Schaufenster, Container, AltenheimSchöner Wohnen zum Semesterstart
Bezahlbarer Wohnraum für Studierende bleibt rar
In Köln wird in dieser Woche zur Besichtigung geladen – nicht von Wohnraum, sondern der Wohnungssuchenden. Am Donnerstag und Freitag werden dazu "einige Studierende (…) publikumswirksam in einem Schaufenster der Stadtbibliothek übernachten", in einer Art "gläsernem Studentenzimmer", heißt es in einer Pressemitteilung. Dahinter steht die Initiative "Mein Zuhause in Köln!", die unter anderem von der Stadt, den städtischen Hochschulen und vom Kölner Studentenwerk getragen wird. Mit der Fleischbeschau will man das Problem für alle sichtbar machen und an die Domstädter mit Wohneigentum appellieren, den Gestrandeten ein Winterquartier zu offerieren. Die bisherige Bilanz der Aktion: Von den knapp 1200 online gestellten privaten Wohnungsangeboten führten über 900 zu einer Vermietung.
Doppelter Abijahrgang in NRW
Der schöne Erfolg nimmt sich beim allgemeinen Ernst der Lage aber wie ein Tropfen auf den heißen Stein aus. Gerade an den Hochschulstandorten in Nordrhein-Westfalen (NRW) herrscht momentan Hochbetrieb. In Deutschlands größtem Bundesland drängt ein doppelter Abiturjahrgang ins Studium, wodurch die Studierendenzahlen auch in diesem und im kommenden Jahr bundesweit auf dem Rekordniveau von 2,5 Millionen und mehr verharren dürften. Und weil längst nicht alle NRW-Schulabgänger einen Studienplatz an Rhein und Ruhr ergattern können, bleibt der Wohnungsnotstand auch andernorts bis auf weiteres bestehen.
Für die Betroffenen kostet das Nerven und mitunter viel Geld. In Köln hat man für ein WG-Zimmer mit 18 Quadratmetern 300 Euro zu berappen, ähnliche Preise werden in Frankfurt (Main), Stuttgart und Hamburg aufgerufen. Noch einmal deutlich teurer ist es in München, wo 392 Euro für eine Studentenbude fällig werden. Nur etwa die Hälfte davon muss man für einen Platz in einem Studentenwohnheim hinlegen. Die Kapazitäten sind allerdings fast überall schon seit Monaten ausgeschöpft. Allein auf der Warteliste des Münchner Studentenwerks standen Mitte September über 7000 Interessenten. Auf den Zuschlag für einen der insgesamt 10.000 Plätze an der Isar-Metropole muss man bis zu vier Semester warten.
Fast überall Notunterkünfte
Nicht ganz so schlimm, aber immer noch stark angespannt ist die Lage in den anderen Hochschulstädten Bayerns. Zwar sind die Schlangen vor den Wohnheimen mancherorts kürzer als im Vorjahr, Engpässe bestehen aber nach wie vor. In Regensburg kam lediglich jeder sechste Bewerber zum Zug, in Nürnberg jeder dritte, auch in Würzburg und Erlangen bleibt das Angebot weit hinter dem Bedarf zurück. Fast allerorten werden zum Semesterauftakt Notunterkünfte eingerichtet, damit die Zukurzgekommenen wenigstens ein Dach über dem Kopf haben.
Dabei ist der Freistaat in punkto Wohnheimausbau republikweit ein Musterknabe (vgl. unseren Artikel Hochschüler in Wohnungsnöten vom 22.05.2013). Nirgendwo sonst wurden in den zurückliegenden Jahren die Kapazitäten so stark erweitert wie hier. Und kein anderes Bundesland schießt so viel öffentliches Geld pro Platz zu, nämlich 26.000 Euro. Zum Vergleich: In Baden-Württemberg sind es gerade einmal 8000 Euro. Verschlafen hat man die Entwicklung unter anderem in Hessen. Dort wurden in jüngerer Zeit zwar Investitionen getätigt, allerdings ausgehend von einer prekären Ausgangslage. Und klar ist auch, das Engagement reicht längst nicht aus. Weil dem so ist, sah sich der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) der Uni Frankfurt genötigt, auf dem Campus Bockenheim ein Notfallcamp mit 30 Feldbetten einzurichten, dasselbe passierte in Gießen und Fulda.
Hausen im Container
Eine Notschlafstelle mit 15 Matratzen gibt es seit heute auch im Kölner Studentenwohnheim in Hürth-Efferen, betrieben vom AStA der Uni Köln. "Die studentische Wohnungsnot hat extreme Ausmaße angenommen, und wir fühlten uns demgegenüber immer hilfloser", äußerte sich Sozialreferent Christopher Kohl zu den Motiven der Aktion. Der Unternehmer Jörg Duske handelt aus anderem Antrieb: Er ist gerade dabei, ein Studentendorf in Berlin Treptow mit 400 Wohneinheiten hochzuziehen. Die Behausungen sind Schiffscontainer aus China, in denen sich auf 26 Quadratmeter Bad, Küchenzeile, Bett, Schrank und Schreibtisch zwängen. Die investierten 13 Millionen Euro könnten sich bald bezahlt machen. Den zwölf Meter langen Wohnschlauch gibt es für 349 Euro ohne und 389 Euro mit Möbeln.
In die Karten spielen Duske dabei die jahrelangen Versäumnisse der Hauptstadtpolitik. Den 170.000 Studierenden in Berlin standen bis zuletzt 9446 Wohnheimplätze gegenüber. Die Versorgungsquote lag damit bei kümmerlichen 6,5 Prozent, im Bundesdurchschnitt sind es zehn Prozent. Dazu kamen in den vergangenen Jahren Luxussanierungen in großem Stil und der anhaltende Rückzug aus dem sozialen Wohnungsbau. Das alles ließ die Preise für studentisches Wohnen in die Höhe schießen und dürfte auch die Bereitschaft befördern, sich in Stahlcontainern für viel Geld seinen Platzängsten hinzugeben. Immerhin: In den nächsten Wochen wollen die sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen 500 zusätzliche studentische Bleiben bereitstellen. Die werden schnell vergriffen sein, für das Wintersemester wird in Berlin mit einem neuen Allzeitrekord an Studierenden gerechnet.
DGB schlägt Alarm
Am vergangenen Freitag hat der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) die Schaffung von neuem Wohnraum als die "dringendste Aufgabe" zum Semesterstart bezeichnet. Die Zahl der Studierenden sei "in den letzten Jahren um 23 Prozent, die Zahl der Wohnheimplätze aber nur um drei Prozent gestiegen", monierte Verbandsvize Elke Hannack per Pressemitteilung. Noch bis zum Jahr 2020 sei mit Studierendenzahlen auf dem bestehenden hohen Niveau zu rechnen. Die Politik lasse bisher die Studierenden bei der Suche nach bezahlbaren Unterkünften allein, fuhr sie fort und forderte einen "bundesweiten Aktionsplan" bis zum Jahr 2015.
Dass es so kommt, ist nach Lage der Dinge jedoch zweifelhaft. Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU) hatte zuletzt im Juni zu einem "Runden Tisch" studentische Wohnungsnot Vertreter von Bund, Ländern, den Hochschulen und der Wohnungswirtschaft nach Berlin geladen. Dabei wurden allerhand schöne Vorschläge gemacht, wie etwa der, Hotelschiffe bereitzustellen oder Kasernen zu Wohnheimen umzufunktionieren. Drei Monate später ist von all dem offenbar nichts in die Tat umgesetzt. "Nach unserer Kenntnis ist kein einziges Projekt neu hinzugekommen, keine einzige Kaserne, keine einzige Bundesliegenschaft", befand am Montag Georg Schlanzke vom Deutschen Studentenwerk (DSW) gegenüber Studis Online.
"Runder Tisch" ergebnislos
Nach Einschätzung des DSW fehlen momentan insgesamt 70.000 Studentenwohnungen, davon 25.000 Wohnheimplätze. Der Dachverband der 58 Studentenwerke in Deutschland fordert seit Jahren ein Bund-Länder-Programm in Milliardenhöhe, um dem Problem Herr zu werden. Eine Einigung in der Frage ist aber nicht absehbar. Zwar wird dem Thema mit Ramsauers "Runden Tischen" inzwischen größere Aufmerksamkeit zuteil, (der im Juni war der zweite nach dem ersten im November 2012). Beide Male gab es aber wohl nicht mehr als einen unverbindlichen Plausch, der keinerlei konkretes Ergebnis zeitigte. So sieht das auch Schlanzke, der beim DSW für den Bereich studentisches Wohnen zuständig ist. "Es hätte auch nicht eines Weckrufs für die private und kommunale Wohnungswirtschaft bedurft. Vor Ort läuft doch bereits viel an Zusammenarbeit zwischen allen beteiligten Akteuren."
Viel wichtiger wäre es laut Schlanzke gewesen, ein Förderprogramm aufzulegen. Das blieb nicht nur aus, die Aussichten auf mehr oder auch nur gleichbleibende Fördermittel haben sich mittlerweile sogar weiter verschlechtert. Tatsächlich hatte das DSW gehofft – und Ramsauer angeregt –, dass die Bundesregierung die 518 Millionen Euro, die sie den Ländern nach der Föderalismusreform kompensatorisch für den sozialen Wohnungsbau gezahlt hat, auch ab 2014 noch zweckgebunden fließen lässt. Und dass davon ein Teil studentischem Wohnen gewidmet sein wird. Daraus wurde nichts: Im Juli vereinbarte die Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Länder, dass die fraglichen Gelder beliebig für alle Investitionen eingesetzt werden können. Angesichts der Finanznöte der Bundesländer auf praktisch allen Feldern könnte am Ende der Bereich studentische Wohnraumförderung mancherorts völlig leer ausgehen.
Wohnen im Altenheim
Die Hoffnungen des DSW richten sich deshalb darauf, dass die Länder in Eigenregie tätig werden. Positive Signale erkennt Schlanzke unter anderem in Bayern, Hessen, NRW, Schleswig-Holstein und Berlin. "Es tut sich etwas, aber es muss schnell etwas und mehr passieren als bisher." Und was die Frage eines Bund-Länder-Programms betrifft, baut der DSW-Mann auf die nächste Bundesregierung: "Vielleicht gibt es ja dann einen dritten Runden Tisch."
Einstweilen muss man bei der Wohnungssuche auch mal andere Wege gehen. So wie Medizinstudent Abusar Ahmadi: Er haust neuerdings in einem Hannoveraner Seniorenstift und betreut stundenweise einen 88jährigen Heimbewohner. Für 250 Euro Miete gibt es vor allem Ruhe – und keine Partys. (rw)