Studienplatzvergabe mit System?Hochschulstart.de auf Schleichfahrt
Studis Online: Wer sich auf einen örtlich zulassungsbeschränkten Studiengang bewerben möchte, kann dies noch bis zum 15. Juli auf Hochschulstart.de, dem Online-Portal der Stiftung für Hochschulzulassung (SfH), tun. Wie Sie in einer Mitte Mai veröffentlichten Medienmitteilung erklärten, sind am sogenannten Dialogorientierten Serviceverfahren (DoSV) inzwischen über 40 Hochschulen mit rund 140 Studiengängen beteiligt. Wie geht man vor, wenn man sich bewerben möchte?
Ulf Bade ist Geschäftsführer der Stiftung für Hochschulzulassung (SfH), der Nachfolgeorganisation der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS). Die SfH unterhält das Online-Bewerbungsportal Hochschulstart.de, über welches in die Studiengänge mit bundesweiter Zulassungsbeschränkung (Human- und Zahnmedizin, Tiermedizin und Pharmazie) sowie in solche mit örtlichen Zugangsbegrenzungen vermittelt wird.
Ulf Bade: Man sollte sich zunächst einen Überblick über das Angebot an Studienplätzen verschaffen, zum Beispiel mit dem Hochschulkompass der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) oder über Studienwahl.de, herausgegeben von den Bundesländern. Dort erfährt man auch, ob der gewünschte Studiengang zulassungsbeschränkt oder zulassungsfrei ist. Bestehen Zulassungsbeschränkungen, kann man sich entweder direkt bei der betreffenden Hochschule bewerben oder, sofern diese mit Hochschulstart kooperiert, zunächst unser Portal nutzen. Dazu muss man sich registrieren und sodann seine Studienwünsche – also Studienfach oder Studienfächer sowie die Hochschule der Wahl – ins System einstellen, entweder dezentral bei der jeweiligen Hochschule oder zentral über Hochschulstart.de. Alles andere verläuft dann nach den Regeln des DoSV: Die Hochschulen bilden ihre Ranglisten, auf deren Grundlage Zulassungsangebote ergehen. Sobald ein Bewerber ein Zulassungsangebot per Mausklick annimmt, scheidet er mit allen übrigen Wünschen aus dem Verfahren aus. So wird gewährleistet, dass andere Bewerber zum Zuge kommen und dass Studienplätze nicht weiterhin auf Verdacht reserviert bleiben, obwohl der jeweilige Anwärter bereits anderweitig versorgt ist.
Weil dem bislang nicht so ist, waren in den zurückliegenden Jahren zum Semesterstart Tausende Studienplätze noch unbesetzt, und viele Anwärter kamen so erst Wochen später in aufwendigen Nachrückverfahren zum Zug. Hat das DoSV also das Zeug dazu, dem leidigen Zulassungschaos ein Ende zu bereiten?
Auch direkt bei uns findet Ihr zulassungsfreie und zulassungsbeschränkte Studiengänge (ohne Anspruch auf Vollständigkeit). Vor allem zeigen wir – so wir entsprechende Angaben recherchieren konnten – dazu die Ergebnisse der vergangenen Zulassungsverfahren an, also Grenznote, Wartezeit etc. ("NC-Werte"). Je nach Interessenslage bieten wir verschiedene Zugänge:
- Verzeichnis der zulassungsfreien Studiengänge (aktuelle Daten)
- Ergebnisse der Zulassungsverfahren der Vergangenheit (dazu auch die damals zulassungsfreien Angebote)
- Studienfach- und Hochschuldatenbank (in allen Listen von Studienfächern verkürzte Anzeige der letzten vorliegenden Daten zulassungsfrei oder NC; dazu alle Studiengänge, zu denen uns bisher keine Informationen in Sachen Zulassungsmodus vorliegen)
Es ist auf jeden Fall das Ziel des DoSV, Allokationsprobleme, die aus der bislang unkoordinierten Zulassung resultieren, zu beseitigen und die Studienplatzvergabe zu beschleunigen, benutzerfreundlich und transparent zu machen. Und in der Binnenbetrachtung der inzwischen beteiligten Hochschulen lässt sich feststellen, dass das Verfahren diesen Anspruch erfüllt. Bezogen auf die Gesamtheit der Hochschullandschaft sowie das Gesamtangebot an Studienplätzen wird das ausgegebene Ziel aber erst dann erreicht sein, wenn der Vollausbau des Systems realisiert ist, das heißt bundesweit alle Hochschulen mit zulassungsbeschränkten Studiengängen mit im Boot sind.
Und das ist noch Zukunftsmusik? Wer sitzt denn bis zum heutigen Tag mit im Boot?
Nach dem aktuellen Stand sind es 45 Hochschulen mit 151 Studienangeboten. Unsere Bemühungen, Cluster zu bilden, wurden vor allem im Bereich der Psychologie und den Rechtwissenschaften von Erfolg gekrönt. Zwei Drittel aller Psychologie-Hochschulen sind beteiligt, von den Jura-Hochschulen sind es immerhin schon 30 Prozent. Dazu umfasst das Angebot schon eine Vielzahl an sogenannten MINT-Fächern aus den Bereichen Mathematik, Ingenieurwissenschaften und Naturwissenschaften. Dazu kommen rund 20 betriebswirtschaftliche Studienangebote. Die Universität Bremen ist sogar jetzt schon an dem Punkt, alle ihre zulassungsbeschränkten Studiengänge, darunter auch Mehrfachstudiengänge, über das DoSV zu vermitteln. Die Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt nimmt ebenfalls mit allen zulassungsbeschränkten Studiengängen teil.
Zum besseren Verständnis: Wenn man Psychologie studieren will, hat man durch Teilnahme bei Hochschulstart schon vieles an Angeboten abgedeckt. Gleichwohl gibt es noch eine Reihe an Hochschulen, bei denen man sich weiterhin direkt bewerben muss, wenn man dort landen will. Stimmt das?
Ja. Das Drittel der nicht beteiligten Psychologie-Hochschulen vergibt die Plätze praktisch weiterhin unkoordiniert, also unvernetzt, und dies dann eben auch mit denselben Risiken und Problemen behaftet, die wir aus den Vorjahren kennen.
Sie äußerten sich in besagter Pressemitteilung mit der Einschätzung, die "örtliche Studienplatzvergabe nimmt Fahrt auf". Was macht Sie zuversichtlich?
Es gibt Signale weiterer Hochschulen, ihre Studienplatzangebote in den kommenden Wochen ebenfalls bei Hochschulstart zu veröffentlichen. Wir rechnen zum Wintersemester mit 45 Hochschulen und 170 Angeboten. Wir wissen auch, dass zahlreiche Hochschulen kurz vor der Einführung neuer Campus-Management-Systeme stehen, die eine Anbindung ans DoSV ermöglichen. Man kann ziemlich sicher davon ausgehen, dass dieser Schritt in den nächsten Semestern vollzogen wird und der Kreis der Beteiligten sukzessive wachsen wird.
Eigentlich hätte das DoSV längst einsatzbereit sein sollen, nicht nur punktuell, sondern flächendeckend. Wegen erheblicher Probleme bei der technischen Umsetzung wurde der Start aber wiederholt verschoben. Die größte Baustelle bestand bisher in der Anbindung der lokalen EDV-Systeme an die Zentralsoftware. Läuft die Technik inzwischen fehlerlos?
Das DoSV lief von Beginn an fehlerfrei. Was es gab und nach wie vor gibt, sind Kompatibilitätsprobleme bei den Hochschulen, von denen praktisch jede über eine ganz spezifische Softwarelösung verfügt, die im Laufe von Jahren und Jahrzehnten gewachsen ist. Die Komplexität der Materie hat man anfangs nicht richtig eingeschätzt, und die Folgen sind bekannt. Je mehr es jetzt gelingt, die Anbindung an die individuellen Besonderheiten der Hochschulen zu bewerkstelligen und so den Datenaustausch zwischen Hochschulsoftware und DoSV zu ermöglichen, wird auch der Ausbau des Systems voranschreiten. Auf alle Fälle ist inzwischen vielerorts Bewegung in die Sache gekommen, und das stimmt mich optimistisch.
Gibt es neben den technischen Problemen nicht noch andere Beweggründe, warum bisher so wenige auf den Zug aufgesprungen sind?
Es gibt in der Tat mehrere Unsicherheitsfaktoren aus Sicht der Hochschulen. Vielerorts steht ein Wechsel der eingesetzten Campus-Management-Software an. Für diese Hochschulen gilt: Zuerst bringen wir unsere EDV auf Vordermann, erst dann denken wir über den Anschluss ans DoSV nach. Ein weiteres, nicht gerade hilfreiches und nachvollziehbares Motiv lautet: Sollen doch andere erst mal ihre Erfahrungen machen. Wenn es gut geht, machen wir auch mit. Und eine dritte Überlegung geht auf einen Passus im Staatsvertrag zurück, der dem Wirken von Hochschulstart zugrunde liegt. Demnach haben die Hochschulen die Kosten des Verfahrens zu tragen. Da wird sich manch ein Rektor überlegen, ob er das Geld dafür ausgeben will, wo er seine Studienplätze bisher doch auch immer irgendwie besetzt bekommen hat – vielleicht zwar relativ spät und nicht sehr bewerberfreundlich, aber was soll`s. Das DoSV verfolgt aber Ziele, die nicht nur den Interessen der Hochschulen dienen, sondern ganz maßgeblich auch denen der Bewerber.
Sollte also die Politik, etwa der Bund, mehr Geld locker machen, um die Hochschulen zum Einstieg zu bewegen?
Der Weg zu einem Studienplatz führt bei vielen Studiengängen über ein Zulassungsverfahren. Trotzdem gibt es nach wie vor auch zulassungsfreie Studiengänge.
Nach der bestehenden Rechtslage wird der Bund mit Sicherheit nicht den Betrieb von Hochschulstart finanzieren können. Mehr Geld könnten allenfalls die Länder beisteuern, was aber in Ansehung der Regelung im Staatsvertrag beinahe ausgeschlossen erscheint. Im Interesse einer auskömmlichen Finanzierung wird man unter Umständen auch über Bewerbungsgebühren nachdenken müssen, wie sie hierzulande ja schon bei ausländischen Studierenden und solchen fällig werden, die im Ausland ihre Hochschulzugangsberechtigung erworben haben. Bei der Masse an Bewerbern im Falle des DoSV-Vollbetriebs würde der erforderliche Beitrag gewiss sehr moderat ausfallen.
Wie viele zulassungsbeschränkte Studiengänge gibt es eigentlich?
Nach meinem Kenntnisstand sind es gegenwärtig ungefähr 2000 und es werden täglich mehr.
Demnach sind demnächst womöglich 170 von 2000 Studiengängen vom DoSV abgebildet. Das erscheint ziemlich kläglich und ihre These, das Verfahren "nimmt Fahrt auf", doch recht gewagt?
Nein, eben nicht. Viele Hochschulen gehen vorsichtshalber nur mit einem Studiengang an den Start. Läuft dabei alles reibungslos – und davon ist auszugehen – wird die Hochschule ihr Angebot im folgenden Semester ziemlich sicher ausweiten. Ich erwarte deshalb eine große Dynamik in den kommenden ein, zwei Jahren.
Müsste die Politik bei der Tragweite und Dringlichkeit des Problems den Hochschulen nicht Beine machen, um sie an den Start zu bringen? Schließlich gibt es aktuell 2,5 Millionen Studierende und es werden in, ein zwei Jahren wohl noch mehr sein.
Ich würde an dieser Stelle doch lieber auf Freiwilligkeit setzen.
Aber dann kann es noch lange dauern …
Es würde wahrscheinlich noch länger dauern, wenn Druck ausgeübt wird. Druck könnte nämlich Kreativpotenzial freisetzen, um Gründe zu finden, die erst recht eine Teilnahme verhindern. Wenn ich auf Freiwilligkeit setze, will ich überzeugen, und das System ist überzeugend. Deshalb geht es jetzt darum, die Hochschulen anbindungsfähig zu machen. Dann braucht es innerhalb weniger Jahre eine belastbare Aussage dazu, welche Kosten auf die Hochschulen zukommen. Und sobald dann eine kritische Masse erreicht ist, werden die verbleibenden Zögerer zwangsläufig mitziehen müssen. Denn die Darstellung bei Hochschulstart befördert auch die Sichtbarkeit einer Hochschule und ihrer Angebote.
Wann also rechnen Sie mit einem mehr oder weniger reibungslosen Regelbetrieb?
Zum Wintersemester 2017/18 gehen wir davon aus, dass ein namhafter Teil der Hochschulen angebunden sein wird.
Wann hätte es nach der ursprünglichen Planung soweit sein sollen?
Der Wunsch der Politik war es, 2011 auf einen Schlag alle Hochschulen anzubinden. Das war rückblickend betrachtet völlig illusorisch. Die Bewerberzahlen stagnieren jedoch auf hohem Niveau. Deshalb meine ich: Die Lösung kommt vielleicht spät, aber keinesfalls zu spät. (rw)
- Bewerbungsportal von hochschulstart.de für Studiengänge mit örtlicher Zulassungsbeschränkung (dort auch die Studienangebote einsehbar, die mitmachen)
- Infoartikel Zulassungsbeschränkte Studiengänge / hochschulstart.de (Ex-ZVS)
- NC-Werte-Verzeichnis
- FAQ: Tipps zur Bewerbung für einen Studienplatz
- Start im Miniformat: Vergabesystem für Studienplätze (29.05.2012)
- Studienplatz-Tauschbörse (für alle, die einen Studienplatz haben – aber am falschen Ort)
- Letzter Ausweg Studienplatzklage?
- Falls der Abischnitt nicht reicht: Medizinstudium ohne NC