Fragen bleiben offenDeutschland bei Umstellung auf Bachelor/Master weiter auf Kurs
Bologna-Prozess Benannt nach dem Treffen der Bildungsminister aus 29 europäischen Ländern 1999, bei dem über die Schaffung eines gemeinsamen Europäischen Hochschulraums debattiert wurde. Auf den Folgekonferenzen ist die Beteiligung auf inzwischen 40 Länder angewachsen. Im Rahmen des Bologna-Prozesses sollen bis 2005 in allen Ländern Strukturen für die interne und externe Qualitätssicherung von Hochschulen geschaffen sein. Die Umstellung (wo nötig) auf das zweistufige System von Bachelor- und Masterstudiengängen ist bis Ende 2010 angestrebt. |
Bei fast zwei Dritteln der Bachelor- und Master-Studiengänge werde das europäische Leistungspunktesystem ECTS angewendet. Darüber hinaus könne Deutschland im Bereich der Qualitätssicherung auf die erfolgreiche Etablierung eines nationalen Akkreditierungssystems verweisen, das die Erfüllung von Mindeststandards bei den neuen BA/MA-Studiengängen sicherstelle, so Bulmahn weiter.
In der Presse wurde Erdsiek-Rave damit zitiert, dass der modulare Aufbau "mit der unseligen Abschlusszentrierung des Studiums Schluss" mache. Sie rechne auch damit, dass die Abbrecherquote bei den Studierenden sinke und sich die Studienzeiten insgesamt verringerten.
Soweit aus der Presseerklärung des BMBF und Presseberichten die Sicht von BMBF und KMK. Dass die offiziellen Stellen ihre Reformen loben, ist nicht weiter verwunderlich. Daher lohnt ein genauerer Blick.
Kürzere Studienzeiten, weniger Studienabbrecher?
Dass sich die Studienzeiten verringern, wenn das Studium verkürzt wird (und teilweise Hürden für das Weiterstudium im Master eingeführt werden), ist nicht weiter verwunderlich. Die Frage ist eher, ob eine Verkürzung wirklich sinnvoll ist.
Das wiederum lässt sich kaum pauschal für alle Studiengänge (und alle Studierenden) beantworten. Gerade die technischen Universitäten sind gar nicht so erfreut darüber, dass sie "ihr" Diplom abschaffen sollen. Zwar ist das einerseits sicher auch eine gewisse Trägheit, andererseits ist das Diplom durchaus anerkannt.
Ein Bachelor-Studiengang von 3 Jahren Dauer kann wenig mehr bieten, als eine Ausbildung in einem Betrieb - mit weniger Praxis. Die Theorie leidet aber auch - in 4 1/2 oder mehr Jahren kann man mehr lernen und vor allem auch verstehen. Je nach Arbeitsplatz ist die Frage, ob ein Bedarf an solcherart ausgebildeten Leuten besteht.
Wenn es dagegen üblich werden sollte, erst einmal nach dem Bachelor zu arbeiten und später einen Master drauf zu setzen (nach dem Motto "lebenslanges Lernen"), dann ist die Gesamtstudiendauer auch nicht gesunken. Jedenfalls gerechnet nach Regelstudienzeit.
Dass die Umstellung auf Bachelor/Master - zum Glück - an vielen Hochschulen genutzt wurde, die Studienordnungen zu modernisieren, ist zu begrüßen. Damit mag es auch weniger Studienabbrecher geben. Wenn dem allerdings so ist, wäre die Kritik eher, dass es soweit kommen konnte ...
Wettbewerb der Hochschulen
Davon ist zwar direkt in den Meldungen zum Bologna-Bericht nicht die Rede. Man darf aber nicht vergessen, dass eine Angleichung der Abschlüsse auch damit begründet ist. Die Hochschulen aller Länder sollen in einen Wettbewerb miteinander treten. Also müssen Standards her.
Bildung wird somit mehr und mehr zur Ware. Viele werden das ganz korrekt finden, "der Markt" regelt doch alles. Dass allerdings Bildung auch ein Menschenrecht ist, wird dabei mehr oder weniger ausgeblendet.
Lernen und Erkenntnis lebt auch davon, dass nicht immer eine (einzige) Zielorientierung verlangt wird. Wenn aber Bildung nur noch als Investition ins eigene "Humankapital" gesehen wird, die Verwertbarkeit von Bildung gemessen wird, bleibt so einiges auf der Strecke.
Technikfolgenabschätzung, Systemkritik etc. sind zunächst "hinderlich", vermindern den möglichen (finanziellen) Gewinn, aber verhindern oft schlimmeres. Egal, ob es um soziale Rechte, Umweltschutz oder andere "teure" Dinge geht.
Wettbewerb bedeutet auch, dass Hochschulen ihre "Angebote" zunehmend bewerben werden. Werbung ist aber selten ehrlich - ob das bei den neuen Studierendenzu einer richtigen Auswahl des Studienplatzes beiträgt, bleibt noch offen.
Anerkennung der Abschlüsse im Ausland?
Die Einführung eines "Diploma Supplement", einer detaillierteren Beschreibung der Studieninhalte in englischer Sprache, ist grundsätzlich zu begrüßen. Auch gegen die Einführung von Creditpoints spricht wenig. Dass die Abschlüsse europaweit den selben Namen tragen, ist dagegen eigentlich gar nicht so wichtig. Dagegen interessiert andere Hochschulen oder auch Arbeitgeber im Ausland vielmehr, was genau man studiert hat.
Ein Auslandsaufenthalt ist immer noch am einfachsten (und das dürfte auch so bleiben), wenn die eigene Hochschule mit der Hochschule im Ausland besondere Kontakte unterhält und es deswegen schon abgestimmte "Austausch-Programme" gibt. Wobei man natürlich mit dem vollständig selbst organisierten Auslandsaufenthalt mehr lernt - allerdings auch einkalkulieren muss, dass es nicht so bequem wird.
Modularisierung des Studiums
Die Ministerin meinte mit "unseliger Abschlussorientierung des Studiums" wahrscheinlich, dass in manchen Studiengängen erst die letzten Prüfungen wirklich für die Abschlussnote zählen. Das allerdings war auch bei vielen Diplomstudiengängen schon lange nicht mehr so. Auf eine andere Art hat man durch Bachelor/Master eine neue Art von Abschlussorientierung: Mit dem Bachelor macht man schon nach drei Jahren einen und steht unter Druck.
Eine Modularisierung des Studiums war übrigens eine alte Forderung der Studierenden, die schon in den 70er Jahren gestellt und seitdem immer wiederholt wurde. Gemeint war damit allerdings auch eine weitgehend freie Wahlmöglichkeit der Module und keine Zentrierung auf "Verwertbarkeit" des Studiums.
Auch wenn das sich wie Trotzigkeit anhört, muss man trotzdem nochmals feststellen: Bis auf den "Vorteil" (man kann sich wie erwähnt darüber streiten, ob es einer ist) des kürzeren Studiums hätte man alle anderen Punkte auch ohne Bachelor/Master haben können.
Man sollte sich also nicht von Namen, die Schall und Rauch sind, blenden lassen. Sondern die Inhalte und den Aufbau eines Studiengangs genauer anschauen und prüfen, ob die eigenen Kriterien erfüllt sind. Die können ganz unterschiedlich sein.
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- Quellen/Hintergrund
- Ministerinnen präsentieren den Nationalen Bologna-Bericht 2004 in Kiel (BMBF-Pressemitteilung vom 11.02.2005)
- Bachelor und Master: Jeder vierte Studiengang ist bereits umgestellt (UniSPIEGEL ONLINE, 13.02.2005)