlin
Ingesamt wurden 630 Stellen besetzt - Bewerbungen gab es jedoch 2409. Ungünstig war das Verhältnis bei Gymnasien und Gesamtschulen: Für insgesamt 135 Stellen gingen 1069 Bewerbungen ein. Bei Sonderschulen gab es 229 Bewerbungen für 26 Stellen.
Brandenburg
Für diesen Bundesland ist die Zahl der Bewerbungen nicht bekannt. Einstellungen gab es insgesamt ca. 220.
Bremen
In Bremen war das Mißverhältnis zwischen Bewerbungen und Einstellungen besonders groß. Gerade 204 Personen wurden 2006 insgesamt eingestellt, Bewerbungen gab es insgesamt 1.951 (wobei darunter auch Dopplungen dabei sein können, die sich zum 1. Februar und zum Schuljahresbeginn 2006/2007 beworben haben). Dabei gab es praktisch keine Schulart, bei der das Verhältnis zwischen Bewerbungen und Einstellungen stark von der Quote 10:1 abgewichen wäre.
Hamburg
Hamburg war sehr beliebt, bei 5329 Bewerbungen konnten jedoch nur 670 mit Stellen versorgt werden. Trotz großen Bewerberüberhangs (2590 bei nur 294 Einstellungen) wurden aber bei Gymnasien 38 Seiteneinsteiger eingestellt - offenbar gibt es fachspezifisch trotzdem noch zu wenig BewerberInnen. Am günstigsten noch die Lage an beruflichen Schulen, wobei auch dort nur 79 der 417 Bewerbungen berücksichtigt werden konnten.
Hessen
Bewerbungen gab es 7261, eingestellt wurden jedoch nur 1390. Besonders schlecht sah es an Grundschulen (2357 Bewerbungen, 340 Stellen) und Gymnasien (2750 zu 444) aus.
Mecklenburg-Vorpommern
Hier gab es in 2006 gerade 66 Einstellungen, die Zahl der Bewerbungen ist nicht bekannt.
Niedersachsen
Besetzt wurden ca. 2747 Stellen, Bewerbungen gab es jedoch ca. 9376. In keiner Schulart entsprach die Zahl der Stellen auch nur annähernd den Bewerbungen. Trotzdem wurden gerade an Gymnasien auch einige Seiteneinsteiger berücksichtigt.
Nordrhein-Westfalen
Für dieses Bundesland lagen erneut keine BewerberInnen-Zahlen vor. Eingestellt wurden insgesamt 6847 Personen, davon 121 Seiteneinsteigen (was auch hier auf Mangel in bestimmten Fächern hindeutet).
Rheinland-Pfalz
6519 Bewerbungen standen in Rheinland-Pfalz 1199 Einstellungen gegenüber. Bei den einzelnen Schularten sind die Zuordnungen jedoch etwas ungenau, so dass auf eine genauere Aufschlüsselung verzichtet wird.
Saarland
Im Saarland standen 919 Bewerbungen 306 Einstellungen gegenüber. An beruflichen Schulen wurden offenbar alle Bewerbungen berücksichtigt, an anderen Schulen überwogen die Bewerbungen deutlich stärker bis hin zu 203 BewerberInnen auf Gesamtschulen bei nur 26 Stellen.
Sachsen
Insgesamt wurden 430 Einstellungen vorgenommen, davon 29 SeiteneinsteigerInnen.
Sachsen-Anhalt
Ca. 20% der BewerberInnen (144 von 617) konnten in Sachsen-Anhalt eine Stelle erhalten. An Sonderschulen gab es 86 Bewerbungen und immerhin 35 Stellen. Schlechter sah es bei Gymnasien (und Gesamtschulen/Oberstufe) aus: 22 Stellen bei 146 Bewerbungen.
Schleswig-Holstein
Für Schleswig-Holstein lagen nur Zahlen der Bewerbungen und Einstellungen zum Schuljahresbeginn 2006/2007 vor, nicht aber für Einstellungen zum 1. Februar 2006. Bezogen auf den Schuljahresbeginn konnten bei 2869 Bewerbungen (Personen) nur 463 berücksichtigt werden (teilweise Teilzeit), also etwas unter 20%. Bei beruflichen Schulen konnten ca. 50% der Bewerbungen berücksichtigt werden, bei Sekundarstufe II bzw. Gymnasium dagegen nur 85 von 911.
Thüringen
Hier sind die Zahlen etwas widersprüchlich und werden nicht referiert. Insbesondere liegen keine BewerberInnenzahlen vor.
Quellen und Hintergründe
- Arbeitsmarktprognose und aktueller Stand für angehende Lehrerinnen und Lehrer 2005 (Bericht bei Studis Online mit ausführlicher Erläuterung der KMK-Studie von 2003)
- Länder stellen 1.400 Lehrkräfte weniger ein als von der KMK erwartet (Pressemitteilung der GEW, 23.11.2006)
- [1] Teilarbeitsmarkt Schule - Arbeitsmarktbericht für das Jahr 2006, AG Bildungsforschung/ Bildungsplanung, Universität Duisburg-Essen, November 2006 (PDF)
- Teilarbeitsmarkt Schule - Arbeitsmarktbericht für das Jahr 2005, AG Bildungsforschung/ Bildungsplanung, Universität Duisburg-Essen, November 2005 (PDF)
- [2] Lehrereinstellungsbedarf- und Lehrereinstellungsangebot in der Bundesrepublik Deutschland - Modellrechnung 2002 – 2015, Kultusministerkonferenz (KMK), Bonn 2003 (PDF)
- Schüler, Klassen, Lehrer und Absolventen der Schulen 1994 bis 2003 (viele Statistiken zu diesen Jahren, z.B. Schüler-Lehrer-Relation etc., PDF von der KMK)
- Lehreberuf in Europa: Angebot und Nachfrage bezogen auf allgemeinbildenden Sekundarbereich (ausführliches PDF-Dokument bei Eurydice - Das Informationsnetz zum Bildungswesen in Europa)