Lebenssituation von StudierendenTeure Bude und Master statt Bachelor
Das Deutsche Studentenwerk (DSW) erneuerte am Dienstag seine Forderung nach einem Bund-Länder-Programm zum Ausbau der Wohnheimplatzkapazitäten der bundesweit 58 Studentenwerke. Die Studie sei „ein weiterer Beleg dafür, wie dringend zusätzlicher, staatlich geförderter und damit bezahlbarer Wohnraum für Studierende geschaffen werden muss“, unterstrich DSW-Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde per Pressemitteilung. Der Verband ermahnt die Länder seit Jahren zum Handeln und empfiehlt, den Bestand an Heimplätzen in der Fläche um mindestens 25.000 zu erweitern.
Warten auf Wohnheimausbau
Bislang blieben die Appelle des DSW weitgehend unerhört. Die Hoffnungen richten sich nun auf die jüngste Einigung der großen Koalition, die Kosten für das BAföG ab 2015 komplett dem Bund zu übertragen. Damit hätten die Bundesländer „insgesamt 1,17 Milliarden Euro im Jahr zusätzlich zur Verfügung“, um endlich in Aktion zu treten, rechnete Meyer auf der Heyde vor. Ob es so kommt, wird man abwarten müssen. Denn noch gibt es bloß vage Absichtserklärungen, dass die bei den Ländern freiwerdenden Mittel tatsächlich und in vollem Umfang Kitas, Schulen und Hochschulen zugute kommen werden.
Wegen exorbitant gestiegener Preise bei Neuvermietungen in Ballungszentren bleibt für das Gros der Studierenden ein ziemlich knapp bemessenes Budget, mit dem auch für bessere Berufsaussichten der Master finanziert wird
Wie dringend der Handlungsbedarf ist, beleuchten einmal mehr die Befunde der am Dienstag in Berlin vorgestellten Untersuchung „Studienbedingungen 2014“, die das Institut für Demoskopie Allensbach (IfD) im Auftrag des Reemtsma Begabtenförderungswerk erstellt hat. Von den knapp über 2.000 im Frühjahr befragten Studierenden berichteten 72 Prozent von Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche, jeder dritte gar von „erheblichen“. Während sich die Lage in Ostdeutschland noch vergleichsweise entspannt darstellt, nannten für die alten Bundesländer 76 Prozent Probleme, eine passende und bezahlbare Bleibe zu finden. In Berlin liegt der Wert gar bei 82 Prozent.
Kein Platz in Berlin
Hintergrund der Misere sind vor allem die in jüngeren Jahren exorbitant gestiegenen Preise bei Neuvermietungen in den Ballungszentren und traditionellen Universitätsstädten. Heutzutage müssen Studierende für ein Zimmer mitunter 400 Euro und mehr berappen. Wegen des Mangels an Wohnheimplätzen bei gleichzeitig massiv erhöhten Studierendenzahlen bestehen kaum Ausweichmöglichkeiten und viele sind dazu verdonnert, die Zeche zu zahlen – und an anderer Stelle zu sparen. Dazu passt: Bundesweit 72 Prozent der Befragten bemängeln, dass ihre Studienstadt zu wenige Wohnheimplätze vorhält, lediglich 14 Prozent halten das Angebot für ausreichend. In der Hauptstadt sehen dies nur kümmerlich sechs Prozent so.
Die Zahlen zeigten erneut, „wie angespannt die Situation für Studenten auf dem Mietmarkt ist – und die Bundesregierung schaut dabei tatenlos zu“, kommentierte Nicole Gohlke, hochschulpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Die Linke. „Wir brauchen dringend ein Programm zum umfassenden Ausbau der Studentenwohnheime. Davon würden nicht nur Studenten profitieren, auch der Mietmarkt insgesamt könnte entspannt werden.“ Die Politikerin verwies auf eine frühere DSW-Erhebung, wonach im Jahr 2012 in nur einer einzigen von 54 Hochschulstädten die Wohnkosten unterhalb der geltenden BAföG-Wohnkostenpauschale von 224 Euro gelegen haben. In Köln, München oder Hamburg wären dagegen über 350 bis 400 Euro fällig gewesen.
Miete frisst Monatsbudget
Für nicht wenige dürfte damit schon die Hälfte dessen weg sein, was sie monatlich an Geld zum Leben brauchen. Laut Allensbach-Studie stehen den befragten Studierenden im Mittel gerade einmal 615 Euro pro Monat zur Verfügung. 60 Prozent greifen auf 400 bis 800 Euro zurück, 18 Prozent auf weniger als 400 Euro und ebenfalls 18 Prozent können mehr als 800 Euro und mithin über 1.000 Euro ihr Eigen nennen. Laut 20. Sozialerhebung des DSW bringt es der Durchschnittstudent dagegen auf immerhin 864 Euro. Die Diskrepanz von über 200 Euro erklärt sich durch eine andere Methodik. Während Allensbach lediglich Studierende im Alter zwischen 18 und 29 Jahren befragte und darunter auch solche, die noch zu Hause wohnen, werden diese bei der Sozialerhebung nicht berücksichtigt. Zudem bezieht das DSW auch ältere Semester über 29 Jahren in sein Zahlenwerk mit ein.
So oder so erscheint das Budget für das Gros der Studierenden ziemlich knapp bemessen. 64 Prozent sind auf Zuwendungen der Eltern angewiesen, 58 Prozent jobben nebenher, 33 Prozent beziehen BAföG-Leistungen und ein Viertel muss auf Erspartes zurückgreifen, um über die Runden zu kommen. Sechs Prozent behelfen sich durch Studienkredite und Darlehen und vier Prozent erhalten Förderung in Form eines Stipendiums. Die Verteilung ändert sich mit der Studiendauer. Während 18- bis 21jährige zu über 70 Prozent vom Elternhaus unterstützt werden, sind dies bei den 26- bis 29jährigen nur mehr 51 Prozent. Dagegen wächst mit steigendem Alter der Anteil derjenigen, die neben dem Studium jobben (67 Prozent, bei Jüngeren 46 Prozent). Für Gohlke von der Linkspartei trägt diese Doppelbelastung „selbstverständlich nicht zum Studienerfolg“ bei. Auch vor diesem Hintergrund sei es „Skandal“, dass die Bundesregierung eine Nachbesserung bei der Bundesausbildungsförderung erst für Herbst 2016 plane.
Bachelor verpönt
Zu den aktuellen Geldsorgen kommen obendrein verbreitete Zweifel über das, was die Zukunft an Chancen bereithält. Insbesondere dem in der Regel auf drei Jahre begrenzten und als Schmalspurstudiengang geschmähten Bachelor haftet weiterhin ein ziemlich ramponiertes Image an. Allensbach überschreibt das entsprechende Kapitel in seiner Studie denn auch fast schon vernichtend: „Der Bachelor – Abschluss ohne Wert?“ Den Empirikern zufolge planen satte 61 Prozent der aktuellen Bachelor-Studenten, anschließend einen Master draufzusatteln. 20 Prozent sind sich unschlüssig und lediglich 19 Prozent wollen mit dem Bachelor direkt ihr Glück auf dem Arbeitsmarkt versuchen.
Allen Anstrengungen zum Trotz, den Abschluss attraktiver zu machen, zeichnet sich in dem Punkt keine echte Trendwende ab. Nach einer Studie der Hochschul Informations System GmbH (HIS) lag 2012 die Übergangsquote vom Bachelor zum Master bei 62 Prozent, zehn Prozent äußerten zudem die Absicht, einen Master anzuschließen. Ursprünglich wollten die Macher der europäischen Bologna-Studienstruktureform den Bachelor zum Regelabschluss befördern und den Master der höheren Forschung vorbehalten. Daraus wurde nach Lage der Dinge nichts, wozu Allensbach-Projektleiter Michael Sommer am Dienstag vor Pressevertretern zerknirscht zu Protokoll gab: „Die Zahlen überraschen, weil wir erwartet hatten, dass der Bachelor sich mit den Jahren etabliert und sich heute mehr Studierende mit diesem Abschluss auf den Arbeitsmarkt trauen.“
Weniger Geld, weniger Karriere
Nach den Ergebnissen diverser Studien wird dem Bachelor seitens der Wirtschaft mit gehöriger Skepsis begegnet, dazu fallen die Bezahlung und Berufsaussichten deutlich schlechter als die von Master-Absolventen aus. Das deckt sich mit den Einstellungen der Befragten: 73 Prozent erhoffen sich mit dem Master bessere Karriere- und Verdienstmöglichkeiten, ebenfalls 73 Prozent erachten ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt als günstiger. Umgekehrt halten nur 23 Prozent der Studierenden einen Bachelor-Abschluss für ausreichend berufsqualifizierend, 54 Prozent sind vom Gegenteil überzeugt. Jene, die auf den Bachelor zum Berufseinstieg bauen, sehen dies kaum positiver. Auch von ihnen glaubt nur ein Drittel, mit dem Bachelor auf der sicheren Seite zu sein. Nur jeder fünfte Befragte vertritt die Ansicht, dass Arbeitgeber den Bachelor für qualifizierend genug erachten, während 53 Prozent widersprechen.
Mobilitätsbremse Bologna
Noch ein weiteres Versprechen von Bologna bleibt wohl bei auf weiteres unerfüllt. Aktuell haben 17 Prozent aller Studierenden zwischen 18 und 29 Jahren einen Teil ihres Studiums im Ausland absolviert, 27 Prozent planen dies – mit offenem Ausgang. Tatsächlich hat sich die Umstellung auf die neuen Studiengänge Bachelor und Master laut mehrerer Studien sogar als echte Mobilitätsbremse erwiesen. Die politische Zielmarke lautet dagegen, dass die Hälfte aller Absolventen während des Studiums Auslandserfahrungen sammeln sollen. Soviel zu Anspruch und Wirklichkeit. (rw)