Pädagogen vom WühltischKreativ gegen Lehrermangel
Ohne Worte
In Sachsen Anhalt produziert der Lehrermangel reichlich Nullen. 240.000 Unterrichtsstunden sollen allein zwischen Januar und April ausgefallen sein. Im gesamten Schuljahr könnten sich die Fehlstunden ohne reguläre Vertretung auf „mindestens 700.000“ summieren. Das hat die Fraktion der Linkspartei im Magdeburger Landtag per Anfrage bei der Landesregierung in Erfahrung gebracht. Der „Rückbau des Schulsystems“ werde immer „weiter beschleunigt“, beklagte dieser Tage Fraktionschef Thomas Lippmann. Seit 2013 wären zehn Prozent des Angebots verschwunden und nach den Sommerferien drohe sich die Lage noch zuzuspitzen. Einmal mehr könnten die ausscheidenden Pädagogen nicht ersetzt werden – „von zusätzlichen Lehrkräften kann keine Rede sein“.
Wie man`s nimmt. Denn eine „Lehrkraft“ muss heutzutage nicht mehr das sein, was man noch vor zehn oder 20 Jahren darunter verstand: ein im Zuge eines Lehramtsstudiums und anschließenden Referendariats qualifizierter pädagogischer Vollprofi. Tatsächlich soll es mittlerweile sogar Kollegien geben, in denen „echte Lehrer“ in der Minderheit sind. Auf alle Fälle geht der Trend dahin. Zum Beispiel rechnet die Bildungsverwaltung im Land Berlin bei den Neueinstellungen mit einer Quote von „über 50 Prozent Quereinsteigern quer über alle Schulen“. Im ausgehenden Schuljahr liegt der Wert schon bei 38 Prozent, wobei die Grundschulen weit über Durchschnitt rangieren. Nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) waren drei von vier Einsteigern keine ausgebildeten Grundschulpädagogen.
35.000 Leerstellen
Überhaupt ist in der Primarstufe die Not am größten – und das überall in Deutschland. Nach der im Frühjahr von der Bertelsmann Stiftung vorgelegten Studie „Lehrkräfte dringend gesucht“ müssten in den Grundschulen bis zum Jahr 2025 rund 105.000 Lehrerinnen und Lehrer neu anheuern, um den Bedarf zu decken. Allein 60.000 Pädagogen, die aus dem Dienst ausscheiden, müssten ersetzt werden, dazu brauche es 26.000 Nachwuchslehrer zur Bewältigung der steigenden Schülerzahlen sowie 19.000 weitere, um den Anforderungen durch den Ausbau der Ganztagschulen gerecht zu werden.
Allerdings, so die Prognose, würden in den anstehenden sieben Jahren nur 70.000 Lehramtsstudenten die Hochschulen verlassen und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Damit fehlten „mindestens 35.000 regulär ausgebildete Lehrkräfte“, gab Stiftungsvorstand Jörg Dräger bei der Präsentation der Ergebnisse zu bedenken, „erst ab 2026 zeichnet sich Entspannung ab“. Er appellierte an die politisch Verantwortlichen in den Ländern, „gemeinsame Lösungen“ zu suchen, insbesondere durch das Setzen von Anreizen, damit „erfahrene Lehrkräfte mehr unterrichten – insbesondere Teilzeitkräfte und angehende Pensionäre“. Und ausdrücklich warnte Dräger vor Maßnahmen, die auf Kosten der Qualität gehen.
Wer bietet mehr?
Sein Wort in Gottes Ohr oder besser: in das der amtierenden Kultusminister. Die liefern sich aktuell nämlich einen grotesken Überbietungswettbewerb an aktionistischen Schnell- und Fehlschüssen. Ein Hebel ist dabei das liebe Geld. Sieben Bundesländer bieten voll ausgebildeten Grundschulpädagogen inzwischen ein Einstiegsgehalt der Entgeltstufe A 13 oder haben diese Änderung angekündigt. Natürlich ist es erfreulich und vom Grundsatz her richtig, wenn Lehrer besser bezahlt werden. Angesichts der gestiegenen Anforderungen, größeren Belastungen und der vielen neuen Aufgaben, die im Schuldienst zu leisten sind, war dieser Schritt lange überfällig. Gleiches gilt für das Vorgehen, den Beruf durch Verbeamtung aufzuwerten. Vielerorts war diese Praxis über Jahre wegen „Sparzwängen“ ausgesetzt worden. Mittlerweile gibt es mit Berlin nur noch ein einziges Land, das seine Pädagogen mit einer Anstellung abspeist.
Nun ist eine Besserstellung des Lehrerjobs fraglos ein probates und erfolgversprechendes Mittel, langfristig mehr junge Leute für den Beruf zu gewinnen. Um akute Versorgungsengpässe zu beheben, hilft es aber bestenfalls punktuell weiter, zumindest dann, wenn jedes Land sein eigenes Ding macht. Wo es wie aktuell massenhaft und flächendeckend an Nachwuchs fehlt, sorgen Gehaltszuschläge in erster Linie für Wanderungsbewegungen von einem ins andere Land. So mag man damit mancherorts die schlimmsten Nöte lindern, dafür reißen dann an anderer Stelle neue oder noch größere Löcher auf. In der Gesamtsicht läuft das Ganze allenfalls auf ein Nullsummenspiel hinaus, bei dem es freilich auch Verlierer gibt.
Flucht aus Bremen
Beispiel Bremen: Der Stadtstaat gilt als Armenhaus Deutschlands mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung. Der Senat hat bereits klargemacht, den Sprung von A 12 auf A 13 nicht mitmachen zu können. Im nahen Schleswig-Holstein ist eine Änderung ab 2020 dagegen beschlossene Sache, im benachbarten Niedersachsen denkt die Regierung ernsthaft darüber nach und auch im reichen Hamburg ist die Diskussion im Gange. Was, wenn demnächst reihenweise Lehrer die Flucht aus Bremen ergreifen, weil sie nebenan mehr Geld verdienen können? Die Süddeutsche Zeitung (SZ) beschrieb das Dilemma unlängst so: „Auf die Spitze getrieben könnte der Konkurrenzkampf also dazu führen, dass strukturschwächere Länder ausgebildete Lehrkräfte einbüßen – obwohl gerade ein Land wie Bremen mit seiner hohen Quote bildungsfern aufwachsender Kinder sie dringend braucht.“
Ein anderer Fall: Kürzlich beschloss die sächsische Regierung die Rückkehr zum Lehrerbeamtentum – nicht aus Überzeugung, sondern notgedrungen. Das angrenzende Thüringen geht diesen Weg schon seit über einem Jahr, woraufhin in Sachsen die Bewerberzahlen abstürzten. Das verlorene Terrain möchte man wieder zurückerobern. Aber die Staatsregierung will sich nicht auf Augenhöhe duellieren, sie dreht gleich noch ein Stückchen weiter an der Wettbewerbsspirale. Anfang Juni sorgte das Dresdner Kultusministerium mit der Offerte für Aufsehen, Junglehrern, die ihren Vorbereitungsdienst in ländlichen Regionen absolvieren, einen „Anwärtersonderzuschlag“ von 1.000 Euro zu bescheren. Mit fast 2.500 Euro werden Sachsens Referendare ab Januar 2019 zu den bundesweit bestbezahlten gehören.
Normaler Ausnahmezustand
Sich mit Prämien und Gehaltsaufschlägen gegenseitig zu übertrumpfen, um anderen das Personal abzujagen, ist das eine. Folgenschwerer in der Gesamtwirkung ist aber der Unterbietungswettbewerb in punkto Qualität. Seit Jahren schon werden verstärkt Seiteneinsteiger aus anderen Berufen an die Schulen gelockt, die quasi auf dem „zweiten Bildungsweg“ in deutsche Klassenzimmer gelangen. Möglich macht dies ein Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) von 2013, nach dem im Bedarfsfall „landesspezifische Sondermaßnahmen für die Gewinnung von Lehrkräften eingerichtet werden“ können.
Was eigentlich bloß als letzter Notnagel gedacht war, hat sich längst zu einem Massenphänomen ausgewachsen. Faktisch darf mittlerweile jeder am Lehrerpult Platz nehmen, der ein bisschen fachspezifisches Wissen gepaart mit einem Mindestmaß an didaktisch-pädagogischem Rüstzeug mitbringt. Laut KKM-Regularien sind die Kandidaten zwar in einem „Vorbereitungsdienst“ oder einer „vergleichbaren Ausbildung“ für ihre neue Tätigkeit fit zu machen. Allerdings können die so erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten eben bei weitem nicht an die Maßstäbe heranreichen, die für ein reguläres Lehramtsstudium gelten.
Überforderte „Laien“
Mit großer Skepsis sieht der Bildungsforscher Jörg Ramseger von der Freien Universität Berlin den Einsatz der „Laienpädagogen“ an den Grundschulen. Ende Mai warnte er im Interview mit dem Deutschlandfunk vor „dramatischen Folgen für die gesamte weitere Schullaufbahn“, wenn im Prozess der Alphabetisierung der Kinder unsachgemäß vorgegangen würde. Erfahrungsgemäß gehe aber „ganz viel schief, wenn das von Menschen gemacht wird, die gar nicht wissen, was sie tun“.
Ramseger gehörte zu den Mitinitiatoren eines Brandbriefs, in dem führende Grundschulpädagogen schon Ende 2017 „großes Unverständnis“ und „große Beunruhigung“ angesichts der Praxis in vielen Bundesländern äußerten, immer mehr Seiteneinsteiger sogar dauerhaft zu übernehmen. Das Vorgehen bedeute einen „erheblichen Rückfall hinter die geltenden Standards“ und „eine massive Beeinträchtigung der Professionalität“. Gerade für Kinder am Anfang ihrer Bildungslaufbahn könne dies „erhebliche negative" Konsequenzen haben.
Großmobilmachung in Berlin
Ilka Hoffmann, zuständig für den Bereich Schule im GEW-Hauptvorstand, bemängelt vor allem, „dass die personellen Kapazitäten an den Studienseminaren und in den Fortbildungsinstituten zu gering sind und dass es keine Standards für die Qualifizierung“ von Quer- und Seiteneinsteigern gebe. Man könne angesichts der prekären Situation auf diese Personengruppe nicht verzichten, aber es brauche ein „länderübergreifendes Konzept, das die Qualität der Weiterbildung sicherstellt“, sagte sie im Gespräch mit Studis Online. „Die betreffenden Kolleginnen und Kollegen müssen so beim Berufseinstieg unterstützt werden, dass es zu möglichst wenigen Abbrüchen der Tätigkeit kommt.“ Zudem müssten die Ausbildungskapazitäten an den Hochschulen müssen erhöht werden.
Mit besonderem Argwohn sehen Experten die Entwicklung in der Hauptstadt, wo der Quereinstieg in den Schuldienst fast schon der Normalfall ist. Verbreitet ist in Berlin ferner das Instrument, unfertige Lehramtsstudierende noch vor dem Examen als Lückenbüßer an die Schulen zu entsenden. Kritiker befürchten, dass die Nachwuchskräfte aufgrund von Überforderung vorzeitig verschlissen werden und ihren Berufswunsch aus Frust an den Nagel hängen könnten. In der Spreemetropole bestehen inzwischen sogar Engpässe bei den Ausbildern von Lehrkräften. Mitte des Vorjahres verfügte deshalb der Senat, in „wenigen Ausnahmefällen“ Lehrkräfte zu beauftragen, „die aufgrund ihrer fachlichen Eignung weniger als zwei Jahre im Schuldienst tätig sind“. Die Rede war von zehn Prozent bei insgesamt 700 Fachseminarleitungen. Wohlgemerkt betrifft dies auch die Betreuung der vielen Quereinsteiger. Zum Mitschreiben: Leute, die selbst kaum Erfahrung beim Unterrichten haben, sollen Leute ohne pädagogische Vorkenntnisse in Schnellkursen zu „Pädagogen“ schulen. Zugleich will der Senat Lehramtsdozenten von den Unis zwangsweise an die Schulen zum Unterrichten holen. Bei den Hochschulen sorgt das für Empörung: „Dadurch bricht ein Großteil der Lehre weg.“
Jobben im Klassenzimmer
Die „Kreativität“ von Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) reicht noch viel weiter. Ihr in der Vorwoche vorgestellter Katalog zur „Lehrkräftegewinnung“ umfasst unter anderem folgende Maßnahmen: Lassen sich Lehrerstellen nicht besetzen, dürfen alternativ pädagogische Unterrichtshilfen, Betreuer, Sozialarbeiter oder Sprachlernassistenten eingestellt werden, nach dem Motto: Hauptsache irgendwer kümmert sich um die Schüler. Pensionäre sollen über die Altersgrenze hinaus zwei Jahre weiterarbeiten können – entweder als Vertretungslehrer oder Lehrerausbilder – und dafür 120 Prozent ihres letzten Gehalts kassieren. Ferner sollen die Kollegien zu freiwilliger Mehrarbeit animiert, Quereinsteiger im Falle der Bewilligung durch die KMK als Ein-Fach-Lehrkräfte engagiert und nicht lehramtsbezogenen Bachelor-Absolventen der Wechsel zu einem „Quereinstiegs-Master“ mit 500 Euro monatlich versüßt werden.
Darüber hinaus will man Master-Studierende mit dem Programm „Unterrichten statt Kellnern“ befristet für ein halbes oder ganzes Jahr als „reguläre“ Lehrkräfte in den Schuldienst einspannen. Damit gewährleiste man für die Studierenden und die Schulen eine größere Beschäftigungssicherheit als im Rahmen von kurzfristigen Vertretungseinsätzen, heißt es seitens der Bildungsverwaltung. Die Berliner Universitäten haben eine andere Sicht der Dinge. Damit werde das Problem des Lehrermangels sogar noch verschärft, monierten sie in einem Brief an den Senat. Das viele Unterrichten neben dem Studium werde sich „ohne Frage“ negativ auf die Leistungen der Studierenden und ihre Präsenz in den Hochschulen auswirken. Tatsächlich haben die Unis zugesagt, mehr Lehramtsabsolventen als bisher zum Abschluss zu führen. In ihren Schreiben drohen die Rektoren indirekt damit, die Verabredung platzen zu lassen.
Pädagogen-Bashing
Aber wie konnte es eigentlich soweit kommen, nicht nur in Berlin, sondern praktisch überall in der Republik? Schließlich hatte die KMK schon vor über einem Jahrzehnt vor einem mittel- und langfristigen Schwund an Pädagogen wegen einer bevorstehenden Pensionierungswelle in der Größenordnung von mehreren Hunderttausend gewarnt. Statt aber quantitativ und qualitativ in die Lehrerausbildung zu investieren und den Beruf attraktiver zu machen, geschah vielerorts das genaue Gegenteil: Den Lehrern wurden noch mehr Aufgaben aufgebürdet (Inklusion, Ganztagsbetreuung, Integration von Flüchtlingen), sie müssen mehr Schüler und mehr Stunden pro Woche unterrichten und werden bei alledem – allen voran die Angestellten – vergleichsweise schlecht bezahlt.
Es sind auch und vor allem diese widrigen Bedingungen, die dem Berufsbild Schaden zugefügt haben und junge Menschen von einer Schullaufbahn abschrecken. Und untermalt wurde das allgemeine Pädagogen-Bashing immer wieder mit unsäglichen Debattenbeiträgen über „faule“ und „überbezahlte“ Lehrer, während in Wahrheit der öffentliche Dienst bei der Lohnentwicklung immer weiter von der Privatwirtschaft abgehängt worden ist. Für Hoffmann vom GEW-Vorstand ist es höchste Zeit, dass der Lehrerberuf attraktiver wird. „Wir fordern Entlastungen von Verwaltungsaufgaben durch die Einstellung von Verwaltungskräften, einen Ausbau von Unterstützungssystemen wie Schulsozialarbeit und schulpsychologischem Dienst sowie eine Herabsetzung der Unterrichtsverpflichtung.“ Allerdings befürchte man, „dass die Kolleginnen und Kollegen die Lücken in der Personaldecke werden ausbaden müssen“. Das werde zu einem „erhöhten Krankenstand, Frühpensionierungen und zur mangelnden Attraktivität des Berufes beitragen und damit die Situation sogar langfristig verschärfen“.
Schulen auf Sparflamme
Immerhin haben die Länder ihre Studienplatzkapazitäten zuletzt wieder hochgefahren, aber eben viel zu spät, um die kurz- und mittelfristigen Lücken zu schließen. Für die Ausbildung inklusive Referendariat braucht es sieben bis acht Jahre. Deshalb kann man heutigen Schulabgängern auch keine Garantie auf einen sicheren Job ausstellen, sollten sie jetzt auf Lehramt studieren. Nach besagter Prognose der Bertelsmann Stiftung soll das Schlimmste bis 2026 überstanden sein, also ziemlich genau dann, wenn die Anfänger von heute fertige Lehrer sein werden. Andererseits gehen die Forscher davon aus, dass auch in den weiterführenden Schulen „Mitte des nächsten Jahrzehnts ein Lehrerengpass entstehen wird“. Ohnedies gilt dies heute schon für sogenannte Mangelfächer wie Mathematik, Informatik, Physik, Technik oder Musik und Kunst. Dringend gesucht werden daneben Berufsschullehrer und Sonderpädagogen.
Die Voraussage der Stiftung gründet zudem auf der Zielstellung eines quantitativen und qualitativen Ausbaus der Schullandschaft, insbesondere bei den Ganztagschulen und der individuellen Förderung. Was aber, wenn die Politik sich diesen Vorgaben nicht verpflichtet fühlt und die Schulen – wie seit langem der Fall – auch weiterhin unter dem Gebot der Haushaltsdisziplin auf Sparflamme köcheln lässt? Aus historischer Sicht spricht mehr dafür, als dagegen. Zumal auch nicht ausgemacht ist, wie sich Schule unter den Vorzeichen der allseits beschworenen Digitalisierung entwickeln wird. Werden Laptop und Smartphone den klassischen Lehrer verdrängen oder braucht es im digitalen Klassenzimmer sogar mehr davon? Auch hier muss man Sorge haben, dass die Politik eher auf Abstriche beim Personal setzen wird.
Trübe Glaskugel
Wie wenig Verlass auf Prognosen ist, zeigt sich sehr eklatant und ausgerechnet an denen der KMK zum „Lehrereinstellungsbedarf und -angebot“. Die Modellrechnung erscheint in ziemlicher Beliebigkeit, mal vergehen zwei Jahre dazwischen, es waren aber auch schon mal neun. Die letzte Studie stammt von 2015 und bedient sich der Datenlage aus dem Jahr 2013. Für 2017 bis 2025 wird dabei im Primarbereich mit einem Überschuss an Lehrkräften kalkuliert, in der Größenordnung zwischen 1.190 und 1.990. Tatsächlich ist bei den Grundschulen die Not gegenwärtig erdrückend. Die Glaskugel der KMK-Propheten hatte wohl den ein oder anderen blinden Fleck: Die Flüchtlingskrise, wieder steigende Geburtenraten, den Einbruch bei den Lehramtsabsolventen infolge der Umstellung auf Bachelor und Master, den Ganztagschulausbau, die Inklusion.
Beim nächsten Mal wird es bestimmt besser. Wie es heißt, wollen die Kultusminister noch in diesem Sommer mit einer neuen Prognose herausrücken. Obendrein wollen sich die Länder darauf verständigt haben, „eine am eigenen Bedarf orientierte bedarfsgerechte Ausbildung von Lehrkräften zu organisieren“. Soll das heißen, auf das allgegenwärtige Chaos folgt demnächst ein Plan, ein geordnetes, gemeinsames, abgestimmtes Vorgehen, womöglich gar der Abschied vom bildungsföderalen Gegeneinander?
Gute Lehrer – gute Schüler
Schön wär`s, aber man glaubt nicht so recht daran. Vielleicht verhilft den politisch Verantwortlichen ja die jüngste, in der Vorwoche veröffentlichte PISA-Auswertung zur Einsicht. Die besagt im Kern: „Schüler sind nur so gut wie ihre Lehrer.“ Ausdrücklich wendet sich die Studie gegen den Trend, die grassierende Personalnot mit Quer- und Seiteneinsteigern zu beheben. Lehrer wären „mit anderen Worten keine austauschbaren Arbeiter in einer Art industriellen Produktionslinie, einzelne Lehrer können ein Leben verändern – und bessere Lehrer sind entscheidend, um die Bildung zu verbessern, die Schulen bereitstellen sollen.“
Die GEW in Sachsen-Anhalt hat nachgerechnet: Vor zehn Jahren unterrichteten demnach rund 1.000 Lehrer mehr im Land als heute – bei etwa gleich gebliebener Schülerzahl. Die Gewerkschaftsvorsitzende Eva Gerth hält „das, was im Moment läuft, für eine Katastrophe“. Alles „Panikmache“, findet dagegen Regierungssprecher Stefan Thurmann. So viel Ignoranz muss gelernt sein. (rw)