Plauderstündchen für die GalerieRunder Tisch zu studentischer Wohnungsnot
Bezahlbarer Wohnraum für Studierende ist rar
Mit dabei im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) waren am Dienstag in der Frühe neben Hausherr Peter Ramsauer (CSU) Vertreter der Bundesländer, der Kommunen, der Wohnungswirtschaft, von Studierenden sowie der Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks (DSW), Achim Meyer auf der Heyde. Der äußerte sich anschließend gegenüber Studis Online vorsichtig optimistisch, was die nähere Zukunft angeht. Das Treffen sei "ein erster, positiver Schritt in die richtige Richtung", bemerkte er und nannte das Gespräch "konstruktiv, weil nun endlich einmal allen deutlich wurde, dass wir preisgünstigen Wohnraum brauchen".
Jein zu Bund-Länder-Initiative
Als "erfreulich" bezeichnete es der DSW-Vertreter, dass der von seinem Verband mit 25.000 zusätzlichen Wohnheimplätzen bezifferte Bedarf nicht in Frage gestellt worden sei. Ramsauer selbst hatte die Zahl 70.000 in Spiel gebracht, bezogen auf das Gesamtdefizit an studentischem Wohnraum, insbesondere an bezahlbaren WG-Zimmern. "Weil rund 30 Prozent der Studienanfänger in Wohnheime gehen, gebe es deshalb auch in der Einschätzung der Lage eine Übereinstimmung", so Meyer auf der Heyde. Zu einem "echten Erfolg" werde der Runde Tisch aber erst dann, wenn er tatsächlich zu einem entsprechenden Bund-Länder-Programm führe (vgl. auch DSW-Pressemitteilung). In diesem Punkt habe es "weder Zustimmung noch Ablehnung" gegeben, so der DSW-Generalsekretär.
Man könnte auch sagen: Die Beteiligten drücken sich um eine Entscheidung herum. Denn zunächst müsste Klarheit darüber her, ob eine Gemeinschaftsfinanzierung durch Bund und Länder nicht gegen das im Jahr 2006 per Föderalismusreform ins Grundgesetz gehievte "Kooperationsverbot" in Bildungsfragen verstößt. Beim DSW will man dahin, die Klippe auf dem Wege eines Sonderprogramms zu umschiffen, wie dies beispielsweise schon im Falle des Hochschulpakts zur Schaffung zusätzlicher Studienplätze geschieht. Alternativ wäre laut Studentenwerk auch eine "Vereinbarung zur Zweckbindung von Mitteln aus dem Programm Soziale Wohnraumförderung" denkbar. "Mir ist es eigentlich ziemlich egal, wer zuständig ist, Hauptsache, das Geld kommt", bekräftigte Meyer von der Heyde.
Zoff um die Millionen
Dabei wären die Kosten durchaus überschaubar. Das DSW als Dachverband der 58 Studentenwerke in Deutschland taxiert diese auf 1,5 Milliarden Euro, wovon Bund und Länder zusammen 660 Millionen Euro beizusteuern hätten. Den Rest müssten die Studentenwerke aus eigener Tasche aufbringen. Aber selbst bei solchen Summen zoffen sich die politisch Verantwortlichen, während im Rahmen der Finanzkrise Zigmilliarden mit ungewissem Ausgang zur Verfügung gestellt werden, ob zur "Bankenrettung" oder für andere Maßnahmen. Solange die Bereitschaft nicht da ist, einen – verglichen damit – Kleckerbetrag zur Erfüllung einer notwendigen öffentlichen Aufgabe locker zu machen, wird das Kooperationsverbot auch weiterhin als Ausrede dafür herhalten, dass die Politik – "so bedauerlich das ist" – nichts unternimmt.
Wohlgemerkt ist es Ramsauer selbst, der sich dagegen sperrt, Bundesmittel für den Wohnheimausbau in die Hand zu nehmen, weil dies ja schließlich Ländersache sei, während die Länder dagegen halten, Mehrinvestitionen würden sie finanziell überfordern. Wenn sich der Minister jetzt als "Linderer" der Wohnungsnot aufspielt, lenkt das auch von seiner eigenen unrühmlichen Rolle ab. Bleibt die Hoffnung, das Verbot könnte alsbald wieder gekippt werden, worüber Bund und Länder gerade erbittert ringen. Allerdings ist eine Einigung fürs erst nicht in Sicht. Für die Studierenden heißt das bis auf weiteres: "Seht zu, wo ihr bleibt."
Warme Worte statt warmer Bude
Reichlich illusionslos hat so auch der "freie zusammenschluss von studentInnenschaften" (fzs) das Plauderstündchen beim Bauminister kommentiert. "Studierende brauchen warme Wohnungen statt warmer Worte. Verbesserungen fallen nicht vom Himmel, sondern kosten Geld", kritisierte Katharina Mahrt, Vorstandsmitglied des fzs, der als Dachverband der Studierendenschaften an den Gesprächen teilgenommen hatte. Die Sensibilisierung für die Problematik sei "begrüßenswert", man dürfe sich aber nicht auf diesem Austausch ausruhen, sondern müsse die Forderungen Wirklichkeit werden lassen.
Skeptisch sieht der fzs Ramsauers Vorschlag, leerstehende Kasernen in studentischen Wohnraum umzufunktionieren. "Studierende mit knapperen Mitteln in den Randgebieten und im Umland der Hochschulstädte unterzubringen, wird die soziale Selektion in der Studierendenschaft verschärfen", gab Mahrt zu bedenken. Auch für Meyer auf der Heyde vom DSW kommen derlei Maßnahmen nicht in Frage, "wenn die Gebäude irgendwo auf dem platten Land stehen und keine ordentliche Verkehrsanbindung an die Hochschulen existiert".
Minister simuliert Aktivität
Dazu gebe es die Schwierigkeit, dass die Verwertung von Bundesliegenschaften Restriktionen unterliege, denen man durch eine Reform des Gesetzes über die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) beikommen müsse. Bisher geht es dem Bund beim Weiterverkauf von stillgelegten Kasernen allein darum, möglichst viel Geld einzustreichen. Wiederholte Initiativen seitens der Opposition, die BImA-Geschäftspolitik für strukturpolitische, städtebauliche und wohnungspolitische Ziele des Bundes, der Länder und der Kommunen etwa für günstiges Wohnen für Studierende zu öffnen, hat die Bundesregierung bisher stets ignoriert.
Auch deshalb warf Kai Gehring von der Grünen-Fraktion im Bundestag dem Minister gestern vor, Aktivität nur zu simulieren. "Für Studierende ohne bezahlbaren Wohnraum, ist Ramsauers Runder Tisch eine einzige Enttäuschung." So habe dieser es auch in punkto der aktuellen Mietrechtsnovelle versäumt, "durch entsprechende Änderungen die Mietpreisentwicklung auszubremsen", während er jetzt versuche, die Verantwortung auf die Länder abzuschieben.
Winter auf der Straße?
Soweit kommt es hoffentlich nicht!
Nicole Gohlke von der Fraktion Die Linke im Bundestag verlangte am Dienstag, Ramsauer dürfe "sich nicht länger wegducken". Der Bund müsse endlich Gelder zur Verfügung stellen, um dauerhaft günstigen Wohnraum für Studierende anbieten zu können. "Die 70.000 Studierenden, die noch auf bezahlbaren Wohnraum warten, lediglich auf leerstehende Kasernen zu verweisen, ist keine Lösung. Wir brauchen eine Mietoffensive und endlich ausreichend bezahlbaren Wohnraum für alle Studierenden."
Bis es soweit kommt, müssen sich die aktuell Wohnungssuchenden (ganz wohnungslos sind sie hoffentlich nicht – aber oft mehr schlecht als recht untergebracht) noch mindestens bis zum nächsten Frühjahr gedulden. Dann soll es den nächsten Runden Tisch geben. "Wir begrüßen das und hoffen dann aber auch auf konkretere Ergebnisse", meinte DSW-Generalsekretär Meyer auf der Heyde.
(rw)