Lehrerarbeitsmarkt 2005Arbeitsmarktprognose und aktueller Stand für angehende Lehrerinnen und Lehrer
Hinweis: Von diesem Artikel gibt es auch eine aktuelle Fassung für 2007: Lehrerarbeitsmarkt 2007
Bis zum Jahr 2015 werden laut einer Studie [2] der Kultusministerkonferenz (KMK) fast die Hälfte der knapp 789.000 LehrerInnen - meist altersbedingt - aus dem Dienst scheiden. An NeuabsolventInnen von Lehramtsstudiengängen oder genauer: des anschließenden Vorbereitungsdienstes stehen jedoch nur 297.000 Personen zur Verfügung. Dies könnte zur Annahme führen, dass LehrerInnen gesucht sein werden und eine Aufnahme eines Lehramtsstudiums aus diesem Blickwinkel lohnen sollte.
Von der Schwierigkeit einer Prognose ...
Ganz so ist dies jedoch - pauschal gesagt - nicht. Zwar können die SchülerInnenzahlen auf Grund von statistischen Daten (Geburtenrate etc.) recht gut vorausgesagt werden. Auch das Alter der aktuellen LehrerInnen ist genau bekannt. Aber schon bei der Verteilung der SchülerInnen auf die verschiedenen Schularten (was dem mehrgliedrigen Schulsystem geschuldet ist und selbst wieder Gegenstand von Debatten und Änderungen sein könnte) wird es schwieriger.
Die Hauptschwierigkeit einer Prognose des Bedarfs an Lehrkräften sind jedoch die politischen Rahmenbedingungen. So hängt der Bedarf vor allem daran, wie lange die LehrerInnen arbeiten müssen und wieviele SchülerInnen pro Klasse betreut werden ("Klassenteiler"). Auch die Frage, wann in Rente gegangen werden kann, verändert die Prognose. Andere Möglichkeiten, den Bedarf an neuen Lehrkräften zu senken, kann auch das stärkere Heranziehen der ReferendarInnen für regulären Unterricht ohne Betreuung sein.
Die KMK jedenfalls ging wohl eher von zukünftig etwas besseren Betreuungsrelationen aus oder sah die "Einsparmöglichkeiten" (die zwar die Betreuung nicht quantitativ verschlechtern, möglicherweise aber qualitativ, da LehrerInnen die Mehrarbeit nicht unbedingt gleichkonzentriert durchstehen) nicht.
... und dem Versuch, doch Prognosen zu wagen
Die AG Bildungsforschung/Bildungsplanung (AG bfp) der Universität Duisburg-Essen untersucht seit 2003 jährlich den Stand am "Teilarbeitsmarkt Schule", vor einiger Zeit wurde dazu der "Arbeitsmarktbericht für das Jahr 2005" veröffentlicht. In diesem Bericht findet sich eine Gegenüberstellung verschiedener möglicher Prognosen.
Das Modell 1 geht dabei von konstanten Betreuungsrelationen aus. D.h. der Bedarf an LehrerInnen wird mit dem gleichen Betreuungsverhältnis wie heute fortgeschrieben. Wegen der sinkenen SchülerInnenzahl würde hier auch der Bedarf an Lehrkräften deutlich sinken.
Modell 2 nimmt einfach an, dass die Lehrerzahl konstant bleibt. Dies würde zu deutlich besseren Betreuungsrelationen und - auf Dauer angewandt - zu einer Angleichung der Altersgruppen innerhalb der Lehrerkollegien führen.
Das Modell 3 ist die Prognose der KMK aus ihrer Modellrechnung [2], die von leicht sinkenden Arbeitsplätzen für LehrerInnen ausgeht, aber die Betreuungsrelation doch etwas verbessert (es ist deutlich näher an Modell 2 angesiedelt, denn an Modell 1).
Die Bilanz aus Einstellungsbedarf nach den Modellen und Einstellungsangebot2 ergibt dann, ob es einen Mangel an Lehrkräften geben wird (negativer Wert) oder ob doch wieder zu viele LehrerInnen ausgebildet werden. Wie man sieht, könnten es nach wie vor zu viele sein - denn Modell 1 ist keineswegs unrealistisch.
Die Schüler-Lehrerrelation lag im Schuljahr 2003/2004 an Grundschulen bei 20,0; in den Klassenstufen 5-10 bei 16,5 und bei Oberstufen (Gymnasien, aber auch BOS, FOS u.ä.) bei 12,7. Berufsbildende Schulen haben bei Vollzeit-Klassen einen Wert von 13,8 (bei Teilzeit-Ausbildungen 37,0). An Förder/Sonderschulen kommt auf eineN LehrerIn 6,7 SchülerInnen, im (kaum ausgebauten) Vorschulbereich 11,6.
Dabei ist noch gar nichts über die Stellenaussichten in den einzelnen Bundesländern abhängig von der Schulart gesagt. Hier gibt es ebenfalls noch starke Unterschieden - einige Hinweise finden sich im letzten Teil des Artikels. Hinzu kommt schließlich noch, dass es beliebtere und weniger beliebte Lehrfächer gibt.
Modell 1: konstante Relationen | Modell 2: konstante Personenzahl | Modell 3: KMK- | |
Einstellungsbedarf | 221.000 | 333.000 | 316.000 |
Einstellungsangebot2 | 273.000 | ||
Bilanz | 52.000 | -60.000 | -43.000 |
2 Das Einstellungsangebot ist selbst wieder geschätzt, kann aber auf Basis der Erstsemesterzahlen aus den letzten Jahren und der Abbruchsquoten relativ gut eingeschätzt werden. Die Schätzung der AG bfp dürfte daher nicht unrealistisch sein - ist aber eben auch von Berichten wie diesem hier beeinflussbar (allerdings erst bezogen auf die Jahre ab 2013, denn von Studienbeginn bis Abschluss des Referendariats vergehen gut 7 Jahre.
Tabelle 1: Verschiedene Szenarien für den Bedarf an LehrerInnen bezogen auf die Schuljahre 2004/05 bis 2015/16 (angelehnt an Tabelle 5 aus [1]).
In den letzten Jahren: Sinkende Einstellungszahlen
2005 sind mit ca. 22.400 LehrerInnen (Schätzung der AG bfp) erneut deutlich weniger Lehrkräfte eingestellt worden, als in der schon zitierten Studie der KMK vorausgesagt. Stellt man die Prognosen der KMK den Daten von 2003+2004 und der aktuellen Schätzung für 2005 gegenüber, so stellt man fest, dass bereits etwa 14.800 LehrerInnen weniger als von der KMK angenommen eingestellt wurden.
Wie man der folgenden Tabelle auch entnehmen kann, lag die AG bfp mit ihren Schätzung recht nahe an den realen Daten laut Erhebung der KMK. Die Ergebnisse dieser Erhebung liegen immer erst Mitte des Folgejahres vor.
KMK (Prognose) | KMK (Daten) | AG bfp | |
2003 | 30.000 | 26.572 | 26.425 |
2004 | 31.000 | 23.597 | 22.739 |
2005 | 27.000 | 22.400 |
Bewerbungen und Einstellungen 2005
Nach Bundesland und teilweise Schulart aufgeschlüsselt
Für zwölf Länder standen der AG bfp genauere Daten zur Verfügung, dort gab es bei 14.100 Einstellungen insgesamt 37.700 Bewerbungen. Nicht bekannt ist, wieviele BewerberInnen sich gleichzeitig in mehreren Bundesländern beworben haben. Die AG bfp geht von ca. 30% Doppelbewerbungen aus, dann würden es noch 26.000 BewerberInnen gewesen sein, von denen ca. 12.000 leer ausgingen. Hochgerechnet auf die gesamte Bundesrepublik muss von etwa 20.000 ausgebildeten LehrerInnen ausgegangen werden, die 2005 keine Anstellung gefunden haben.
Baden-Württemberg
Hier liegen nur ungefähre Zahlen vor. Demnach gab es 8700 Bewerbungen, 5000 Stellen wurden geschaffen. Besonders günstig (aus Sicht der BewerberInnen) war die Situation bei wissenschaftlichen LehrerInnen für berufliche Schulen: Bei 1170 Bewerbungen wurden 980 Stellen vergeben. Für Grund- und Hauptschulen zusammen (wobei vermutlich der Bedarf an HauptschullehrerInnen höher ist, bei Grundschulen geringer) gab es 2680 Bewerbungen und immerhin noch 1800 Einstellungen. Besonders schlecht sah es bei Sonderschulen, Realschulen und Gymnasien aus: Hier konnten weniger als die Hälfte der Bewerbungen berücksichtigt werden.
Bayern
Beworben haben sich hier 5845 Personen, 4347 wurden eingestellt auf 2549 vollen Stellen (d.h. die meisten bekamen nur eine Teilzeitstelle). An Hauptschulen wurden dabei sogar alle BewerberInnen mit einer Stelle versorgt (möglicherweise sogar Vollzeit). Bei allen anderen Schularten konnten nicht alle BewerberInnen berücksichtigt werden, sondern nur zwischen 63% (Förderschulen) und 76% (Gymnasien).
Berlin
Für Berlin liegen leider keine Aufschlüsselungen der Bewerbungen für einzelne Schularten vor. Insgesamt gab es jedoch 1952 Bewerbungen und nur 572 Stellen. Trotz des Bewerberüberhangs gab es aber bei beruflichen Schulen nicht genügend bzw. nicht die richtigen BewerberInnen, dort wurden 25 SeiteneinsteigerInnen eingestellt. Bei Gymnasien zwar nur 2, aber auch hier deutet das auf Mangel bei bestimmten Fächern hin.
Bremen
In Bremen war das Mißverhältnis zwischen Bewerbungen und Einstellungen besonders groß. 225 Personen wurden 2005 insgesamt eingestellt, Bewerbungen gab es zum 1. Februar wie auch zum Schuljahresbeginn 2005/2006 jeweils um die 1100 (wobei hier sicher viele Dopplungen dabei sind). Am besten waren die Chancen noch an beruflichen Schulen, aber selbst dort konnte nur etwas weniger als die Hälfte der BewerberInnen eine Stelle gegeben werden.
Hamburg
Auch Hamburg war sehr beliebt, bei fast 2400 Bewerbungen konnten nur 586 mit Stellen versorgt werden. Trotz großen Bewerberüberhangs (über 1000 bei nur 195 Einstellungen) wurden aber bei Gymnasien 8 Seiteneinsteiger eingestellt - offenbar gibt es fachspezifisch trotzdem noch zu wenig BewerberInnen. Am günstigsten noch die Lage an beruflichen Schulen.
Hessen
Hier beziehen sich die Zahlen nur auf den Schuljahresbeginn 2005/2006, für etwaige Einstellungen zum 1. Februar 2005 lagen keine Zahlen vor. Bewerbungen gab es 4180, eingestellt wurden jedoch nur 1121. BewerberInnen um eine Stelle an einer beruflichen Schule wurden fast zu 100% mit einer Stelle belohnt. Besonders schlecht sah es dagegen an Grundschulen (1546 Bewerbungen, 200 Stellen) und Gymnasien (1715 zu 545) aus.
Mecklenburg-Vorpommern
Hier gab es in 2005 nur sehr wenige Einstellungen (Grund- und Hauptschulen nur 3 Stellen!), die Bewerbungen überstiegen daher die Stellenangebote überall stark.
Niedersachsen
Besetzt wurden ca. 1625 Stellen, Bewerbungen gab es jedoch weit über 5000. In keiner Schulart entsprach die Zahl der Stellen auch nur annähernd den Bewerbungen. Selbst an berufsbildenden Schulen gab es fast viermal soviele BewerberInnen wie Stellen. Trotzdem wurden aber auch einige Seiteneinsteiger berücksichtigt.
Nordrhein-Westfalen
Für dieses Bundesland lagen leider keine BewerberInnen-Zahlen vor. Eingestellt wurden insgesamt 4560 Personen, an Berufskollegs insgesamt 122 Seiteneinsteigen (was auch hier auf Mangel in bestimmten Fächern hindeutet).
Rheinland-Pfalz
3673 Bewerbungen standen in Rheinland-Pfalz 1571 Einstellungen gegenüber. Bei den einzelnen Schularten sind die Zuordnungen jedoch etwas ungenau, so dass auf eine genauere Aufschlüsselung verzichtet wird.
Saarland
Im Saarland standen zum Schuljahresbeginn 2005/2006 735 Bewerbungen 247 Einstellungen gegenüber. An beruflichen Schulen gab es 18 Stellen zu vergeben bei 22 Bewerbungen, an anderen Schulen überwogen die Bewerbungen deutlich stärker bis hin zu 152 BewerberInnen auf Realschulen bei nur 27 Stellen.
Sachsen
Hier sind die Zahlen lückenhaft und daher nicht verwertbar.
Sachsen-Anhalt
Nur etwas mehr als 10% der BewerberInnen konnten in Sachsen-Anhalt eine Stelle erhalten. Dabei wurde in keiner Schulart stark von dieser Quote abgewichen.
Schleswig-Holstein
Für Schleswig-Holstein lagen nur Zahlen der Bewerbungen und Einstellungen zum Schuljahresbeginn 2005/2006 vor, nicht aber für Einstellungen zum 1. Februar 2005. Bezogen auf den Schuljahresbeginn konnten bei 3401 Bewerbungen (Personen) 950 berücksichtigt werden (teilweise Teilzeit), also etwas unter 30%. Bei beruflichen Schulen konnten etwas über 50% der Bewerbungen berücksichtigt werden, bei Sekundarstufe II bzw. Gymnasium dagegen nur 180 von 1076.
Thüringen
Hier standen 2587 Bewerbungen zum Schuljahresbeginn 2005/2006 ganze 413 Stellen gegenüber. Auffällig ist die hohe Zahl von SeiteneinsteigerInnen bei beruflichen Schulen (161 bei insgesamt nur 181 vergebenen Stellen, aber 927 Bewerbungen). An Gymnasien wurde nur 1 Person eingestellt - bei 450 Bewerbungen. Das dürfte allerdings nicht auf Dauer so bleiben. Genauso dürften auch an Regelschulen (in Thüringen anstelle von Haupt- und Realschulen) wieder LehrerInnen eingestellt werden - 2005 jedoch nicht, bei 254 Bewerbungen.
- Quellen und Hintergründe
- [1] Teilarbeitsmarkt Schule - Arbeitsmarktbericht für das Jahr 2005, AG Bildungsforschung/ Bildungsplanung, Universität Duisburg-Essen, November 2005 (PDF)
- [2] Lehrereinstellungsbedarf- und Lehrereinstellungsangebot in der Bundesrepublik Deutschland - Modellrechnung 2002 – 2015, Kultusministerkonferenz (KMK), Bonn 2003 (PDF)
- Schüler, Klassen, Lehrer und Absolventen der Schulen 1994 bis 2003 (viele Statistiken zu diesen Jahren, z.B. Schüler-Lehrer-Relation etc., PDF von der KMK)
- Lehreberuf in Europa: Angebot und Nachfrage bezogen auf allgemeinbildenden Sekundarbereich (ausführliches PDF-Dokument bei Eurydice - Das Informationsnetz zum Bildungswesen in Europa)