Auf die Couch, Herr Spahn!Reform der Psychotherapie-Ausbildung
Auf der Couch …
Studis Online: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will die Ausbildung von Psychotherapeuten reformieren. Kernpunkt seines Entwurfs zur Novellierung des Psychotherapeuten-Gesetzes ist die Einführung eines eigenständigen Hochschulstudiengangs Psychotherapie. Durch die Änderung solle „der Zugang zum Beruf der Psychotherapeutin und des Psychotherapeuten einheitlicher, gerechter und noch attraktiver gestaltet werden“, heißt es darin. Sie trauen den schönen Vorsätzen nicht. Warum?
Wilhelm Achelpöhler: Weil sich aus der Begründung des Gesetzentwurfs ergibt, dass es aus Sicht des Ministeriums eigentlich viel zu viele Psychotherapeuten gibt. Die Pläne zielen im Wesentlichen darauf ab, durch einen harten Numerus Clausus für den neuen Studiengang die Zahl der Psychotherapeuten zu steuern.
Das müssen Sie genauer erklären.
Derzeit führt der Weg zum Beruf des Psychotherapeuten über das Studium der Psychologie. 70 Prozent der Studierenden entscheiden sich dafür, später als Psychotherapeuten zu arbeiten. Aus Sicht des Ministeriums sind das zu viele. Also schafft man einen eigenen Studiengang, der künftig das Nadelöhr für den Berufszugang bildet. Mit dem Numerus Clausus für diesen Studiengang kann man dann die Zahl der späteren Psychotherapeuten besser regulieren. Das ist staatliche Bildungsplanung, bei der die Berufsfreiheit der Studierenden auf der Strecke bleibt und es wie so oft ums Sparen geht. Denn bekanntlich kosten Psychotherapeuten Geld, belasten die Krankenkassen, erhöhen die Lohnnebenkosten und schädigen so angeblich den Standort Deutschland.
Aber einen Studiengang einzurichten und dauerhaft zu unterhalten, geht doch auch ins Geld.
Im Gegenteil: Die Studienplätze für den neuen Studiengang werden zu Lasten der klassischen Psychologie gehen. Und je weniger Psychotherapeuten es gibt, desto günstiger wird es unter dem Strich für die Krankenkassen. Mit der gleichen Argumentation hat die Politik ja auch jahrelang die Medizinstudienplätze verknappt. Weniger Krankenkassenkosten bedeuten geringere Lohnnebenkosten und damit eine Verbilligung der Arbeitskraft. Und billig muss die Arbeitskraft nach der herrschenden Lehre sein. Ein gewisses Maß an Unterversorgung ist quasi Bedingung für die Konkurrenzfähigkeit des Wirtschaftsstandorts. An so einem System kann man schon irrewerden.
Heute müssen angehende Psychotherapeuten für ihre Weiterbildung nach Abschluss des Psychologiestudiums bei privaten Bildungsanbietern in der Regel teuer bezahlen und auch die Zeiten der stationären Fortbildung auf eigene Kosten überbrücken. Viele verschulden sich dabei bis über die Ohren. Dagegen sollen approbierte Psychotherapeuten Laut Spahns Vorlage künftig „im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses mit einer entsprechenden Vergütung tätig werden, wenn sie ihre stationäre Weiterbildung absolvieren“. Bedeutet das nicht einen erheblichen Forstschritt für die Betroffenen?
Natürlich. Für die, die es künftig noch ins Studium schaffen, ist das eine Verbesserung. Aber dem steht eben die Steuerung des Berufszugangs entgegen.
Heute praktizieren bundesweit knapp 22.000 bei den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) zugelassene Psychotherapeuten. Kritikern zufolge reicht das nicht annähernd, um den Bedarf zu decken. Derzeit müssen Patienten im Schnitt 20 Wochen bis zu ihrer ersten Behandlung warten. Nach Auffassung der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) bräuchte es für eine den Anforderungen entsprechende Versorgung zusätzlich 7.000 Kassensitze für Psychotherapeuten. Und Sie meinen jetzt also, Spahns Reform sei gerade nicht dazu gedacht, diesen Missstand zu beheben?
Ganz im Gegenteil: Er will ja nicht mehr, sondern weniger Psychotherapeuten. Er will es nicht mehr den Studierenden der Psychologie überlassen, ob sie später Psychotherapeut werden wollen. Angesichts des Bedarfs könnten sich dafür ja sogar mehr Studierende als die 70 Prozent von heute dazu entschließen. Genau dies will Spahn tunlichst verhindern, indem der Zugang zum Beruf über den Zugang zum Studium gesteuert wird.
Im Gesetzentwurf heißt es aber ausdrücklich, man wolle eine „qualifizierte, patientenorientierte, bedarfsgerechte und flächendeckende psychotherapeutische Versorgung auf dem aktuellen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse“ zur Verfügung stellen. Sie halten das für Augenwischerei?
Unser Interviewpartner Wilhelm Achelpöhler ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Spezialist für Hochschulrecht. Während seines Studiums war er Studentenvertreter im Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA), nach seinem Studium und Referendariat Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Münster. Er ist Partner der Sozietät Meisterernst Düsing Manstettenin Münster, die seit den 1970er Jahren mehrere Tausend Studierende „eingeklagt“ hat.
Damit wird begründet, weshalb es das Studium der Psychotherapie künftig nur an Universitäten und gleichgestellten Hochschulen geben soll. Das ist eine Absage an das Studium an Fachhochschulen. Im Entwurf gibt es eine entlarvende Passage dazu, da heißt es: „Weiterhin dient die Ansiedlung des Studiums der Psychotherapie an Universitäten aber auch der kapazitären Beschränkung von Ausbildungsplätzen.“ Es geht also vor allem darum, das Nadelöhr abzusichern. Es ist möglich, dass sich das noch ändert. Denn es gibt einige private Fachhochschulen, an denen man derzeit für viel Geld den Psychologie-Bachelor machen kann.
Spahns Sorge um die Qualität der Versorgung kann man übrigens durchaus bezweifeln. Er hat noch eine weitere Reform auf den Weg gebracht: Das sogenannte Terminservice- und Versorgungsgesetz, das sich bereits in der parlamentarischen Beratung befindet, beinhaltet ein System der Vorabbegutachtung im Vorfeld einer psychotherapeutischen Behandlung. Kritiker sehen auch darin einen Rationierungsversuch. Das belegt einmal mehr: Die Regierung setzt auf Verknappung des Angebots.
Wie könnte sich die künftige Rationierung mittels eines eigenständigen Studiengangs an den Unis darstellen?
Das wird ganz klassisch laufen: Wir werden einen harten NC für den Studiengang Psychotherapie bekommen. Eine Abiturnote von 1,7, mit der man bislang wenigstens an einigen Hochschulen Psychologie studieren konnte, wird wohl demnächst nicht mehr reichen.
Kommt es wirklich so, stehen bei Ihnen vielleicht schon bald neue Klienten auf der Matte. Eigentlich müssten Sie Herrn Spahn dankbar sein …
Na ja, jedenfalls rate ich jedem: Nicht mit dem Studium warten, sondern vor dem geplanten Inkrafttreten des Gesetzes im Jahr 2020 ein Studium der Psychologie beginnen, also in diesem Jahr. Die Chancen auf einen Studienplatz, mit dem man später Psychotherapeut werden kann, werden mit Sicherheit schlechter. (rw)