Studienqualitätsmonitor (SQM) vorgelegtQuo vadis Studienqualität?
Von Jens Wernicke
Die Arbeitsgruppe Hochschulforschung der Universität Konstanz hat unter Federführung der HIS GmbH zum sechsten Mal den Studienqualitätsmonitor erstellt. Er verspricht eine Antwort auf die Frage: Wie geht es diesen unbekannten Wesen, den Studierenden, denn nun?
Die Studiensituation ist zwar in manchen Aspekten möglicherweise besser, in anderen aber auch schlechter geworden.
Um dieser Antwort auf die Schliche zu kommen, wurde eine repräsentative Online-Befragung von Studierenden zum Thema Studienqualität durchgeführt. Die Befragungen erfolgten dabei so, dass die Befunde zeitnah zur Verfügung standen, sehr große Studierendenstichproben (an der Befragung haben sich 49.283 Studierende beteiligt) erreicht werden und ein großer Teil der deutschen Hochschullandschaft (über 150 Hochschulen) mit einbezogen werden konnte.
Eigentlich alles gut …
In ihren bilanzierenden Urteilen stellen die Studierenden vor allem die fachliche Qualität der Lehrveranstaltungen positiv heraus. Grundsätzlich scheinen die Studierenden die Studienbedingungen zu akzeptieren, da die große Mehrheit angibt, gerne an ihrer Hochschule zu studieren. An den Fachhochschulen bewerten die Studierenden zusätzlich vor allem den Praxisbezug im Studium als gut, ebenso die Ausstattung, die Betreuung sowie die Teilnehmerzahlen in den Veranstaltungen. An den Universitäten vergeben die Studierenden insbesondere gute Noten für die Förderung der fachlichen Kenntnisse.
Für die meisten nachgefragten Bereiche der Studienqualität gelangen die Studierenden 2012 zudem zu vergleichsweise besseren Urteilen als noch 2008. So wird etwa die Studierbarkeit besser beurteilt, ebenso die Organisation und Abstimmung der Lehre, die didaktische Vermittlung, die Betreuung im Studium, die Forschungs- und Praxisbezüge, die Betreuung durch Lehrende und die Beratung, die räumliche und technische Ausstattung, der Zugang zu Bibliotheken und EDV, sowie die Service- und Beratungseinrichtungen der Hochschulen. Die Studienbedingungen haben sich demnach grundsätzlich verbessert.
Dennoch sind etwas mehr Studierende als 2008 bereits mit ihrem Studium in Verzug geraten und liegen hinter ihrer ursprünglichen zeitlichen Planung zurück. Zugenommen haben überdies auch die Anmeldepflichten für Veranstaltungen und die damit verbundenen Probleme, Veranstaltungen nicht besuchen zu können, wenn keine Plätze mehr verfügbar sind. Umgekehrt gilt allerdings, dass Beeinträchtigungen in Veranstaltungen durch Überfüllung deutlich seltener auftreten.
Entgegen der überwiegend positiven Entwicklung in vielen Bereichen sind die wahrgenommenen "Studienerträge" zurückgegangen, vor allem für die Autonomie, für das fachübergreifende und kritische Denken sowie für die eigene Beschäftigungsfähigkeit. Nur die Förderung der Forschungsfähigkeit hat sich in den letzten vier Jahren leicht erhöht.
… uneigentlich aber doch wieder nicht
Es gibt jedoch auch "Zufriedenheits-Bereiche", die von weniger als der Hälfte aller Studierenden eine gute Bewertung erhalten, und in denen daher eher von einer "grundsätzlichen Unzufriedenheit" ausgegangen werden muss. Diese Bereiche im Studium weisen nach dem Urteil der Studierenden deutliche Mängel auf. Dazu gehören die Studierbarkeit des Fachstudiums mit zu hohen Anforderungen und mit zu wenigen Möglichkeiten, Kurse frei zu wählen und überfachliche Qualifikationen zu erwerben. Daneben fehlt es nach Ansicht der Studierenden an guten Lehrangeboten zum wissenschaftlichen Arbeiten und zum E-Learning. Es sind Abstimmungsprobleme zwischen Lehrveranstaltungen zu beobachten, es fehlt an Betreuungsangeboten in der Eingangsphase und es gibt noch zu wenige Bezüge zur Forschung.
Zudem drücken sich in der Bewertung der Studierenden ein häufiges Fehlen von Rückmeldungen der Lehrenden sowie fehlende Hinweise zur Studienplanung aus. Des Weiteren fallen die überfachlichen Studienerträge zu gering aus und es gibt zu wenige Räume für eigenständiges Lernen. An Universitäten vermissen die Studierenden vor allem Praxisbezüge und eine gute Berufsvorbereitung, während sie an Fachhochschulen auf fehlende Wissenschaftlichkeit und Forschungsbezüge verweisen. Schwächen sehen die Studierenden an Universitäten auch im Aufbau ihres Studienganges, in den Beratungsleistungen der Hochschule sowie bei der didaktischen Qualität der Stoffvermittlung.
Aus der Überforderung vieler Studierenden mit der Stofffülle, den geforderten Leistungsnachweisen und dem fachlichen Anforderungsniveau, resultieren schließlich oft größere Schwierigkeiten bei der Bewältigung des Studiums. Zur Verbesserung ihrer Studiensituation wünschen sich die Studierenden sich dabei vor allem Angebote zu wissenschaftlichen Arbeitstechniken und Lernstrategien, aber auch mehr Betreuung und insbesondere an Universitäten weniger überfüllte Lehrveranstaltungen.
Anhand der Stellungnahmen der Studierenden stellen sich folgende Bereiche heraus, die am dringendsten verbessert werden sollten:
Sicherung und Verbesserung der Studierbarkeit
Bessere Abstimmung und Organisation der Lehre und ihrer Angebote
Realistische Anpassung der Anforderungen und der verlangten Leistungen
Mehr Bezüge zur Wissenschaft, Forschung und Praxis
Mehr Rückmeldungen an die Studierenden
Stärkere Förderung fachlicher und überfachlicher Erträge wie bspw. Autonomie, Selbstständigkeit, fachliche und methodische Kenntnisse, kritisches und fachübergreifendes Denken
Den Worten müssen Taten folgen
Deutlich kritischer als die Studienurheber wertete dabei der freie zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs) die Ergebnisse der Studie. In einer Pressemitteilung ließ dieser unter anderem verlauten:
"Die HIS-Studie belegt, dass die Zahlen der Studierenden, welche mit ihrem Studium in Verzug geraten, seit 2008 steigen und es immer schwerer wird, Plätze in Veranstaltungen zu bekommen. Letzteres kann auch als Ursache für den Studienverzug gesehen werden. Hier sind die Kapazitäten der Hochschulen dringend auszubauen, um allen Studierenden unproblematisch und ohne Anmeldepflicht den Zugang zu Veranstaltungen zu ermöglichen. Studierende sollten nicht in die Situation geraten, untereinander um Veranstaltungsplätze kämpfen zu müssen."
Besonders an Universitäten stünde zudem wirkliches "Studieren" immer weniger im Mittelpunkt. Denn dieses sollte vorrangig die Selbstständigkeit, das kritische und fächerübergreifende Denken fördern, Dinge also, die von den Studierenden als immer weniger vorhanden bescheinigt würden. Außerdem sei nach wie vor die Studierbarkeit ein zentrales Problem. Die didaktische Kompetenz vieler Lehrender sei zudem dringend zu verbessern.
Dem ist eigentlich nur noch Zweierlei hinzuzufügen.
Da ist zum einen die Tatsache, dass das ständige Messen, Werten und Vergleichen bisher selten einmal etwas wirklich besser gemacht hat. Ein geflügeltes Wort zum Thema lautet denn auch "Das viele Wiegen macht die Sau nicht fett". Die Frage, die sich hier anschließt, ist dann auch schlicht jene: Was können und sollen auch die besten Untersuchungen eigentlich bringen, wenn den Hochschulen zugleich doch seit Jahren das Geld dafür fehlt, notwendige Schritte hin zu "besserer Bildung" überhaupt finanzieren zu können, beispielsweise also mehr Personal einzustellen, die Hörsäle zu modernisieren, die Lehrenden fortzubilden usw. usf.?
Und da ist zum anderen die Frage, ob "Zufriedenheit" oder "Berufserfolg" überhaupt geeignete Kriterien sein können, um auf qualitativer Ebene über gute Bildung zu sprechen. Denn: Ist der subjektiv empfundene Grad an "Zufriedenheit" nicht immer relativ? Und steigt er insofern nicht bereits dann einfach an, wenn man den Betroffenen schlicht wieder und immer wieder vermittelte, dass es ihnen doch schließlich besser als den meisten anderen im Lande geht (siehe hierzu: Studium als beste Versicherung gegen Arbeitslosigkeit), ohne dass sich hierfür in Bezug auf ihre konkrete Situation wirklich etwas verbessert haben muss? Ist "Berufserfolg" nicht ebenfalls ein eigenartiges Kriterium zur Definition von Bildung, weil die Verwendung desselben in Folge darauf hinausläuft, bei beispielsweise zeitgleich steigenden Akademikerzahlen und sinkendem Stellenangebot die bedingungslose Unterwerfung unter die Bedingungen des Arbeitsmarktes als "Qualität“ von Bildung zu bestimmen?
Was jedenfalls "gutes Studieren" und die Bedingungen hierfür angeht, so ist dieses Thema bereits seit Jahren gut erforscht (Studis Online berichtete). Ist es dann aber nicht sinnvoll, statt immer wieder Millionen in neue "Studien über Studienzufriedenheit" zu stecken, endlich einmal Geld in reale Verbesserungen zu investieren?