Master außer PlanBachelor ungenügend
Sie haben in einer aktuellen Studie zum "Übergang vom Bachelor- zum Masterstudium" festgestellt, dass sich gegenwärtig knapp drei Viertel der Bachelor-Absolventen dafür entscheiden, auf ihr Erststudium einen Master draufzusatteln. An Universitäten gilt das für über 80 Prozent, an Fachhochschulen für rund 70 Prozent. Solche Zahlen kursieren seit längerem. Was bringt ihre Erhebung Neues ans Licht?
Kolja Briedies ist Projektleiter Absolventenstudien bei der Hochschul-Informations-System GmbH (HIS)
Es gibt frühere Studien zum Thema, bei denen Bachelor-Studierende – die noch vor ihrem Abschluss stehen – nach ihren Zukunftsplänen befragt wurden. Die von uns im Jahr 2010 Befragten hatten ihren Bachelor-Abschluss schon ein Jahr lang in der Tasche und ihre Entscheidung, einen Master anzuschließen oder in den Beruf einzusteigen, bereits getroffen. Unsere Daten spiegeln damit das tatsächliche Übergangsverhalten wider und nicht nur, welche Absichten es dahingehend gibt.
Wohin geht nach ihren Befunden die Entwicklung? Wird der Run auf den Master noch größer werden, oder zeichnet sich eine Entspannung ab?
Verglichen mit früheren Untersuchungen geht die Tendenz dahin, dass in den nächsten Jahren sogar noch mehr Menschen den Master anstreben könnten. Allerdings sind die Zuwächse nicht so deutlich, dass man von einem klaren Trend nach oben sprechen kann. Die Entwicklung ist ohnedies von einer Reihe von Faktoren abhängig. Wie wirken sich die gestiegenen Studierendenzahlen auf die Studierneigung Richtung Master aus? Wie wird der Bachelor künftig auf dem Arbeitsmarkt angenommen? Wird es in Zukunft ausreichend Master-Plätze geben? All das ist noch nicht ausgemacht und macht eine verlässliche Prognose schwierig.
Stand der Dinge ist, dass drei von vieren auf den Master setzen. Welche Fächer liegen über diesem Schnitt?
3 von 4 Absolventen genügt der Bachelor nicht. Sie schließen den Master an.
Zunächst einmal ist die Übergangsquote an den Universitäten höher als an den Fachhochschulen. Die höchsten Quoten weisen die Naturwissenschaften und die Mathematik auf, in manchen dieser Fächer liegen sie sogar nah bei 100 Prozent. Das ist gar nicht so verwunderlich. In der Chemie zum Beispiel war die Promotion vor der Umstellung auf die neue Studienstruktur der Regelabschluss. Starke Übergänge gibt es auch in den technischen Fächern.
Aus welchen Beweggründen handeln die Betroffenen so?
Im Vordergrund steht für viele der Wunsch, die eigenen Berufschancen zu verbessern und sich persönlich und fachlich weiterzubilden. Im Umkehrschluss ist das aber nicht gleichbedeutend damit, dass jetzt ein jeder mit dem Bachelor per se schlechte Berufschancen verbindet. Mangelndes Vertrauen in diesen Studienabschluss hat nur rund die Hälfte der Befragten. Für 80 bis 90 Prozent ist das Motiv vorrangig, mit dem Master noch mehr Optionen zu haben und sich besser aufgestellt zu wissen.
Gleichwohl steht der Bachelor in keinem besonders guten Ruf, und es gibt Studien, die Belege liefern, dass er auf dem Arbeitsmarkt weniger gefragt ist als die traditionellen Abschlüsse. Deckt sich das mit Ihren Befunden?
Mit dem Bachelor verdient man in der Tat zum Berufseinstieg weniger Geld als etwa mit einem Diplom- oder Magister-Abschluss. Bei den Fachhochschulabsolventen belaufen sich die Einbußen auf rund zehn Prozent, bei den Universitätsabsolventen auf 20 bis 25 Prozent. Das ist aber durchaus nachvollziehbar: Die Regelstudienzeit beim Bachelor beträgt an den Universitäten sechs Semester statt früher neun. An Fachhochschulen sind es jetzt sieben statt acht Semester. Daher ist es nicht überraschend, dass mit der kürzeren Ausbildungszeit auch die Gehälter zurückgegangen sind.
Andererseits war es zwar ein "Versprechen" der Bologna-Studienstrukturreform, junge Menschen schneller fit für den Beruf zu machen, aber nicht, sie mit weniger Geld abzuspeisen. Müssen sich die Leute nicht verschaukelt fühlen?
Das erscheint mir zu einseitig betrachtet, es spielen schließlich noch andere Faktoren eine Rolle. Lediglich zwei Prozent der Bachelor-Absolventen sind arbeitslos. Außerdem bewerten sie ihre Aufstiegschancen besser als diejenigen mit traditionellem Abschluss. Man muss auch die Entwicklungsperspektiven sehen. Wer zwei Jahre früher in den Beruf einsteigt, kann das, was er anfangs vielleicht weniger verdient, auf die Lebenszeit wieder aufholen. Und mit wachsender Erfahrung und auf dem Wege von Weiterbildungen steigen normalerweise auch die Einkommen. Der Stellenwert des Bachelor auf dem Arbeitsmarkt lässt sich jedenfalls nicht allein daran bemessen, welche Einstiegsgehälter sich mit ihm erzielen lassen. Was uns noch fehlt, sind Erkenntnisse über die mittel- und langfristige Entwicklung.
Es gibt jedoch durchaus auch Hinweise darauf, dass der Bachelor in der Wirtschaft nicht besonders gefragt ist. Was besagt dazu Ihre Studie?
Teil der Erhebung war auch eine Befragung von Arbeitgebern. Diese haben sich dabei überwiegend positiv und offen gegenüber dem Bachelor geäußert. Allerdings muss man die Entwicklung weiter abwarten, weil es ja bisher ja noch nicht so viele Absolventen gibt, die im Erwerbsleben stehen. Grundsätzlich besteht in der Wirtschaft aber eine Offenheit gegenüber dem Studienabschluss.
Aber genügt den Arbeitgebern ein Sechs-Semester-Bachelor oder werden nicht die bevorzugt, die schon weiterqualifiziert sind?
Es finden in der Regel auch die einen Job, die direkt von Hochschule kommen. Wobei auch das von den Fachrichtungen abhängt. Insbesondere in den technischen Berufen und mit Abstrichen auch in den Wirtschaftswissenschaften werden die Absolventen sehr gut von den Arbeitgebern aufgenommen. In den geisteswissenschaftlichen Fächern ist das etwas schwieriger.
Eigentlich sollte der Bachelor nach dem ausdrücklichen Willen der Bologna-Reformer einen hohen berufspraktischen Bezug haben. Warum gibt es dann so viele, die ihm die Berufsbefähigung absprechen?
Bei der Konzeption und Umsetzung der Bologna-Reform ist in der Tat einiges schiefgelaufen. Die Zeit- und Leistungsvorgaben waren in vielen Fällen zu rigide, wodurch gerade der Praxisbezug mitunter auf der Strecke geblieben ist. In den Geisteswissenschaften hat man lange Zeit überhaupt nicht darüber nachgedacht, was man beruflich mit einem Bachelor eigentlich anfangen soll. Inzwischen wurden aber viele Bachelor-Programme um entsprechende Konzepte ergänzt. An den Fachhochschulen hat man dagegen zumeist eines von früher zwei Praxissemestern weggekürzt – aus meiner Sicht ein falscher Schritt.
Bei sechs Semestern ist für die wenigsten ein Auslandsaufenthalt zu bewerkstelligen. Dabei war die internationale Mobilität doch das vielleicht schönste Versprechen von Bologna ...
Häufig erschwert ein enges Korsett von Reglementierungen diese Option. Das muss sicherlich weiter gelockert werden. Früher stand man Studierenden nach meinem Dafürhalten zu gleichgültig gegenüber, indem man sie zu sehr allein ließ, wenn sie Schwierigkeiten mit dem Studium hatten. Mit Bologna ist man ins andere Extrem verfallen. Es bräuchte sicherlich wieder mehr Freiräume beim Studieren, um nebenher auch noch Zeit zum Jobben, für Praktika oder einen Auslandsaufenthalt zu haben.
Nach ihren Erkenntnissen gibt es momentan noch keine Engpässe bei der Versorgung mit Master-Plätzen. Auf welche Zahlen beziehen Sie sich dabei? Denn wirklich belastbare Daten soll es dazu gar nicht geben.
Wir wissen nicht, wie viele Bewerbungen es auf wie viele Master-Studienplätze gibt. Wir kennen allerdings die Zahl der Master-Studiengänge und die Zahl der Bachelor-Absolventen, und beides lässt sich in Relation setzen. 2010 gab es 110.000 Bachelor-Absolventen und 5500 Master-Studiengänge. Damit brauchen wir im Schnitt 20 Plätze pro Studiengang, um alle versorgen zu können. Gegenwärtig sehen wir deshalb keine Anhaltspunkte für größere Schwierigkeiten, in seinem Wunschfach und seiner Wunschhochschule unterzukommen. Im Moment trifft das auf 90 Prozent der Bewerber zu.
Im Moment ...
Größere Probleme könnten sich in Zukunft beim Übergangsmanagement ergeben, weil mit der Zweistufigkeit der Studiengänge eine Sollbruchstelle geschaffen wurde. Nicht die absolute Zahl an Master-Plätzen bereitet mir Sorgen, sondern eher die rechtzeitige Verteilung der Bewerber auf die Plätze kann Probleme bringen. Es gibt eben schon jetzt sehr begehrte Masterstudiengänge. Doch oftmals bewerben sich die Studierenden dann ja auch für mehrere Studiengänge. Wenn dann die Zusage für den Wunschmaster erst recht spät kommt, dann sorgt das für Unruhe bei den Studierenden, weil sie keine Planungssicherheit haben. Die Aussicht, erst zwei Wochen vor Semesterstart zu erfahren, ob man in Bremen bleiben kann oder nach Köln umziehen muss, ist eben keine schöne. Damit steht dann jedoch nicht das Problem im Vordergrund, dass die Bachelors keinen Master-Studienplatz bekommen, sondern dass sie möglicherweise erst relativ kurzfristig die Zusage zum Wunsch-Master bekommen.
Studierendenvertreter klagen jetzt bereits über Engpässe und warnen angesichts von gegenwärtig über zwei Millionen Studierenden vor einem massiven Master-Mangel in der Zukunft. Tickt hier nicht eine Zeitbombe?
Es kann perspektivisch durchaus zu Engpässen kommen, aber das ist nicht ausgemacht. Man muss abwarten, wie sich die Übergangsquoten in den Master entwickeln. Vielleicht entscheiden ja schon bald viel mehr Bachelor-Absolventen, direkt in den Beruf einzusteigen. Und je mehr dies erfolgreich tun, desto mehr könnten ihrem Beispiel folgen. Offen ist auch, wie sich die Zahl der Master-Studiengänge entwickelt. Im Wintersemester 2011/12 gab es 6200, ein Jahr zuvor waren es noch 5500. Offenbar hält der Zuwachs im Moment noch mit dem Mehrbedarf mit. Das muss aber nicht so bleiben.
Dass aber der Bachelor zum Regelabschluss wird, wie eigentlich von den Bologna-Machern geplant, glauben aber auch Sie nicht?
Die anfängliche Vorstellung von vielen war ja die, dass nur ein Drittel im Master weiterstudiert und alle anderen mit dem Bachelor in den Beruf wechseln. Nein, daraus wird so bald nichts werden.
(rw)