Großer Wurf für kleines Geld?„Masterplan Medizinstudium 2020“
Eine Reform des Medizinstudium soll kommen – um Details und vor allem die Finanzierung wird noch gestritten …
Studis Online: Eigentlich wollte die Kultusministerkonferenz (KMK) am Donnerstag in der Vorwoche den sogenannten Masterplan 2020 für eine umfassende Reform des Medizinstudiums in Deutschland beschließen. Das Thema wurde allerdings kurzfristig von der Tagesordnung genommen, weil Baden-Württemberg auf den letzten Drücker signalisiert hatte, der Vorlage die Zustimmung zu verweigern. Der Grund für den Rückzieher durch Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) sollen Unstimmigkeiten bei der Finanzierung sein. Wo liegen konkret die Knackpunkte?
Niklas Schulz: Der Knackpunkt liegt in der mangelnden Abstimmung mit den zuständigen Finanzministerien der Länder. Es wurde darauf verzichtet, die Finanzministerien frühzeitig in den Prozess einzubinden. Stattdessen hat man mit der Planung begonnen und konkrete Maßnahmen ausgearbeitet, die dann im November 2016 von der Finanzministerkonferenz als zu teuer abgelehnt wurden.
Haben Sie Kenntnis, um wieviel Geld es bei der Sache geht?
Es soll um einen dreistelligen Millionenbetrag pro Jahr gehen, die Bund und Länder zusätzlich bereitstellen müssten. Und hier liegt vermutlich auch das Problem. Die Länder sind nicht bereit, die Mehrkosten alleine zu tragen und fordern eine Übernahme durch den Bund.
Muss man daraus schließen, dass die Politik für den, wie es heißt, ganz großen Wurf bei der Weiterentwicklung des Medizinstudiums, keinen Cent mehr Geld locker machen will?
Eigentlich sollte jedem klar sein, dass eine Reform mit Kosten verbunden ist. Dass die Finanzierung nun verweigert wurde, ist Ausdruck einer mangelnden Abstimmung der verschiedenen Ministerien sowie der finanziellen Differenzen zwischen Bund und Ländern.
Ein Grund der Unstimmigkeiten ist wohl auch der, dass die Universitätskliniken so hohe Defizite anhäufen und man ohne entsprechendes Entgegenkommen nicht mehr Geld zur Verfügung stellen will. Was sagen Sie dazu?
Diese Defizite allein der Lehre zuzuschreiben, ist mit Sicherheit zu kurzsichtig. Die Finanzierung von Krankenhäusern, und insbesondere der Universitätskliniken, ist ein vielschichtiger Prozess. Die Finanzierung läuft zum einen über die Länder und zum anderen über die Kostenträger, die den laufenden Betrieb finanzieren. Vor allem auf Seiten der Länder wird die Förderung seit Jahren reduziert oder einbehalten.
Sie dürften das vorläufige Scheitern des Projekts auch mit einem lachenden Auge sehen. Ihr Verband hatte zuletzt bei entscheidenden Punkten deutliche Kritik angemeldet, insbesondere was die geplante Landarztquote betrifft. Was stört Sie an den Plänen?
Unser Interviewpartner Niklas Schulz ist Bundeskoordinator für Gesundheitspolitik bei der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd). Er studiert Medizin im 8. Fachsemester an der medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg.
Die Landarztquote soll jungen Menschen ein Medizinstudium ermöglichen, wenn sie sich vor ihrem Studium dazu verpflichten, bis zu zehn Jahre nach dem Studium in unterversorgten Regionen zu praktizieren. Hiermit möchte man dem zunehmenden Ärztemangel in ländlichen Regionen begegnen.
Problematisch daran ist aus unserer Sicht, dass junge Menschen Entscheidungen für ihr weiteres Leben treffen sollen, deren Auswirkungen sie zu so einem frühen Zeitpunkt noch gar nicht einschätzen können. Den meisten Medizinstudierenden wird erst während des Studiums klar, welche Fachrichtung sie interessant finden und welche Weiterbildung für sie in Frage kommt. Die nötige Entscheidungsfreiheit wird durch die vorher getroffene Verpflichtung massiv eingeschränkt. Soziale Einschränkungen bei der Freizügigkeit oder der Familienplanung kommen erschwerend hinzu.
Die Rede ist von maximal zehn Prozent der Studienplätze, die die Länder auf dem Wege einer „Landarztverpflichtung“ vorab vergeben könnten. Bisher hat sich lediglich Bayern dazu bekannt und peilt zunächst auch nur eine Quote von fünf Prozent an. Sie warnen angesichts dessen vor Qualitätseinbußen und Ärzten „zweiter Klasse“. Dramatisieren Sie die Sache damit nicht doch ein wenig?
Keineswegs. Studierende, die auf diesem Wege zum Studium zugelassen werden, erhalten ihren Studienplatz in einer Vorabquote. Sie umgehen somit das eigentliche Zulassungsverfahren. Daher könnte der Eindruck entstehen, dass es zwei Klassen von Medizinstudierenden gibt. Und das könnte sich auch bis in den Beruf fortsetzen, mit der Folge einer Abwertung der Allgemeinmedizin. Das steht im Widerspruch zu einer unserer Forderungen: Der Aufwertung der Allgemeinmedizin in Studium und Weiterbildung.
Außerdem wird bereits darüber beraten, welche Strafe Studierenden droht, die aus dem Vertrag aussteigen. Zuletzt war eine Summe von 150.000 Euro im Gespräch. Dies könnte für Bewerberinnen und Bewerber aus wohlhabenden Verhältnissen bedeuten, sich darauf einzulassen, damit den Studienplatz zu bekommen und im Anschluss die Strafe zu bezahlen. Eine solche soziale Bevorzugung gilt es dringend zu vermeiden.
Dass in der Frage der ärztlichen Unterversorgung im ländlichen Raum Handlungsbedarf besteht, stellen Sie aber nicht in Frage? Welche sind Ihre Rezepte, um dem Problem zu begegnen?
Die Politik versucht das Problem ohne große finanziellen Mehraufwand zu lösen. Die Vergabe von bereits vorhandenen Studienplätzen erzeugt quasi keine Mehrkosten. Allerdings wird hier lediglich das Symptom bekämpft und nicht die Krankheit. Der Grund für die ländliche Unterversorgung sind vielmehr die weniger attraktiven Bedingungen. Das beginnt bei der hohen Arbeitsbelastung und der vergleichsweise niedrigen Vergütung. Auch sind Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten häufig eingeschränkt, ebenso die Möglichkeit, Forschung zu betreiben.
Wie konkret müsste man all diese Baustellen in Ihren Augen angehen?
Im Studium muss die Allgemeinmedizin einen besseren Stand bekommen. Zum einen durch eine longitudinale Präsenz im Studium und zum anderen durch die Schaffung von allgemeinmedizinischen Lehrstühlen an den Fakultäten. Darüber hinaus muss die Weiterbildung überarbeitet und attraktiver gestaltet werden. Insbesondere die Möglichkeit zur Forschung muss verbessert werden. Auch die Vergütung der Hausärzte darf hierbei kein Tabuthema darstellen.
Nach den weiteren Plänen sollen bei der Bewerberauswahl zum Medizinstudium künftig mindestens zwei zusätzliche Kriterien neben der Abiturnote ins Gewicht fallen: Die sozialen und kommunikativen Fähigkeiten sowie die Leistungsbereitschaft der Kandidaten. Damit würde ein Stück weit von der starren Fixierung auf den Abischnitt weggekommen, zumal die „Wertigkeit“ des Abiturs ohnedies von Land zu Land verschieden ist. Wie stehen Sie zu diesem Punkt?
Wir begrüßen diesen Schritt ausdrücklich. Wir fordern, dass es in Zukunft nur eine Quote gibt, nach der die Studierenden ausgewählt werden. Die Abiturnote sollte hierbei weiterhin ein starkes Gewicht haben. Allerdings sollte eine Kompensation über weitere Kriterien wie fachspezifische Studierfähigkeitstests oder Freiwilligendienste möglich sein, da eine gute Abiturnote Studierende nicht zwangsläufig zu guten Ärztinnen und Ärzten qualifiziert.
Ihr Missmut rührt auch daher, dass studentische Vertreter bei der Erarbeitung des Reformkonzepts nicht eingebunden wurden. Das allerdings ist eine feste Konstante in der Hochschulpolitik …
Der Prozess des Masterplans war und ist noch immer von Intransparenz und Geheimhaltung geprägt. Auch bei der nachfolgenden Umsetzung der Maßnahmen des Masterplans in die ärztliche Approbationsordnung ist keine studentische Beteiligung vorgesehen. Aus diesem Grund haben wir uns entschlossen, eine Petition für die Beteiligung von Studierenden zu starten, die großen Anklang gefunden hat und bereits von mehr als 7.000 Unterstützerinnen und Unterstützern gezeichnet wurde. Auch stehen wir mit der Forderung nach mehr Einbindung in den Reformprozess nicht alleine da. Viele Verbände fordern mehr Mitsprache von Fachvertretern, Studierenden und Fakultäte (vgl. z B. hier).
Was denken Sie, wie die Sache jetzt weitergeht?
Es bleibt abzuwarten, ob das letzte Wort vor der Wahl schon gesprochen wurde. Die große Koalition hat viel in die Reform investiert. Man bekommt den Eindruck, dass der Entwurf mit allen Mitteln durchgebracht werden soll. Aus unserer Sicht ist eine Reform des Medizinstudiums sehr zu begrüßen. Allerdings braucht es auch eine geklärte Finanzierung und die Einbindung von Studierenden und der Fakultäten in den Reformprozess.
(rw)