Studie zu ZulassungsbeschränkungenVier von zehn Studiengängen mit NC versperrt
Zwischen den einzelnen Bundesländern bestünden mitunter „massive Unterschiede“, teilte am Dienstag das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) per Pressemitteilung mit. Angespannt bleibt die Lage vor allem in den Stadtstaaten Hamburg und Bremen. In der Elbmetropole hat sich die Quote der Studiengänge mit NC im Vergleich zum Wintersemester 2014/15 sogar erhöht – von seinerzeit 68,2 auf 68,6. Damit sind über zwei Drittel der Angebote zulassungsbeschränkt. Ähnlich schlecht sieht es beim Nachbarn an der Weser mit einer Quote von 65 Prozent aus, allerdings lag dort der Wert vor zwei Jahren noch bei fast 70 Prozent.
Der gestern vorgelegte „CHE Numerus Clausus-Check 2015/16“ basiert auf den NC-Daten des Hochschulkompasses der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) zu über 17.000 Studiengängen und liefert eine nach Bundesland, Hochschultyp, Abschlussart und Fächergruppen differenzierte Betrachtung. In der Gesamtsicht liegt demnach der Anteil der Studiengänge mit Zugangshürden bundesweit bei 42 Prozent, 2014/15 waren es noch 45,5 Prozent. Begünstigt worden sei die Entwicklung vor allem durch die stark gesunkenen Quoten in Nordrhein-Westfalen (NRW), Mecklenburg-Vorpommern und Berlin mit jeweils rund neun Prozentpunkten, erläuterte CHE-Geschäftsführer Frank Ziegele.
Keine doppelten Abijahrgänge mehr
Bundesweit haben 42 Prozent der Studiengänge Zugangshürden. Es gibt starke Variationen zwischen den Bundesländern.
Als Gründe für die Entspannung nannte der CHE-Mann zwei Punkte. Einerseits zeigten sich darin die „Anstrengungen von Hochschulen und Politik, der gestiegenen Studierneigung Rechnung zu tragen“. Das soll wohl heißen, dass die Studierkapazitäten insgesamt ausgebaut wurden, um dem seit Jahren anhaltenden Run auf die Hochschulen zu begegnen. Das mag zwar stimmen, gleichwohl ist man angesichts der aktuell 2,7 Millionen Studierenden noch weit davon entfernt, allen Bewerbern zu ihrem Wunschstudium zu verhelfen.
Die vielleicht gewichtigste Rolle für die Trendumkehr dürfte aber das Auslaufen der doppelten Abiturjahrgänge gespielt haben, worauf auch Ziegele hinwies. Praktisch überall ist der Umstellungsprozess auf das Gymnasium mit acht Jahren (G8) abgeschlossen. Es fehlt nur noch Schleswig-Holstein, wo es 2016 soweit sein wird. Für erheblichen Druck hatte zuletzt 2013 der doppelte Abijahrgang des einwohnerstärksten Bundeslandes NRW gesorgt, als praktisch zweimal so viele Schulabgänger wie sonst ein Studium anstrebten. Folgerichtig war in besagtem und im darauffolgenden Jahr die NC-Statistik nach oben ausgeschlagen. Jetzt, wo sich die Lage wieder normalisiert hat, gehen mit den weniger gewordenen Studienanfängern auch die NC-Quoten zurück. Dieser Automatismus dürfte dann auch Ziegels These von den „Anstrengungen von Hochschulen und Politik“ zumindest relativieren.
Unis versus FHs
Ohnedies ist die Situation nach wie vor alles andere als günstig. Mit dem Saarland (55,2 Prozent), Niedersachsen und Berlin (beide 55,3 Prozent), Baden-Württemberg (58,7 Prozent), Bremen (65 Prozent) und Hamburg (68,6 Prozent) gibt es allein sechs Bundeländer, in denen mehr als jeder zweite Studiengang kontingentiert ist. Schleswig-Holstein, Bayern, Hessen, Brandenburg und NRW liegen in der Mitte mit Quoten zwischen 31 und 38 Prozent. Die vergleichsweise geringsten Hürden bestehen in Mecklenburg-Vorpommern (20,4 Prozent), gefolgt von Thüringen (24 Prozent), Rheinland-Pfalz (25,2 Prozent), Sachsen-Anhalt und Sachsen (beide 27,4 Prozent).
Dazu kommt: Ein guter Mittelwert bringt einem nichts, wenn man das „falsche“ Fach setzt. In Schleswig-Holstein sind zwar „nur“ 31,1 Prozent aller Studiengänge mit NC belegt, aber mal eben doppelt so hoch ist die Quote in den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Starke Diskrepanzen ergeben sich auch bei Berücksichtigung des Hochschultyps. So ist etwa an bayerischen Universitäten nur jeder dritte Studiengang in Rechts-, Wirtschafts- oder Sozialwissenschaften mit einem NC belegt, während die Quote an den Fachhochschulen (FHs) in der gleichen Fächergruppe bei fast 90 Prozent liegt. Ein umgekehrtes Bild zeigt sich bei den Sprach- und Kulturwissenschaften in Berlin. Dort sind acht von zehn Unistudiengängen zulassungsbeschränkt, an den FHs weniger als ein Drittel.
Schotten dicht in Hamburg
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In praktisch allen Belangen schlecht stellt sich die Situation in Hamburg dar. Wer dort Mathematik oder ein Fach in Naturwissenschaften studieren möchte und nur ein mittelmäßiges Abitur vorweisen kann, hat bei 90 Prozent der Angebote keine Chance. Bloß einer von zehn der in Frage kommenden Studiengänge ist zulassungsfrei. In den Sprach-Kulturwissenschaften beträgt die NC-Quote sogar 92 Prozent. An den Universitäten der Hansestadt ist die Quote in den entsprechenden Fächern noch höher, 97,6 Prozent beträgt sie in den Kultur- und 96 Prozent in den Naturwissenschaften. Ein kleiner Lichtblick: Während sich der Durchschnitt aller universitären Studiengänge mit NC auf 83,7 Prozent beläuft, sind es bei den Fachhochschulen (FHs) nur knapp 50 Prozent.
Den Vogel in der FH-Rubrik schießt das Saarland ab. Während dort ein Studienplatz an einer Uni noch vergleichsweise „einfach“ zu ergattern ist (je nach Fach zwischen 18 und 79 Prozent mit NC), beträgt die Quote bei den FH-Angeboten insgesamt 92,3 Prozent. Schlusslicht bei den FHs ist das Land auch in den Sozial- und Naturwissenschaften mit Werten von 86,2 bzw. 87,5 Prozent. In den Ingenieurfächern sind sogar sämtliche, also 100 Prozent, aller Studiengänge, mit einem NC versperrt.
Erfolg mit Abstrichen
Aber auch vermeintlich gute Nachrichten müssen nicht immer gleich Gutes bedeuten. Wie oben erwähnt, hat Berlin sich um einen beträchtlichen Satz von 9,5 Prozentpunkten auf 55,3 Prozent verbessert. In den Bachelor-Studiengängen ist die Quote gar um über elf Prozent zurückgegangen – so stark wie in kaum einem anderen Land. „Zu große Hoffnungen sollten sich Studienbewerber deswegen aber nicht machen“, schrieb am Dienstag der Berliner Tagespiegel. An Gründen führt das Blatt drei auf. Erstens hätten die Unis lediglich „in kleineren, bisher wenig nachgefragten Fächern die Hürde NC abgebaut, während sie weiterhin vor beliebten Fächern mit hohen Bewerberzahlen steht“. Zweitens fielen unter die freien Studiengänge viele Angebote der in der Hauptstadt zahlreich vorhandenen Privathochschulen, „die aber stattdessen oft Studiengebühren nehmen“. Drittens hätten viele Kunsthochschulen der Stadt „nicht immer einen NC, dafür aber anspruchsvolle Eignungsprüfungen“.
Einer Einordnung bedürfen ebenso die vergleichsweise besseren Zahlen im Bereich der Master-Studiengänge. Diese sind mit einem Anteil von 36 Prozent im Bundesdurchschnitt weniger häufig mit NC belegt als die Bachelor-Angebote mit 47,7 Prozent. Allerdings gibt es je nach Bundesland und Fächergruppe gewaltige Ausschläge nach oben, auf zum Teil über 90 Prozent (Mathematik und Kulturwissenschaften in Hamburg). Daneben muss bedacht werden, dass entgegen der Planungen der Bologna-Reformer der weit überwiegende Teil, nämlich drei Viertel der Bachelor-Absolventen ein Masterstudium anschließen will. Die weiterhin beträchtlichen NC-Hürden sind eigentlich ein Skandal angesichts des gängigen Politikerbekenntnisses, dass niemandem ein Master-Studium verbaut werden dürfe.
CHE macht Propaganda
Die Realität sieht anders aus: Wer seine Berufschancen angesichts des in der Wirtschaft nicht gerade hoch im Kurs stehenden Bachelor mit einem Master-Abschluss aufwerten will, hat schlechte Karten, wenn die Noten nicht passen. Wer es heute zum Akademiker schaffen will, hat es damit doppelt schwer, weil bereits im Bachelor-Studium starke Ausschlussmechanismen wirken. Rund ein Drittel der Bachelor-Anwärter bricht das Studium vorzeitig ab. Auch das relativiert Aussagen wie etwa die von Spiegel Online, „in den vergangenen Jahren hat der Bund die Länder massiv mit Milliardensummen unterstützt, um neue Studienplätze zu schaffen“. Ein echte Errungenschaft wären neue Studienplätze dann, wenn jeder einzelne auskömmlich ausfinanziert wäre. Tatsächlich gehen die pro Platz bereitgestellten öffentlichen Mittel aber immer stärker zurück. Und Masse ist bekanntlich nicht gleich Klasse.
CHE-Geschäftsführer Ziegele meinte am Dienstag, „die großen Unterschiede, die der aktuelle NC-Check für die mehr als 17.000 Studiengänge zutage gefördert hat, sind für viele angehende Studierende nur schwer zu durchschauen“. Deshalb solle man sich von „einem NC am Wunschstudienort nicht entmutigen lassen, sondern auch Alternativen an anderen Orten prüfen“. Nur gut, dass es ein Centrum für Hochschulentwicklung gibt, das nicht nur regelmäßig schöne Studien und Statistiken auftischt, sondern auch Privatunis gut findet, genauso wie die „unternehmerische Hochschule“ oder „weniger Staat“ – und damit als Anhängsel der Bertelsmann AG Europas dem mächtigstem Medienkonzern in die Hände spielt. Das durchschaut auch nicht jeder. (rw)
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