Studie zu Mittelvergabe an HochschulenMehr Personal lehrt besser
Leistungsbezogene Mittelzuweisungen sollen wie ein Magnet wirken und beispielsweise auch die Einwerbung von Drittmitteln belohnen. Nur kann das wiederum negative Effekte an anderer Stelle bedeuten.
Die Ergebnisse der Studie „Anreize und Steuerung in Hochschulen – Welche Rolle spielt die leistungsbezogene Mittelzuweisung?“ haben „in ihrer Deutlichkeit“ selbst FiBS-Direktor Dieter Dohmen überrascht. „Es kommt auf die Betreuungsrelationen an. Mehr Professuren und zusätzliche Wissenschaftlerstellen sind die zentrale Stellschraube für gute Lehr- und Forschungsleistungen“, heißt es in einer begleitenden Pressemitteilung. „Fachbereiche mit einer größeren Zahl von Professorinnen und Professoren sowie wissenschaftlichen Fachkräften haben sowohl mehr Absolventen, mehr Studierende in der Regelstudienzeit und mehr Doktoranden und Habilitanden.“
Miese Betreuungsrelation
Das hört sich wie eine Binsenweisheit an – und ist auch eine. Man stelle sich das Extrem einer Schule mit einem Lehrer und hundert Schülern vor. Was soll bei denen hängen bleiben? Und wieviel mehr ließe sich mit fünf Pädagogen bewerkstelligen? An den Hochschulen gelten dieseleben Gesetzmäßigkeiten. Das FiBS hatte zuletzt im Dezember eine Studie zur Betreuungssituation an Deutschlands höchsten Bildungsanstalten vorgelegt, deren Befunde alarmieren. Zwar zeigte sich in der Gesamtschau keine wirklich drastische Veränderung. 2012 kümmerte sich im Schnitt eine Lehrkraft um 15,9 Studierende, 2003 lag die Relation bei 1 zu 15,2.
Allerdings offenbart ein differenzierter Blick auf die Fächergruppen gewaltige Ungleichgewichte. In den Ingenieurswissenschaften kam vor drei Jahren ein Dozent auf 22,4 Lernende, nach eins zu 15,6 im Jahr 2003. An den Universitäten verschlechterte sich das Verhältnis innerhalb eines Jahrzehnts von eins zu elf auf eins zu 19,4, eine laut Dohmen „fast schon als dramatisch“ zu bezeichnende Verschiebung. Ähnlich miserabel stellt sich nach seinen Untersuchungen die Lage in den sogenannten MINT-Fächern dar (Mathematik, Informatik, Natur- und Technikwissenschaften). Dabei sei gerade in diesem Bereich „eine gute Betreuung wichtig für einen erfolgreichen Studienabschluss“, meinte der Bildungsökonom und äußerte die Vermutung, dass die dünne Personaldecke „einer der Gründe für die hohen Studienabbruchquoten sein könnte“.
Profs machen den Unterschied
Die aktuelle FiBS-Studie stellt diese Einschätzung auf eine empirische Grundlage. Insbesondere liegt das an dem, was darin über die Rolle der Professoren geschrieben steht. Je mehr es nämlich davon gibt, desto besser schneidet insgesamt die Lehre ab, gemessen an den Promotionen, Habilitationen und Studierenden in der Regelstudienzeit. „Die Befunde sprechen dafür – und zeigen dies auf der Grundlage objektiver Ergebnisse –, dass die Zahl der Professorinnen und Professoren der zentrale Inputfaktor einer Hochschule ist, gefolgt von den sonstigen Wissenschaftlerstellen.“ Lediglich bei der Beschaffung von Drittmitteln seien die Wissenschaftlerstellen wichtiger, während die Lehrstuhlinhaber sogar „einen leicht negativen Einfluss auf diese Einkünfte haben – oder anders formuliert: Fachbereiche mit mehr Professoren haben nicht automatisch höhere Drittmitteleinnahmen.“
Das wiederum ließe sich so interpretieren: Professoren befassen sich vornehmlich damit, Studierenden etwas beizubringen, und weniger damit, Geld ranzuschaffen. Das Problem ist nur: Lehrstühle werden immer mehr zur Mangelware. Nach den vom Statistischen Bundesamt für 2012 vorgelegten Zahlen kamen damals auf einen Professor 64 Studierende, vier Jahre zuvor lag das Verhältnis noch bei 1 zu 58. Und das ist bloß ein Mittelwert. Nach einem Bericht der Wochenzeitung Die Zeit von vor einem Jahr lag die Relation in den „normalen“ öffentlichen Hochschulen (stark spezialisierte und private Unis ausgenommen) vor zwei Jahren bei 1 zu 70, mancherorts, wie in Dortmund, musste sich ein Professor gar um über 100 Studierende kümmern.
Rückläufige Hochschulausgaben
Gegenüber Studis Online sprach FiBS-Direktor Dohmen am Montag von einer Steigerung von „eins zu 56 auf über 90“ innerhalb von zehn Jahren. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das noch eine gesunde Betreuungsrelation ist.“ Es müsse deshalb unter anderem dringend mehr Geld für die Lehre, speziell in den Ingenieurswissenschaften bereitgestellt werden. Danach sieht es derweil nicht aus – im Gegenteil. Das FiBS hatte vor fünf Monaten in einer Studie dargelegt, dass die Hochschulausgaben je Studierendem von Bund und Ländern seit 2000 „beträchtlich zurückgegangen sind“ – von seinerzeit 9600 auf 8700 Euro im Jahr 2011.
Viel schlimmer noch wäre die Lage, hätte der Bund nicht mit Sonderprogrammen wie dem Hochschulpakt zur Finanzierung zusätzlicher Studienplätze oder der Exzellenzinitiative zur „Förderung von Spitzenforschung“ Geld ins System gepumpt. Dazu kommen die verstärkten Bemühungen der Hochschulen, sich Drittmittel von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), von Stiftungen und aus der gewerblichen Wirtschaft zu beschaffen. Das damit erzielte Aufkommen umfasst heute schon fast ein Drittel der Hochschulbudgets. Die Gelder fließen dabei jedoch mehrheitlich in sogenannte forschungsstarke Sektoren, weil sich die Förderer (vor allem die aus der Industrie) von ihrem Engagement verwertbare Ergebnisse versprechen. Der Bereich Lehre kommt in aller Regel zu kurz. Mehr noch: Durch hochschulinterne Umschichtungen zugunsten der drittmittelstarken Fachbereiche, Institute und Studiengänge geraten die lehrintensiven Fächer immer weiter ins Hintertreffen.
Drittmittel kein Segen?
SPIEGEL ONLINE stellte denn auch am Freitag einigermaßen irritiert ob der neuen FiBS-Erkenntnisse fest, „dass die Drittmittelsuche mitunter zulasten der Studenten gehen kann“. Zwar steigerten auch sie die Zahl der Promotionen, zwar ermöglichen sie zusätzliches Personal und führten dazu, dass mehr Studienbewerber zugelassen werden. „Für die Lehre sind mehr Drittmittel allerdings nicht nur ein Segen: Je mehr Geld ein Fachbereich einnimmt, desto weniger Absolventen schließen dort das Studium ab und desto geringer ist der Anteil derer, die in der Regelstudienzeit studieren.“
Gemäß der Studie können Drittmitteleinnahmen, „die zu Wissenschaftlerstellen führen“ sehr wohl „positive Effekte haben (wenn sie denn in der Lehre eingesetzt werden)“, während die reine Drittmittelakquise selbst keine positiven Effekte haben müsse, „sondern scheinbar sogar in einem negativen Zusammenhang mit dem Lehroutput steht“. Zum Beleg wird abermals auf die Ingenieurswissenschaften verwiesen. Diese wären drittmittelstark, würden aber „gleichzeitig bei allen lehrbezogenen Indikatoren unterproportional abschneiden“. Bildungsforscher Dohmen fasst zusammen: „Es gibt in den Ingenieur- und Naturwissenschaften unter sonst gleichen Voraussetzungen wie bei anderen Disziplinen weniger Absolventen und Studierende in der Regelstudienzeit, dafür verfügen diese Fachbereiche meist über höhere Drittmitteleinnahmen.“
Mehr Geld ins System
Was folgt daraus für den FiBS-Direktor? „Wir können beobachten, dass die Hochschulausgaben überall gesunken sind. Wir können beobachten, dass die Betreuungsrelation gerade in den Ingenieurs- und MINT-Fächern deutlich schlechter geworden ist. Wenn sich jetzt auch noch zeigt, dass Fachbereiche mit schlechter Personalausstattung höhere Abbruchquoten haben, dann ist die logische Konsequenz: Es muss mehr Geld in die Hochschulen fließen.“ Manchmal kann die Wahrheit so banal sein. (rw)