„Kopf braucht Dach“DSW-Kampagne für Neubau von Studentenwohnheimen
Die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist unerfreulich, insbesondere für Studis.
Studis Online: Der Discounter Aldi-Nord will groß ins Immobiliengeschäft einsteigen und zunächst in Berlin 2.000 Wohnungen bauen. Das kündigte der Handelskonzern Ende Januar an. Losgehen soll es mit 200 Einheiten in den Bezirken Neukölln und Lichtenberg. Insgesamt habe man weitere 15 Standorte in der Hauptstadt im Blick. Denken Sie, davon werden auch Studierende etwas haben?
Achim Meyer auf der Heyde: Da bin ich skeptisch. Inzwischen konkurrieren Wohnungssuchende bis in die Mittelschicht hinein um günstigen Wohnraum – und die Studierenden sind eine der Gruppen. Wenn Aldi jetzt auf den Wohnungsmarkt drängt, zeigt sich darin letztlich, wie fatal der Rückzug des Staates aus dem sozialen Wohnungsbau in den vergangenen Jahrzehnten war. Man muss ganz klar sehen: Der Markt allein hat es nicht gerichtet und er wird es nicht richten. 2.000 zusätzliche Wohnungen, wie sie Aldi jetzt in Berlin plant, sind ein Tropfen auf den heißen Stein.
Was bräuchte es aus Ihrer Sicht stattdessen?
Wir brauchen neben dem Markt staatliches Handeln, wir brauchen ein Umdenken in der Politik. Die privaten Investoren zum Beispiel bauen und vermieten hochpreisig, das ist ihr gutes Recht, aber die hohen Mieten, die da aufgerufen werden, kann sich nur ein vergleichsweise kleinerer Teil der Studierenden leisten. Uns geht es gerade um jenes Viertel der Studierenden im unteren Einkommensspektrum. Sie haben weniger als 700 Euro im Monat zur Verfügung und müssen fast die Hälfte davon für die Miete ausgeben.
Wir Studentenwerke haben deshalb die Kampagne „Kopf braucht Dach“ gestartet, mit der wir Bund, Länder und auch Kommunen auffordern, mehr im Wohnheimbau für Studierende zu tun. Denn jeder neue Wohnheimplatz für Studierende entlastet die Wohnungsmärkte zugunsten einkommensschwächerer Nachfrager.
Ausgerechnet das Land Berlin hat bundesweit die geringsten Kapazitäten bei den staatlichen Wohnheimplätzen. Sehen Sie Anzeichen für ein Gegensteuern in der Politik?
Zumindest hat der Berliner Wissenschaftsstaatsekretär Steffen Krach von der SPD kürzlich ein Umsteuern angekündigt. Aber auch der frühere Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit hatte einst 5.000 zusätzliche Plätze versprochen, und viel ist davon nicht zu sehen. Die Berliner Finanzverwaltung verbietet dem Studierendenwerk Berlin, im Gegensatz zu anderen Bundesländern, Darlehen aufzunehmen. Eine solche Politik ist schon seltsam.
Dabei müsste das Land Berlin viel dringender selbst ein Förderprogramm auflegen, wie es andere, auch klamme Bundesländer tun, zum Beispiel Bremen. Eine echte Prioritätensetzung zugunsten der Studierenden kann ich nicht erkennen, und das ist in einer Stadt wie Berlin, die Wissenschaftsstadt sein will, schon verwunderlich.
Aber Berlin ist nicht das einzige Land, das in punkto Wohnheimbau zu wünschen übrig lässt, oder?
Unser Interviewpartner Achim Meyer auf der Heyde ist Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks (DSW), in dem bundesweit 58 Studierendenwerke zusammengeschlossen sind.
Einige Bundesländer sind sehr aktiv, zuvorderst Bayern, jetzt Hessen und Bremen, aber auch Baden-Württemberg. Sie legen echte Förderprogramme mit Zuschüssen an ihre Studentenwerke auf, die dann dank dieser staatlichen Förderung bei Neubauten auch sozialverträgliche Mieten realisieren können. Andere Länder, wie etwa Nordrhein-Westfalen, stellen nur Darlehen zur Verfügung, aber manche tun auch gar nichts. Wir fordern seit langem, dass neben den Ländern auch der Bund aktiv wird.
Das Ziel muss ein Bund-Länder-Hochschulsozialpakt sein, über welchen Bund und Länder gemeinsam zusätzliche Wohnheimplätze fördern, zugleich aber auch die Sanierung bestehender Kapazitäten. Bei den Studienplätzen fördern Bund und Länder seit vielen Jahren gemeinsam im Rahmen des Hochschulpakts. Warum soll das bei den Wohnheimplätzen nicht auch gehen? Zumal es in den 1970er und 1990er Jahren schon große Bund-Länder-Wohnheimprogramme gab.
Laut Koalitionsvereinbarung zwischen Union und SPD soll in dieser Richtung ja etwas passieren …
Das freut uns natürlich sehr, dass die Schaffung studentischen Wohnraums und explizit die Förderung von Wohnheimplätzen im Vertragsentwurf stehen. Der Bund steigt endlich wieder in die Wohnraumförderung für Studierende ein, sehr gut! Und er will gleichzeitig den sozialen Wohnungsbau stärken, auch das ist richtig, denn beides ist nötig, um auf den überhitzten Wohnungsmärken Abhilfe zu schaffen.
Ihr Verband macht sich seit etlichen Jahren für den Bau von 25.000 zusätzlichen Plätzen stark. Ist die Zahl nicht längst überholt?
Das ist die untere Grenze. Die Zahl der von Bund und Ländern gemeinsam geförderten Studienplätze ist seit 2008 um 42 Prozent gestiegen, die der staatlich – einzig durch die Länder – geförderten Wohnheimplätze um acht Prozent. Diese Schere darf nicht noch weiter auseinandergehen. Selbst wenn die Studierendenzahlen in den kommenden Jahrzehnten zurückgehen sollten, ist mittel- und langfristig nicht mit einer Entspannung der Wohnungsmärkte zu rechnen.
Und vergessen Sie nicht: Bund und Länder haben im Rahmen ihrer gemeinsamen Internationalisierungsstrategie formuliert, dass sie mehr ausländische Studierende nach Deutschland holen wollen. Die Frage ist aber: Wo sollen die wohnen? Schon jetzt ist für ausländische Studierende, gerade aus Staaten von außerhalb der Europäischen Union, das staatliche Wohnheim die bevorzugte Wohnform. Die Studentenwerke tun sehr viel, um in ihren Wohnheimen ausländische Studierende sozial-akademisch zu integrieren – nur bekommen sie dafür keinen Cent von den Ländern. Man kann nicht politische Ziele formulieren, ohne zu erklären, wie man sie finanzieren will.
Zum Start des laufenden Wintersemesters waren wieder Tausende Studierende ohne feste Bleibe. Wie stellt sich die Lage aktuell dar?
Beim Studierendenwerk Berlin sind immer noch mehr als 4.000 Studierende im Bewerberpool, beim Studentenwerk München 7.000, beim Studierendenwerk Hamburg noch 750. In der Regel kommen aber die Studierenden, die zu Beginn eines Wintersemesters teilweise verzweifelt suchen, mit der Zeit dann doch irgendwo unter, leben in Provisorien oder weiter bei ihren Eltern. Kein guter Start ins Studium oder ins Wintersemester.
Ein paar Tipps zur Wohnungssuche
Wie sollen Studierende bei der Wohnungssuche am besten vorgehen?
Die Mietkosten sind je nach Stadt und Wohnform sehr unterschiedlich. Die Durchschnittskosten (alle Wohnformen zusammen) in 59 Städten mit Stand 2016 sind hier zu finden. Für WG-Zimmer haben wir in Kooperation mit studenten-wg.de eine Tabelle für 65 Städte zusammengestellt.
Sie sollten sehr früh für sich entscheiden, welche Wohnform für sie die richtige und vor allem die bezahlbare ist. Noch immer ist die Wohngemeinschaft die mit Abstand beliebteste Wohnform von Studierenden, dann kommt die eigene Wohnung, entweder alleine oder mit Partner bzw. Partnerin. Aber das wird angesichts der Mietpreisexplosion in den Hochschulstädten immer schwieriger. Die preisgünstigste Wohnform außerhalb des Elternhauses ist das Wohnheim im Studentenwerk. Wir sprechen im Bundesdurchschnitt von einer Warmmiete, einschließlich Internet, von 240 Euro im Monat.
Hier also mein Ratschlag: Durchrechnen, was man sich leisten kann, dann sehr früh mit der Suche beginnen – und sich beim Studentenwerk rasch um einen Wohnheimplatz bewerben. Daneben gibt es natürlich die klassischen Medien wie schwarze Bretter, Online-Portale und Social Media – und nicht zu vergessen den eigenen Freundeskreis und die Familie.
Wie früh sollte man denn mit der Suche beginnen?
So früh wie möglich. Gerade wenn man sich für ein bestimmtes Wohnheim des interessiert, sollte man sich frühzeitig darum bewerben. Eigentlich sollte es losgehen, wenn man sich zum Studieren entschließt. Zur Studienvorbereitung gehört natürlich die Auswahl von Fach und Hochschulen, aber auch ein Finanzierungsplan und eben die Wohnungssuche.
Was ist zu tun, wenn man bis Semesterstart noch nichts aufgetan hat?
Dranbleiben und zur Not ein Provisorium in Kauf nehmen. Manche übernachten bei Freunden oder Bekannten, bis sie etwas Festes finden, andere nehmen Notunterkünfte in Kauf, zumindest vorübergehend. Und wie gesagt, am Ende pendeln dann viele, oder sie bleiben, nolens volens, bei ihren Eltern „hängen“.
Wie steht es ums BAföG?
Noch ein Problem: Die Zahl der BAföG-Bezieher ist immer stärker rückläufig und der Fördersatz fürs Wohnen reicht allenfalls dann, wenn man in einem öffentlichen Wohnheim unterkommt. Was müsste sich ändern?
Wir brauchen beides: ein Bund-Länder-Programm für mehr bezahlbaren Wohnraum und eine regelmäßige BAföG-Erhöhung. Die BAföG-Freibeträge und -Bedarfssätze sind dringend anzupassen, und zwar am besten regelmäßig, auf der Basis der BAföG-Berichte, die die Bundesregierung regelmäßig vorlegt. Wir müssen beim BAföG endlich zu einem Automatismus kommen und es müssen wieder mehr Studierende von der Förderung profitieren. Derzeit erhalten nur 18 Prozent der Studierenden BAföG – das ist der tiefste Stand seit den frühen 1990er Jahren. Wir brauchen dringend eine Trendumkehr.
Eine Erhöhung der BAföG-Wohnpauschale von derzeit 250 Euro, wie sie das Land Berlin vorschlägt, bringt keinen einzigen Wohnheimplatz mehr. Sie spielt letztlich eher den Vermietern in die Hände. Zudem profitieren viele einkommensschwache Studierende ohne BAföG nicht von einer Erhöhung der Pauschale. Deswegen es ja auch so wichtig, neuen, bezahlbaren Wohnraum für Studierende zu schaffen.
Die potenziellen Koalitionäre wollen eine Milliarde Euro mehr fürs BAföG in dieser Legislaturperiode bereitstellen. Ihr Urteil?
Ich begrüße das klare Bekenntnis, den Sinkflug beim BAföG stoppen zu wollen. Eine Milliarde Euro klingt nach viel, nötig wird über die Jahre jedoch noch mehr sein. Aber immerhin verspricht die neue Große Koalition – so sie denn zustandekommt –, sich des Themas BAföG annehmen zu wollen.
Eine Milliarde mehr: Ist das nicht viel zu wenig für eine quantitativ und qualitativ anspruchsvolle Reform?
Wie gesagt, es wird noch mehr nötig sein. Uns geht es aber nicht allein um höhere Sätze. Uns geht es darum, dass wieder mehr Studierende überhaupt BAföG erhalten und dass aber auch inhaltliche Korrekturen vorgenommen werden, etwa die Streichung der Altersgrenzen oder die Öffnung des BAföG für Teilzeitstudierende. (rw)
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