Matratze oder SchlossalleeWohnungsnot zum Semesterstart
Wer sich vergleichsweise hohe Mieten leisten kann, für den lässt sich eher etwas gemütliches finden …
Wohnst Du noch, oder residierst Du schon? Zum Beispiel in der Schleissheimer Straße 323 in München, in einem Wohnheim der Youniq AG. Geschäftsmodell der Immobilienfirma mit Sitz in Frankfurt am Main ist es, Studierenden ein Dach über dem Kopf zu verschaffen. Aber nicht irgendeines. Die 80 Ein-Zimmer-Apartments in Bayerns Landeshauptstadt bieten allerhand Komfort: „Stylisches“ Bad, „hochwertige Einbauküche“ und Highspeed-Internet.
Obendrein gibt es eine „Learning-Lounge“, eine „Washing Lounge“ und – standardmäßig bzw. standesgemäß – eine „Fitness-Lounge“. Ziemlich einzigartig ist bei Youniq auch der Preis. 16 bis 26 Quadratmeter mit Vollausstattung kosten in München 570 bis 890 Euro, zuzüglich der „einmaligen Aufnahmegebühr“ von 480 Euro bei Übergabe.
Goldgräberstimmung
Youniq ist deutscher Marktführer im Segment studentisches Wohnen. Das Unternehmen betreibt aktuell zwölf Häuser in acht Städten mit rund 2.500 Einheiten. Hoch hinaus will auch die International Campus AG, die mit ihrer Markenfamilie THE FIZZ für die kommenden zehn Jahre „15.000+ beds under management“ als strategisches Ziel ausgibt. Wenn im Oktober Eröffnung in Frankfurt, Hannover und Darmstadt sein wird, bringt es FIZZ auf dann sechs Objekte, bis zu 20 sollen es noch werden. Das passt: In der Branche herrscht eine regelrechte Goldgräberstimmung. In der Süddeutschen Zeitung kam unlängst der Vorstandschef der Campus AG, Horst Lieder, zu Wort: „Neue Häuser sind in Windeseile voll vermietet.“
Warum auch nicht? Die Studierendenzahlen eilen von Rekord zu Rekord, aktuell bevölkern 2,7 Millionen junge Menschen Deutschlands Hochschulen. Seit Jahren kommen ziemlich konstant eine halbe Million Studienneulinge dazu. Weil die Absolventenzahlen da nicht mithalten und auch nicht jeder nach dem Abschluss gleich die Bude räumt, wird es auf dem Wohnungsmarkt immer enger – während die Preise in ungeahnte Höhen schießen. In Augsburg etwa – wahrlich keine Metropole – werden für eine Studentenwohnung schon einmal 900 Euro aufgerufen. Wie die örtliche Presse berichtete, deckt das Angebot die Nachfrage „bei weitem nicht“. Dabei seien die Kapazitäten an Wohnräumen und Apartments für Studenten in den zurückliegenden fünf Jahren um 50 Prozent gewachsen. Aber das reicht nicht, vor allem für jene nicht, die es nicht so dicke haben.
Profitable Studenten
Denn auch für Augsburg gilt, dass das Gros des Neubestandes auf das Konto privater Investoren geht. Und die denken zuerst an den Profit und scheren sich nicht darum, dass sich unter Studierenden wohl immer noch die wenigsten Mieten von 400 Euro aufwärts leisten können. Allerdings sind die „wenigen“, die so gut bei Kasse sind, unter 2,7 Millionen immer noch ganz schön viele. Der Immobiliendienstleister CBRE hat um Rahmen seines „Marktreports Studentisches Wohnen 2014/15“ in einer Umfrage unter 29.000 Teilnehmern ermittelt, was der Student von heute an Gewinn verspricht.
25 Prozent bringen es demnach auf ein Einkommen von monatlich über 800 Euro, „zehn Prozent können sogar mehr als 1.000 Euro pro Monat ausgeben“. Was aber viel wichtiger ist: Laut Befunden wollen satte 20 Prozent sich eine Wohnung 400 Euro und mehr kosten lassen. Und noch etwas: „Im Vergleich zu den aktuell gezahlten Mieten der Befragten zeigt sich, dass die Studierenden bereit wären, durchschnittlich etwa zehn Prozent mehr Miete für idealen Wohnraum zu bezahlen.“ Soll heißen: Hier lässt sich ordentlich absahnen.
Wohnheimplätze Mangelware
Die Klientel der Campus AG sind entsprechend junge Menschen, „die ein erfolgreiches Studium mit einer hohen Lebens- und Wohnqualität in kosmopolitischer Atmosphäre verbinden wollen und in der Regel über mehr als 1.000 Euro im Monat verfügen“. Der Kreis der Adressaten ist auf alle Fälle so groß, dass Investoren den großen Rest der schlechter Betuchten getrost außer Acht lassen können. Und das sind dann die Verlierer auf dem Wohnungsmarkt. In den Vorjahren machten immer wieder Berichte von Studienanfängern die Runde, die noch lange bis ins Semester hinein ohne Bleibe waren und sich mit irgendwelchen Notbehelfen durchschlagen mussten. Man muss wohl davon ausgehen, dass sich derlei in den kommenden Wochen wiederholen wird.
… preisgünstige Studentenzimmer dagegen sind weiter Mangelware und dringend gesucht. Es bleibt dann nur zu pendeln (wer immerhin schon in relativer Nähe wohnt) oder mit Notquartieren vorlieb nehmen.
Josefine Geib von den Juso-Hochschulgruppen befürchtet gar eine Zuspitzung der Lage. „Beim sozialen Wohnungsbau wurde in der Vergangenheit massiv gekürzt und die Ausstattung mit staatlichen Wohnheimplätzen hält nicht annähernd mit den Entwicklungen mit“, beklagte sie gegenüber Studis Online. Es gebe sogar Bundesländer, die ihre Kapazitäten in den zurückliegenden Jahren „aus Spargründen“ reduziert hätten. Das Deutsche Studentenwerk (DSW) fordert seit gefühlt zehn Jahren, dass die Länder ihre Bestände um „mindestens 25.000 Plätze“ ausbauen. Heutzutage finden weniger als zehn Prozent aller Studierenden in einem staatlich geförderten Wohnheim Platz. Wie das DSW in einer aktuellen Pressemitteilung vorrechnet, ist die Zahl der Hochschüler seit 2008 um 39 Prozent gestiegen, die der Studienanfänger sogar um 50 Prozent. Im gleichen Zeitraum wurden die Kapazitäten der Wohnheime in öffentlicher Zuständigkeit dagegen um dünne fünf Prozent erweitert.
Ende der Symbolpolitik?
Und obwohl die Situation sich von Jahr zu Jahr verschärft, geschieht seitens der Politik wenig bis gar nichts. Nur einzelne Länder unternehmen wirklich messbare Anstrengungen, beim Wohnheimbau nachzulegen. Dabei ist die öffentliche Förderflaute das beste Förderprogramm für private Bauherren. Wäre der soziale Wohnungsbau nicht so massiv vernachlässigt, wären die öffentlichen Wohnbestände nicht in großem Stil privatisiert worden und stünden bundesweit vielleicht 50.000 mehr Wohnheimplätze zur Verfügung, wäre das Geschäft mit studentischen Deluxe-Apartments wahrscheinlich nicht halb so lukrativ.
Immerhin: Nach jahrelanger Symbolpolitik schickt sich die Bundesregierung jetzt an, der Misere mit Taten zu begegnen. Bauministerin Barbara Hendricks (SPD) hat jüngst angekündigt, die Errichtung sogenannter Mikrowohnungen mit 120 Millionen Euro zu fördern. Geplant sind Appartements mit einer Mindestgröße von 22 Quadratmetern, die vor allem Studierenden und Auszubildenden zugutekommen sollen. Staatliche Zuschüsse soll es für Investoren dabei nur geben, wenn die Miete über mehrere Jahre konstant bleibt. Die Rede ist von 260 Euro Warmmiete, was lediglich zehn Euro über der künftigen BAföG-Wohnkostenpauschale liegen würde. Der Satz wird zum Oktober 2016 von derzeit 224 auf 250 Euro erhöht.
Mietkosten verdoppelt
Allerdings hat vorerst niemand etwas davon. Das Programm wurde noch gar nicht aufgelegt und käme es zustande, sollen die fraglichen Bauvorhaben erst 2018 abgeschlossen sein. Trotzdem deutet Hendricks, anders als ihre Amtsvorgänger, so etwas wie ein Umdenken an. Die Mittel für den sozialen Wohnungsbau will sie bis 2019 mindestens verdoppeln, jährlich sollen 350.000 neue Wohneinheiten entstehen. Wobei auch hier gilt: Was auf dem Papier geplant ist, ist noch weit davon entfernt, umgesetzt zu werden. Vor Hendricks hatte Ex-Minister Peter Ramsauer (CSU) wegen der studentischen Wohnungsnot zweimal zu einem „Runden Tisch“ geladen und allerhand pfiffige Ideen von der Umwidmung von Kasernen bis zur Nutzung von Hotelschiffen ausgebrütet. Nichts davon wurde realisiert.
Am Mittwoch hat sich der Bundestag des Themas angenommen. In einem Fachgespräch schilderte der Senator für Soziales, Jugend, Gesundheit, Schule und Sport der Hansestadt Rostock, Steffen Bockhahn (Die Linke), wie sich die Zeiten geändert haben. „Wenn ein Studierender früher selber eine Wohnung hatte, eine kleine Einraum- oder Zweiraumwohnung, die er mit seinem Budget bezahlen konnte, dann geht das heute nicht mehr, stattdessen hat er das gleiche Geld, um sich dafür ein WG-Zimmer zu bezahlen. Das heißt, wir haben in einigen Quartieren durch diese WG-Bildung und durch die Möglichkeit, das am Markt durchzusetzen, die Situation, dass wir das Doppelte bis Zweieinhalbfache des sonstigen Mietniveaus erreichen.“
Zur Not aufs Matratzenlager
Was also tun, etwa dann, wenn man in München wohnt? Laut Onlineportal wg-suche.de muss man dort „durchschnittlich 493 Euro für ein WG-Zimmer“ berappen. Wie Pressesprecher Ingo Wachendorfer im Gespräch mit Studis Online mitteilte, stellt das lokale Studentenwerk rund 11.000 Wohnplätze zur Verfügung, wobei die Wartezeit je nach Wohnanlage zwischen einem und vier Semestern variieren würde. Der DSW-Vertreter rät dazu, sich möglichst früh um einen Wohnheimplatz zu bewerben, für das Wintersemester gehe dies schon ab 15. Mai. „Zusätzlich sollte man die gängigen Portale nutzen, um ein Zimmer in einer WG zu ergattern.“ Das Studentenwerk München betreibe zudem eine Privatzimmervermittlung.
Und was, falls man bis Semesterbeginn keine dauerhafte Bleibe gefunden hat? Betroffenen empfiehlt der Sprecher, sich dringend nach Übergangswohnraum umzuschauen und beispielsweise einen zeitlich begrenzten Platz in einer Wohngemeinschaft anzunehmen. „Zu allerletzter Not stellt das Studentenwerk stets zu Beginn des Wintersemesters sogenannte Notunterkünfte bereit. Dies sind in der Regel Mehrbettzimmer oder Matratzenlager, in denen die Betroffenen wochenweise Unterschlupf finden.“ Wer es stilvoller mag, rückt besser vor zur Schlossallee – Pardon: Schleissheimer Straße. (rw)
Zum Thema