Änderungen erst 2020Medizin-Studienplatzvergabe ein wenig verfassungswidrig
Auch künftig wird es Zulassungsbeschränkungen geben – das Bundesverfassungsgericht hat nur die Ausgestaltung des Auswahlverfahrens bei Medizin bemängelt, sich aber nicht dazu geäußert, ob der Staat mehr Studienplätze schaffen sollte.
Die zentrale Studienplatzvergabe für Medizin-Studienplätze ist seit ihrer Einrichtung umstritten. Wartezeiten von inzwischen über sieben Jahren für diejenigen, die mittels Note auch nur knapp scheitern, scheinen wenig gerecht zu sein. Auch manch andere Detailregelung wie zu den Ortspräferenzen schien auf Dauer nicht gerechtfertigt zu sein. Daher waren sich fast alle Beobachter einig, dass das Bundesverfassungsgericht in jedem Fall Änderungen der aktuellen Regelungen anmahnen wird, also eine Verfassungswidrigkeit mindestens von Teilen des Verfahrens feststellen wird. Manche hofften sogar darauf, dass das Gericht mehr Studienplätze fordert.
Nun hat das Gericht gesprochen (siehe in relativer Kürze in der Pressemitteilung, im Detail in der Entscheidung). Und wie so oft bleibt erst einmal vieles offen. Was auch einfach daran liegt, dass das Gericht eben nur die Judikative ist, aber der Legislative keine Detailvorschriften machen kann, sondern vor allem feststellen kann, was nicht mit höherem Recht zusammenpasst.
Noch zwei Jahre warten …
Das Gericht gibt dem Gesetzgeber noch bis Ende 2019 Zeit, für verfassungskonforme Regelungen zu sorgen. In den nächsten beiden Jahren wird sich somit wohl praktisch nichts ändern – gerade bei derart komplexen Regelungen wir bei der Studienplatzvergabe ist nicht damit zu rechnen, dass sich die Länder schneller als nötig einigen werden.
Zur Zahl der Studienplätze sagt das Gericht entgegen mancher Hoffnung nichts – offenbar reicht es ihm, wenn der Mangel korrekt verwaltet wird, ohne das er an der Wurzel angegangen wird.
… und dann nur Änderungen im Detail
Das Abiturbestenquote hat das Gericht nur in einem Detail bemängelt: Die Begrenzung der Bewerbung auf sechs Studienorte wird fallen müssen.
Beim Auswahlverfahren der Hochschulen wird es mehr Änderungen geben müssen. Das Bundesverfassungsgericht sieht es als erforderlich an, dass der Gesetzgeber die Auswahlkriterien genauer regelt. Die Hochschulen sollen nur noch begrenzte Spielräume bei der Konkretisierung dieser Kriterien haben.
Ein großes Fass macht das Gericht mit der Forderung nach einem „Ausgleichsmechanismus“ für die Abiturnoten aus verschiedenen Bundesländern auf, der beim Auswahlverfahren der Hochschulen fehlen würde. Über dessen Ausgestaltung wird es vermutlich einigen Streit geben.
In jedem Fall muss künftig neben der Abiturnote mindestens ein weiteres Kriterium „mit erheblichen Gewicht“ Berücksichtigung finden. Eignungsprüfungen werden nicht vorgeschrieben, der Gesetzgeber muss aber für Eignungsprüfung einige Rahmen-Vorschriften machen und dadurch für Standardisierung und Strukturierung sorgen.
Wartezeitquote könnte auch ganz wegfallen
Besonders kritisiert wurde beim bestehenden Verteilungsverfahren die inzwischen sehr lange Wartezeit, wenn ein Platz über die Abiturbestenquote oder das Auswahlverfahren der Hochschulen (wo die Abinote ebenfalls von entscheidendem Gewicht ist) nicht erlangt werden kann. Dazu legt das Gericht lediglich fest, dass die Wartezeit in der Dauer begrenzt sein müsse, ohne eine genaue Zeit zu nennen, aber deutlich zu machen, dass die aktuelle Dauer (ca. sieben Jahre) zu lange ist. Beobachter entnehmen Äußerungen im Verlauf der Verhandlungen der Klage, dass es um ca. vier Jahre gehen gehen soll.
Allerdings äußert das Gericht ausdrücklich, dass die Wartezeitquote alternativ auch komplett gestrichen werden könnte. Dann bliebe nur, dass man bei schlechteren Noten (die Abiturbestenquote wird ja offensichtlich beibehalten werden) über ein anderes Kriterium genug gut macht. Einigen wird das vermutlich nicht gelingen – die wären dann im Gegensatz zu heute („nur“ lange genug warten) vollkommen ausgeschlossen.
Nun ist die Abschaffung der Wartezeitquote nicht unbedingt zu erwarten – aber durch das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich als Möglichkeit eröffnet.
Auswirkung für den Einzelnen noch vollkommen offen
Ob die / der einzelne Studieninterssierte künftig (aber wie angedeutet ja erst ab 2020) bessere Chancen auf einen Studienplatz haben wird, ist vollkommen offen. Denn dafür ist ja entscheidend, ob bspw. die Wartezeitquote erhalten bleibt (was laut Gericht ja gar nicht sein muss), wie der Gesetzgeber die Warte-Höchstdauer gestaltet, aber vor allem, welche Kriterien künftig beim Auswahlverfahren der Hochschulen zum Tragen kommen werden.
Da wahrscheinlich auch künftig die Hochschulen verschiedene Kriterien beim AdH einsetzen werden, hat man auch künftig die besten Chancen, wenn man ortsungebunden ist und sich genau informiert, was wo gefordert wird. Wahrscheinlich werden zwar einige mehr Chancen erhalten, aber nicht alle. Und für einige werden die Chancen leider auch sinken.
Eine ausführlichere Analyse des Urteils bietet unser Interview mit Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler: Karlsruher Numerus-Clausus-Urteil: Das Warten hat ein „Ende“