Keine FortschritteStudienabbruchquoten bleiben hoch
Bisher wurden die Studienabbruchquoten vereinfacht dadurch ermittelt, dass die Zahl der Absolvent:innen eines Jahrgangs (aktuell 2020) mit der der Studienanfänger:innen entsprechend 3 bis 4 Jahre vorher verglichen wurde. Diesmal wurde erstmals ein zweiter Wert ermittelt, der diejenigen berücksichtigt, die jeweils in den Fächern mehr als sonst in einem höherem Semester über der Regelstudienzeit eingeschrieben sind. Grund dafür ist die Corona-Pandemie, die sich im Sommersemester 2020 erstmals auf die Hochschulen auswirkte. Die Vermutung ist, dass einige daher ihren Abschluss verschieben mussten, nicht aber abbrechen Einige davon könnten dann zwar später doch auch abbrechen, aber jedenfalls dürfte die „echte“ Abbruchquote irgendwo zwischen der klassisch ermittelten und der mehr in höheren Semestern im Studium verbliebenen liegen – im besten Fall näher an der korrigierten (niedrigeren) Quote. In einigen Fachbereichen scheint der Effekt des Studienverbleibs so niedrig gewesen sein, dass wie gehabt nur eine Abbruchquote ermittelt werden konnte (Lehramt, Medizin). Unerfreulich bleibt die sehr hohe Abbruchquote beim Bachelor an Universitäten im Bereich Geistes- und Naturwissenschaften (inkl. Mathematik), aber auch bei den Ingenieurwissenschaften. Abbruchsquoten von (fast) 60% bei Mathematik und Physik deuten auf ein grundsätzliches Problem hin. Geringe Abbruchsquoten gibt es dagegen bei Medizin und Lehramt. An den Hochschulen für angewandte Wissenschaften liegen die Bachelor-Quoten etwas geringer, sind aber mit über 40% bspw. bei Elektrotechnik auch nicht gerade erfreulich. Besonders niedrig liegen die Werte dagegen bei Sozialwissenschaften/Sozialwesen mit meist unter 10%. Beim Master wiederum sind die Abbruchsquoten deutlich geringer als beim Bachelor. An Unis sind über 35% bei Geisteswissenschaften/Sport dennoch unerfreulich.1. Studienabbruchsquoten Abschlussjahrgang 2020
2. Studienabbruchsquoten im Detail
Die Jahreszahlen in den folgenden Tabellen geben immer den Studienbeginn an, ermittelt wurden die Quoten beim Bachelor dann an Hand der verzeichnetet Abschlüsse 3 Jahre später (für 2016/17 also 2020), beim Master zwei Jahre später.
Fachgruppen | 2010/11 | 2012/13 | 2014/15 | 2016/17 |
---|---|---|---|---|
insgesamt (ohne Lehramt) | 32 | 32 | 32 | 35-39 |
Geisteswissenschaften/Sport | 34 | 37 | 41 | 49 |
Rechts-/ Wirtschafts-/ Sozialwissenschaften | 28 | 24 | 21 | 21-26 |
Wirtschaftswissenschaften | 30 | 27 | 24 | 27-30 |
Sozialwissenschaften | 30 | 29 | 27 | 24-32 |
Pädagogik | 17 | 12 | 6 | 11-19 |
Mathematik/ Naturwissenschaften | 37 | 41 | 43 | 50-51 |
Mathematik | 51 | 54 | 58 | 59 |
Physik/Geowissenschaften | 40 | 45 | 49 | 60 |
Chemie | 42 | 45 | 47 | 52-54 |
Biologie | 22 | 28 | 27 | 31-36 |
Geographie | 17 | 19 | 17 | 30 |
Agrar-/ Forst-/ Ernährungswissenschaften | 28 | 25 | 20 | 18-28 |
Ingenieurwissenschaften | 33 | 35 | 35 | 35-39 |
Maschinenbau | 31 | 34 | 35 | 33-39 |
Informatik | 45 | 46 | 44 | 42-47 |
Elektrotechnik | 45 | 44 | 46 | 44-51 |
Bauingenieurwesen | 48 | 42 | 45 | 46 |
Architektur | 19 | 8 | 3 | - |
Kunst/Kunstwissenschaften | 23 | 31 | 29 | 30-37 |
Lehramt | - | 15 | 16 | 10-21 |
Fachgruppen | 2007-2009 | 2009-2011 | 2011-13 | 2013-15 |
---|---|---|---|---|
Rechtswissenschaften | 24 | 28 | 32 | 35-38 |
Medizin | 11 | 6 | 10 | 6 |
Lehramt | 13 | 14 | 14 | 10 |
Fachgruppen | 2010/11 | 2012/13 | 2014/15 | 2016/17 |
---|---|---|---|---|
insgesamt | 27 | 25 | 23 | 20-25 |
Rechts-/ Wirtschafts-/ Sozialwissenschaften | 21 | 18 | 17 | 13-19 |
Rechtswissenschaften | 37 | 35 | 24 | 23-25 |
Wirtschaftswissenschaften | 21 | 20 | 21 | 17-21 |
Sozialwissenschaften/Sozialwesen | 9 | 7 | 2 | 4-12 |
Mathematik/ Naturwissenschaften | 42 | 34 | 39 | 39-41 |
Agrar-/ Forst-/ Ernährungswissenschaften | 31 | 29 | 21 | 19-23 |
Gesundheitswissenschaften | 32 | 32 | 29 | 26-30 |
Ingenieurwissenschaften | 33 | 34 | 32 | 30-34 |
Maschinenbau | 32 | 35 | 35 | 32-37 |
Elektrotechnik | 42 | 41 | 37 | 44-46 |
Bauingenieurwesen | 33 | 34 | 32 | 30-34 |
Informatik | 41 | 39 | 37 | 30-33 |
Architektur | 23 | 20 | 11 | - |
Fachgruppen | 2016 | 2018 |
---|---|---|
Geisteswissenschaften/Sport | 30 | 37-38 |
Rechts-/ Wirtschafts-/ Sozialwissenschaften | 19 | 17-21 |
Mathematik/ Naturwissenschaften | 15 | 16-20 |
Agrar-/ Forst-/ Ernährungswissenschaften | 19 | 20-21 |
Ingenieurwissenschaften | 15 | 17-18 |
Lehramt | 9 | 16 |
Fachgruppen | 2016 | 2018 |
---|---|---|
Rechts-/ Wirtschafts-/ Sozialwissenschaften | 7 | 22-23 |
Ingenieurwissenschaften | 19 | 23-25 |
3. Diskussion: Was sagen die Abbruchquoten aus?
Vorschnelle Urteile dürften wenig hilfreich sein. Verschiedenste Faktoren, die sich auch gegenseitig aufheben (oder verstärken) können, spielen hier mit hinein. Die Studie des DZHW kann und will dazu nichts sagen.
Bleiben also nur Tendenzen und Vermutungen. Am offensichtlichsten: Die Studienfächer an Hochschulen für angewandte Wissenschaften / Fachhochschulen haben nach wie vor eine – teilweise deutlich – geringere Abbruchsquote als Uni-Studienangebote. Ob es an der tendenziell höheren Praxisorientierung liegt, den im Schnitt kleineren (und dadurch vielleicht „familiären“) Hochschulen oder einer „besseren“ Betreuung? Oder ob vielleicht einfach andere Leute diesen Hochschultyp bevorzugen, die auch eher zum Studienabschluss kommen?
Zählen wir doch die Gründe für eine höhere Abbrecherquote ganz sachlich auf:
Studienfach ist „schwer“
Betreuung schlecht
Studienfach ist anders, als vorgestellt
Berufsaussichten schlecht / verschlechtern sich
Keine Aussichten (mehr) auf gutes Gehalt nach Studium
zulassungsfrei, daher als Parkstudium genutzt
Und umgekehrt können Gründe für eine niedrigere Abbrecherquote die folgenden sein:
Studienfach ist „leicht“
Betreuung gut
Studienfach ist so, wie vorgestellt
(Sehr) gute Berufsaussichten
Aussichten auf (sehr) gutes Gehalt nach Studium
Zulassungshürden hoch, wer reinkommt, will es auch wirklich durchziehen
Doch wie passen die konkreten Daten zu den möglichen Gründen? Wir betrachten dabei nur die Bachelor-Zahlen – beim Master gibt es gerade bei HAW/FH offenbar zu geringe Fallzahlen, die das DZHW betrachten konnte und daher nur zwei Fachbereiche ausweist. Zusätzlich gab es bei Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften offenbar bei den Daten der Studienanfänger:innen 2016 eine sehr geringen Abbrecherquote. Doch auch bei den Studienanfänger:innen 2014 lag diese ähnlich hoch wie bei den neuen Zahlen – welcher Effekt dafür verantwortlich sein könnte, entzieht sich der Kenntnis des DZHW.
Lehramt und Medizin haben vermutlich das klarste Berufsbild, der Zugang ist stark (Medizin) oder jedenfalls meist beschränkt. Und die Berufsaussichten (Zahl der Jobangebote, Verdienst) – sehr grob betrachtet – positiv. Tatsächlich sind die Abbruchsquoten gering.
Bei Pädagogik (Uni) oder Sozialwesen (FH) dagegen ist das Berufsbild nicht mehr ganz so klar und die Aussichten auf den Verdienst weniger gut. Trotzdem sind die Abbruchsquoten ebenfalls sehr niedrig.
Seit langem die höchsten Abbruchquoten gibt es im Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik (=Mathematik/Naturwissenschaften und Ingenieurwissenschaften in den folgenden Tabellen), aber auch in den Geisteswissenschaften.
Bei Mathematik, Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften liegen die Abbruchquoten der 2020er-Uni-Absolvent:innen bei um die 50% – erschreckend hohe Zahlen. Aber auch die über 35% bei Ingenierwissenschaften (und jeweils um die 45% bei Informatik, Elektrotechnik und Bauingenieurwesen) sind kein Grund zur Freude.
An den HAW/FH liegen Mathematik/Naturwissenschaften zwar besser, aber dennoch um die 40%, die Ingenieurwissenschaften über 30% (dabei Elektrotechnik um die 45%!).
Da viele der genannten Fächer zulassungsfrei sind, mag ein unbekannter Anteil tatsächlich auf ein „Parkstudium“ zurückgehen. Dass die Berufsaussichten bspw. bei Informatik schlecht wären oder die Gehaltsaussichten wird wohl niemand behaupten. Trotzdem reicht das allein offenbar nicht aus, die Studis bei der Stange zu halten. Bleibt also das letztlich subjektive Kriterium, die Fächer seien „schwer“, noch mehr aber vermutlich „Studienfach ist anders, als vorgestellt“ und teilweise „Betreuung schlecht“ (gerade bei „Massenfächern“ wohl nicht von der Hand zu weisen).
Quelle
Die Daten der Tabellen im Artikel oben stammen aus den genannten Quellen, wobei wir sie noch um Daten der Vorjahre aus der vorherigen Studien zum selben Thema ergänzt haben (DZHW Brief 03/2020 und Anhang).