studium.orgDas Studieninformationsportal der Fachgesellschaften
Von Stephan Lessenich
Daneben gab es eine kontroverse, bisweilen aber auch konstruktive Diskussion um Sinn und Zweck von Rankings, ihre methodischen Schwächen und ihre wissenschaftspolitische Funktion. Die DGS kritisierte vorrangig die Methodik der vom CHE seit 1998 erhobenen und seit 2005 in Medienpartnerschaft mit dem ZEIT-Studienführer alljährlich publizierten Studienangebotsrangliste, insbesondere mit Blick auf die den Bewertungen (in Form von bunten „Ampelpunkten“) zugrunde liegende Studierendenbefragung: von der häufig sehr geringen Fallzahl über die Frage der Vergleichbarkeit lokaler subjektiver Zufriedenheitsurteile von Studierenden bis zur teilweise fragwürdigen Zuordnung von Studienorten zu einer Spitzen-, Mittel- und Schlussgruppe von Universitäten. Zugleich gab die DGS zu bedenken, dass eine solche hierarchisierende Bewertung von Studienangeboten womöglich einem verbreiteten Bedürfnis nach einfach zu deutenden Informationen entgegenkommt, dem komplexen sozialen Sachverhalt universitärer Lehre aber keineswegs gerecht wird – weswegen die gängige Rankingpraxis im Ergebnis wohl weniger die Angleichung von Bildungschancen als den „Standortwettbewerb“ im Hochschulwesen befördern dürfte (und selbstverständlich die Geschäftsmodelle von CHE und DIE ZEIT).
Zum anderen war die damalige Aufforderung der Fachgesellschaft zum Boykott des CHE-Rankings mit der Ankündigung verbunden, selbst ein öffentlich zugängliches Informationsangebot aufzubauen, in dem in Gestalt deskriptiver (statt gewichtend-wertender) Informationen vor allem auch die Spezifika der lokalen Studienangebote im Fach Soziologie ausgewiesen werden sollten. Mehr als zwei Drittel der Soziologieinstitute folgten dem Aufruf der DGS – und verbanden ihre Unterstützung der Rankingkritik aber zugleich mit der Erwartung, dass den Studieninteressierten ein ebensolches alternatives Informationsinstrument zur Verfügung gestellt werde. Denn hinter der Initiative der DGS stand keineswegs, wie von den Verfechtern des Rankings ab und an unterstellt, eine elitäre oder ängstliche Verdunkelungsabsicht. Ihr Beweggrund war ganz im Gegenteil die Überzeugung, dass Transparenz über die Studienangebote und Studienbedingungen der Soziologie an deutschen Hochschulen herzustellen ist – dass aber die Bewertungs- und Ordnungslogik von Rankings nicht im Dienste der Transparenz, sondern vielmehr der Konkurrenz steht und somit letztlich nicht im Interesse der Studierenden liegt, sondern eher in dem von politischen Entscheidungsträgern und der Rankingproduzenten selbst. Es sind aber wohl begründete Studienwahlentscheidungen, um die es der DGS allein geht. Und die nach persönlichem Dafürhalten richtige Entscheidung von Studieninteressierten sollte auf der Grundlage von qualitativ möglichst hochwertigen, von keinerlei sonstigen Interessen geleiteten Informationen vorbereitet und getroffen werden können.
Dass CHE und ZEIT von Transparenz nur sehr bedingt und nach ganz eigenen Kriterien etwas halten zeigt sich daran, dass weder auf www.che-ranking.de noch im aktuellen ZEIT-Studienführer irgendein Wort darüber verloren wird, warum für das Fach Soziologie nun die schönen bunten, scheineindeutigen Ergebnislisten nicht mehr zu finden sind. Und überhaupt: die Umstrittenheit der Rankingmethodik im Besonderen wie auch der wissenschaftlichen Vermessungspraxis im Allgemeinen ist den gewichtigen wissenschaftspolitischen Akteuren aus Gütersloh (das CHE ist Teil der Bertelsmann Stiftung) und Hamburg (bzw. Stuttgart – DIE ZEIT ist Tochter des Holtzbrinck-Konzerns) nicht der Rede wert. Die DGS hingegen sieht es als ihre Aufgabe als Fachgesellschaft an, die Studierenden der Soziologie – die als wissenschaftlicher Nachwuchs auch die Lehrenden der Zukunft sind – über die fachbezogenen Studienmöglichkeiten und Studienverhältnisse zu informieren, ohne ihnen zugleich eine vergleichende und lenkende Bewertung derselben zu präsentieren. Die an einem Soziologiestudium interessierten Schüler/innen und Abiturient/innen sollen sich ein möglichst aussagekräftiges Bild machen können von dem, was sie unter dem Etikett „Soziologie“ jeweils vor Ort erwartet; sie sollen sich kundig machen können, um sodann zu ihren eigenen Urteilen zu gelangen.
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Zu diesem Zweck ist ein Instrument entwickelt worden, das nun – zwei Jahre später – tatsächlich an den Start geht. Dafür hat sich die Deutsche Gesellschaft für Soziologie mit dem Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD) zusammengetan, der dem CHE-Ranking seit jeher distanziert gegenüberstand und sich in der Vergangenheit wiederholt gegen eine Beteiligung an entsprechenden Datenerhebungen ausgesprochen hatte. Um es gleich vorauszuschicken: Das Studieninformationsportal www.studium.org will keine Marktkonkurrenz zu den Aktivitäten von CHE und ZEIT eröffnen. Es will dies nicht, könnte es aber auch gar nicht: Die wissenschaftlichen Fachgesellschaften DGS und VHD sind allein aus Mitgliedsbeiträgen sich finanzierende eingetragene Vereine mit Gemeinnützigkeitsstatus und ohne Gewinnabsicht. Sie sind nichts anderem als der Förderung der jeweiligen Fachwissenschaft – Soziologie und Geschichte – in Forschung und Lehre, Wissenschaft und Unterricht, Universität und Öffentlichkeit verpflichtet. Dieser Charakter der beiden Gesellschaften setzt den Möglichkeiten ihres Einsatzes für die Transparenz von Studienangeboten offensichtliche materielle Grenzen – er bürgt aber zugleich für die Qualität und Glaubwürdigkeit ihres Informationsangebots, das nun allen Interessierten an einem Studium der Soziologie oder der Geschichtswissenschaft kostenlos zur Verfügung gestellt wird.
www.studium.org gibt einen Überblick über sämtliche Studienangebote – zunächst für das Bachelorstudium dieser beiden Fächer – an deutschen Hochschulen. Es ermöglicht die zielgenaue Suche, je nach spezifischen inhaltlichen Interessen oder studienbezogenen Erwartungen, nach den passendsten Studiengängen und Studienorten. Es ist klar im Aufbau, einfach in der Bedienung und verlässlich in den Informationen – und enthält sich jeder Art der vergleichenden Bewertung vermeintlich „besserer“ oder „schlechterer“ Angebote. Mögen die Nutzer/innen selbst, je für sich und jeweils nach eigenem Kriterium, entsprechende Abstufungen vornehmen. Das CHE wirbt gerne unter dem Motto der „Demokratisierung des Rankings“ für sich und sein Produkt – weil es die Studierenden zu Akteuren der Qualitätsbeurteilung mache. Über ein solches Demokratieverständnis ließe sich schon jenseits der dann doch wieder vorgreifenden Ampelfarben streiten – wie auch darüber, wer beim Ranking tatsächlich Herr des Verfahrens ist. Doch für DGS und VHD sind die Zeiten des Streits vorbei – mit www.studium.org beginnt nun die Zeit der zeitgemäßen Studieninformation. Und hier sind die Studierenden tatsächlich eingeladen, sich an der Gestaltung des Produktes zu beteiligen – an der Oberfläche mit Bildeinsendungen und kritischen Rückmeldungen zum Portal, in der Substanz über ihre an den einzelnen Instituten und Fachbereichen erfolgende Beteiligung an der Auswahl, Erhebung und Gestaltung der relevanten Studiengangsinformationen.
DGS und VHD hoffen auf eine große und positive Resonanz von www.studium.org, das in den kommenden Wochen und Monaten Schritt um Schritt erweitert werden soll – um zusätzliche Nutzungsfunktionen, um ergänzende Studienangebote (in Master- und Promotionsstudiengängen) sowie insbesondere auch um weitere Studienfächer. Die Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) hat bereits eine Beteiligung am neuen Studieninformationsportal im Grundsatz beschlossen, die Deutsche Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) befürwortet einen Einstieg ebenfalls. Weitere Fachgesellschaften werden hoffentlich alsbald folgen – die Nutzer/innen aus der Soziologie und der Geschichtswissenschaft haben es nun in der Hand, www.studium.org zu einem erfolgreichen Start zu verhelfen.
Prof. Dr. Stephan Lessenich lehrt und forscht an der Universität Jena und ist Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS).