Studieren im Corona-KrisenmodusHochschulen machen Schotten dicht
Die Corona-Pandemie macht auch vor den Hochschulen nicht halt.
Die Corona-Krise bringt den Hochschulbetrieb in ganz Deutschland weitestgehend zum Erliegen. Aufgrund der durch die COVID-19-Pandemie verschärften Gefahren- und Bedrohungslage wird der Beginn des Sommersemesters 2020 in ausnahmslos allen 16 Bundesländern verschoben. Mit wenigen Abweichungen wird die Präsenzlehre an den Universitäten, Fachhoch- und Kunsthochschulen vorerst bis zum 20. April ausgesetzt. In einzelnen Ländern wie Thüringen und dem Saarland ist der Vorlesungsbeginn auf den 4. Mai terminiert, in Bremen soll es nach vorläufiger Planung schon am 17. April losgehen.
In Sachsen sind die Hochschulen nach dem Informationsstand vom Montag angehalten, individuelle Regelungen zum weiteren Vorgehen zu treffen. So hat die Technische Universität Dresden den Semesterauftakt „mindestens“ auf den 27. April, die Uni Leipzig den ihren „voraussichtlich zunächst“ auf den 4. Mai vertagt. Die Angaben sind freilich allerorten ohne Gewähr. Angesichts der noch anhaltenden Dynamik bei der Ausbreitung des Virus und der sich überschlagenen Ereignisse ist ein weiterer zeitlicher Aufschub und gegebenenfalls drastischere Maßnahmen eher absehbar denn unwahrscheinlich. Selbst ein Komplettausfall des Semesters erscheint bei den großen Ungewissheiten nicht völlig abwegig.
„Faire Lösungen“
„Im Sinne des allgemeinen Gesundheitsschutzes ist die Verlegung des Vorlesungsbeginns an den Hochschulen, wie ihn jetzt die Bundesländer für das Sommersemester vorgeben oder planen, sinnvoll und leider ohne Alternative“, hatte sich am Freitag der Vorwoche der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Peter-André Alt, zu Wort gemeldet. Das betreffe auch die „breite Absage von öffentlichen Veranstaltungen, wissenschaftlichen Tagungen und ähnlichem“. Die HRK unterstütze die Hochschulen „in ihrem Bemühen, an der Prävention einer schnellen Verbreitung des Virus nach Kräften mitzuwirken“ und streiche selbst „vorläufig bis Ende April alle geplanten Konferenzen“.
Weiter verwies Alt auf Anstrengungen, „die Lehre und die individuelle Betreuung der Studierenden vor allem durch digitale Angebote aufrechtzuerhalten“. Die Forschungstätigkeiten würden dagegen unter strenger Berücksichtigung des Schutzes für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter „so weit wie eben möglich fortgesetzt“. Für den Fall, dass anstehende Prüfungen aufgrund der Ausnahmesituation nicht durchgeführt werden könnten, „werden sich auf Basis der bestehenden Prüfungsordnungen faire Lösungen finden, die die betroffenen Studierenden vor Nachteilen schützen“.
Keine Nachteile beim BAföG
Von verschiedener Seite geäußerte Sorgen, mit ruhendem Lehrbetrieb könnten sich für Betroffene Beeinträchtigungen beim Bezug von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) ergeben, wurden inzwischen von höchster Stelle zerstreut. Auf Anfrage von Studis Online beim Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) versicherte Sprecher Volker Abt am Freitag, BAföG-Empfänger „erhalten ihre Ausbildungsförderung weiter, selbst wenn Schulen und Hochschulen wegen der COVID-19-Pandemie geschlossen sind und auch wenn die Schließzeit am Anfang des ersten Semesters liegt“.
Der zugehörige ministerielle „Erlass“ wurde inzwischen auch in einer offiziellen Pressemitteilung bestätigt. „Ich möchte, dass BAföG-Geförderte in der aktuellen Ausnahmesituation Klarheit und Planungssicherheit haben“, erklärte darin Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU). „Auch Studienanfänger, deren Semesterbeginn sich pandemiebedingt verzögert, erhalten ihr BAföG so, als ob die Präsenzvorlesungen zum ursprünglich vorgesehenen Zeitpunkt begonnen hätten“. Ebenso unter die Regelung fallen Empfänger von Auslands-BAföG. Wenn also die jeweilige Hochschule in der Fremde krisenbedingt dicht gemacht wurde oder eine Einreisesperre für den fraglichen Staat besteht, erhält man dennoch seine BAföG-Überweisung.
Alles dicht in Berlin
Damit wurde eine wesentliche Forderung des Deutschen Studentenwerks (DSW) sowie von Studierendenvertretern bereits erfüllt. Am vergangenen Donnerstag hatte der „freie zusammenschluss von student*innenschaften“ (fzs) in einer Stellungnahme entsprechende Vorkehrungen angemahnt, damit den Studierenden „möglichst geringe Nachteile“ durch die aktuelle Ausnahmesituation erwachsen. Zum Schutz vor einer Ansteckung mit dem Erreger müssten überdies Prüfungsleistungen für die kommenden Monate „freiwillig“ sein. Auch bei anderen Leistungen wie etwa Hausarbeiten hätten die Hochschulen Nachsicht zu zeigen, weil Dozenten keine Sprechstunden mehr anbieten oder der Zugang zu Lernmaterial und Literatur aus Sicherheitsgründen eingeschränkt würden.
Beispielsweise haben mittlerweile sämtliche Berliner Hochschulen ihre Bibliotheken bis auf weiteres zugemacht. Auch PC-Pools, Mensen und Museen wurden verrammelt. Mündliche Prüfungen mit bis zu acht Teilnehmern in ausreichend großen Räumen sollen weiter möglich sein, Klausuren dann, wenn es für jeden Studenten zwei Meter Abstand in jede Richtung gibt. Das Verschieben oder Abblasen von Prüfungen ist ebenfalls angedacht. Die TU Berlin will in den nächsten Wochen auf Online-Prüfungen setzen und dabei auf die „Ehrlichkeit der Studierenden“ bauen. Sollte sich der Start des Sommersemesters weiter verzögern, sollen auch Vorlesungen via Internet durchgeführt werden.
Mehr Geld nicht nur in Krisenzeiten
Beim studentischen Dachverband fzs wirft all das weitere Fragen auf. „Sollten so viele Lehrveranstaltungen ausfallen, dass Studierende länger studieren müssen, darf sich dies natürlich nicht auf die Regel- oder Maximalstudienzeit auswirken!“ Dann müssten „auch das BAföG länger gezahlt und für Studis, die kein BAföG bekommen, etwa zinslose KfW-Kredite zur Verfügung gestellt werden“, gab Vorstandsmitglied Jacob Bühler zu bedenken. Im übrigen wären all diese Maßnahmen auch in „normalen“ Zeiten sinnvoll, ergänzte er. Schließlich gelinge es auch sonst längst nicht allen, in der Regelstudienzeit abzuschließen.
Seine Vorstandskollegin Leonie Ackermann warnte zudem davor, die chronische Mangelausstattung der Hochschulen nur wegen der Ankündigung der Bundesregierung aus den Augen zu verlieren, zusätzliches Geld in die Erforschung des Corona-Virus zu stecken. Mehr Mittel bräuchte es für alle Fachbereiche, nicht nur die Medizin, bemerkte Ackermann. „Statt Fächerschwund und die Förderung einzelner Gebiete brauchen wir eine gute Grundfinanzierung in der Wissenschaft, um auf solche Vorfälle schnell reagieren zu können.“
Schub für Digitalisierung?
Während die Präsenzuni wochen-, möglicherweise monatelang von der Bildfläche verschwinden wird, könnte die Corona-Krise der vielbeschworenen Digitalisierung von Schulen und Hochschulen einen kräftigen Schub verpassen. In ihrer Mitteilung wies BMBF-Chefin Karliczek ausdrücklich auf die Nutzung entsprechender Tools und Plattformen hin. „Sobald an Ausbildungsstätten Online-Lehrangebote zur Verfügung stehen, um den Lehrbetrieb aufrechtzuerhalten, ist die Teilnahme an diesen Online-Lehrangeboten im Sinne der Förderungsvoraussetzungen verpflichtend“, tat die Ministerin kund. Wie diese Ansage rechtlich unterfüttert ist und in der Praxis umzusetzen wäre, ließ sie allerdings unerwähnt.
Studierenden sei auf alle Fälle geraten, sich auf den Webseiten ihrer Hochschule über mögliche Angebote kundig zu machen und die jeweiligen Anweisungen im eigenen Interesse zu befolgen. Hilfreich ist in diesem Zusammenhang das Portal des Hochschulforums Digitalisierung, auf das auch das BMBF als Kooperationspartner und Förderer auf seiner Webseite verweist. Auf einer Sonderseite „Corona und (Hochschul-)Bildung“ unterhält das Forum eine umfassende Link- und Toolsammlung sowie regelmäßig aktualisierte Guidelines zur Krise.
Zum Beispiel erfährt man dort, dass Google und Microsoft für eine kurzfristige und kostengünstige Umsetzung von E-Teaching-Verfahren ihre hauseigenen Konferenz-Tools verschenken. An einer Stelle werden außerdem die fünf bekanntesten Werkzeuge fürs digitale Lernen und „zahlreiche andere Programme und Möglichkeiten“ vorgestellt. Das Motto des Ganzen: „Das erste ‚Corona-Semester‘ startet.“ Bleibt zu hoffen, dass es auch das letzte sein wird.
(rw)