Masse gleich KlasseUni-Ranking der Humboldt-Stiftung
Seit das von der Bertelsmann-Stiftung gepäppelte Centrum für Hochschulentwicklung sein CHE-Ranking (zum letztjährigen siehe hier, zur bald erscheinenden 2012er Ausgabe wird Studis Online natürlich auch berichten) als Who-is-Who-Barometer des deutschen Hochschulwesens etabliert hat, wird auch hierzulande "gerankt", was das Zeug hält. Dass dabei empirisch nicht immer sauber und seriös zu Werke gegangen wird, weil die ganze Daten- und Zahlenklauberei zu Manipulationen, Verzerrungen und Missdeutungen einlädt (vgl. unser Interview mit einem Ranking-Kritiker), geht in der medialen Berichtserstattung zumeist unter. Wen interessiert das auch, schließlich gibt es wichtigeres zu verkünden: nämlich Gewinner und Verlierer, Helden und Versager, Meister und Stümper. Das allein liefert schönste Schlagzeilen und Gesprächsstoff in Fülle. Wozu da noch nachhaken, ob all das wirklich höchsten wissenschaftlichen Ansprüchen genügt?
Jedes Ranking ist anders
Nicht selten geht bei der Aufregung sogar verschütt, was da eigentlich untersucht wurde und zu welchem Zweck. Entscheidend ist schließlich, wonach gefragt wurde, und auf dieser Grundlage lässt sich überhaupt erst eine Aussage treffen, ob die Ergebnisse von Bedeutung sind oder nicht. Anders könnte selbst die hinterletzte Wald- und Wiesenklitsche als Superuni durchgehen, nur weil vielleicht deren Mensa besonders schmackhaft kocht. Tatsächlich steht so auch hinter fast jedem Ranking ein ganz eigener Ansatz. Das eine interessiert sich für die bei der Wirtschaft eingeworbenen Drittmittel. Ein anderes fragt nach der Zufriedenheit der Studierenden mit Forschung und Lehre. Wieder andere blicken auf die Außenwirkung und wollen von Arbeitgebern wissen, welche Einrichtungen die "besten" Absolventen hervorbringen. Oder die "Qualität" einer Hochschule wird davon abgeleitet, auf wie viele Publikationen es die bei ihr bediensteten Professoren bringen.
Zwar können sich aus derlei Erhebungen und den daraus gewonnenen Ranglisten durchaus Hilfestellungen für Studierende und Studienanwärter bei der Entscheidungsfindung ergeben, an welcher Hochschule sie welches Studium antreten wollen. Allerdings durchaus nur in begrenztem Rahmen, denn Lehre und Forschung lassen sich am Ende nicht vollständig in ein Ranking pressen, das sowieso immer nur einen Ausschnitt abbildet. Und selbst bei diesem Ausschnitt sollte die Messerei objektiv ablaufen und nicht etwa interessengeleitet. Hier aber lauert die nächste Crux. Bei besagtem CHE-Ranking beispielsweise triumphieren in schöner Regelmäßigkeit die Hochschulen, die ohnehin auf Rosen gebettet sind, weil sie die meisten Drittmittel abräumen und obendrein stattliche Zuschüsse aus den öffentlichen Fördertöpfen abbekommen.
Wer setzt die Maßstäbe?
Was aber nicht jeder weiß: Das CHE ist der hierzulande mächtigste Strippenzieher beim politischen Projekt, die deutsche Hochschullandschaft in Richtung Hierarchisierung und Privatisierung umzubauen. Das Bertelsmann-Anhängsel gilt so unter anderem als Wegbereiter der Exzellenzinitiative, in deren Rahmen sich ein paar ausgewählte Hochschulen mit reichlich öffentlichen Geldern zu "Eliteuniversitäten" mausern konnten. Da wundert es kaum, dass eben diese erlesenen Einrichtungen beim CHE-Ranking alle Jahre wieder in der Spitzengruppe auftauchen. Das verheißt natürlich wieder mehr Attraktivität, Annerkennung und nicht zuletzt Geld (Drittmittel, staatliche Förderung) – und ziemlich sicher einen Platz an der Sonne beim nächsten Ranking.
Mit den Rankings wurde ein System in Gang gesetzt, in dem sich Ursache und Wirkung unablässig wechselseitig verstärken. Standorte mit ohnehin besseren Vorraussetzungen (Geld, Reputation) heimsen stets von neuem mehr Geld und Reputation ein und hängen den großen Rest der Massenhochschulen immer weiter ab. Ob sich dabei tatsächlich die höchste Qualität durchsetzt, sei dahin gestellt. Festzustellen bleibt aber: Ein alles andere als unabhängiger Akteur wie das CHE spielt sich als Richter über die Hochschulen auf und definiert dabei selbst die Richtwerte (vgl. auch den Artikel Wie das Centrum für Hochschulentwicklung Politik an Hochschulen macht).
Zweifelhafte Top-Adressen
So schweres Geschütz kann man gegen die Alexander-von-Humboldt-Stiftung sicherlich nicht auffahren. Wirklich aussagekräftig ist aber auch ihr neuestes Ranking nicht. Dafür ist der Ansatz einfach zu schlicht: Man hat sich damit begnügt, aufzuschlüsseln, wie viele "Gastaufenthalte von internationalen Spitzen- und Nachwuchswissenschaftlern" von 2007 bis 2011 an deutschen Hochschulen verzeichnet wurden. Je mehr Gastwissenschaftler, desto besser oder anders: Masse ist gleich Klasse. In der Pressemitteilung anlässlich der Veröffentlichung klingt das freilich nach mehr. Verkündet wird da: "Humboldt-Ranking zeigt die deutschen Top-Adressen für Forscher aus dem Ausland." Und die lauten: an erster und zweiter Stelle die Freie Universität (FU) und die Humboldt-Universität (HU) Berlin, gefolgt von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, der Universität Bonn sowie der Technischen Uni München (TUM). Die gesamte Liste kann hier eingesehen werden.
Das mit den "Top-Adressen" hat indes ein paar Haken. Zunächst einmal haben die Verantwortlichen nicht alle Gastspiele internationaler Wissenschaftler gezählt, sondern nur die Aufenthalte derer, die als Stipendiaten oder Preisträger der Stiftung in Deutschland forschten. In genanntem Zeitraum waren dies rund 6000. Nun ist das eine Zahl, die durchaus repräsentativ erscheint, zumal die Organisation als erste Anlaufstelle für ausländische Wissenschaftler zählt, die sich in deutschen Forschungseinrichtungen betätigen wollen. Nicht erhoben wurden aber die konkreten Motive, wegen derer die Betroffenen am jeweiligen Standort gelandet sind.
TU Cottbus ohne Chance
Top oder Flop? Rankings schaffen eine eigene Realität.
Tatsächlich bleibt es den von der Stiftung Geförderten frei überlassen, wohin sie gehen. Dass dabei immer nur streng fachliche, forschungsbezogene Aspekte eine Rolle spielen, kann man getrost ausschließen. So kann ja vielleicht die Uni Dingeskirchen das Non plus ultra in Sachen Maschinenbau sein. Nur wer geht schon freiwillig nach Dingenskirchen. Oder eben nach Cottbus, wo in fünf Jahren nur ein Humboldtianer sein Glück versucht hat. Damit stellt die dortige TU auf Platz 79 das Schlusslicht der Rangliste. "Schlechter" waren da nur noch rund 20 weitere Universitäten, an die sich wohl kein einziger Stipendiat hin verirrt hat. Ihr Glück ist es, dass sie im Ranking namentlich gar nicht erscheinen, womit sie zumindest von schlechter Presse verschont bleiben dürften.
Im Rampenlicht können sich dagegen Berlins höchste Bildungsanstalten sonnen. Nicht nur die FU und die HU erstrahlen als Sieger, dazu wird auch noch die Liste der außeruniversitären Einrichtungen und sonstigen Hochschulen vom Berliner Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) angeführt – mit großem Abstand vor der Konkurrenz. Dazu kommen 17 weitere Berliner unter insgesamt 156 Einrichtungen. Aber war der Berliner Triumphzug nicht irgendwie absehbar? Noch einmal: Junge Leute schlagen dort ihre Zelte auf, wo etwas los ist, und nicht da, wo der Hund begraben liegt. Und sie machen dort Station, wo es sich mit kleiner Brieftasche am besten aushalten lässt. Wenn sich die Münchner Unis – sonst Seriensieger bei eine Reihe anderer Rankings – bei diesem ausnahmsweise und sehr deutlich den Hauptstädtern geschlagen geben müssen, dann dürfte das auch daran liegen, dass sich nicht jeder ein Leben in Bayerns überteuerter Landeshauptstadt leisten kann.
Zahlen verdrängen Inhalte
Gewiss gibt es zahlreiche Stipendiaten – und womöglich stellen sie auch die Mehrheit – die ihre Wahl danach gerichtet haben, wo es sich am besten forschen lässt und die wissenschaftliche Karriere optimal vorangebracht wird. Nicht zufällig finden sich sechs der bislang neun zu Elite- oder Exzellenzuniversitäten geadelten Hochschulen unter den Top 10 des Rankings – die FU Berlin, die Unis von Göttingen, Heidelberg, Freiburg sowie die Münchner TUM und LMU. Aber was beweist das? Vielleicht ja, dass die endlose Rankerei selbst über die deutschen Grenzen hinweg ihre Spuren hinterlassen hat. Dass sich die Ranker gegenseitig die Bälle zuspielen und gemeinsam ein System verfestigen, nach dem "Qualität" nur mehr in Zahlen und Tabellen daherkommt und Inhalte weiter an Wert verlieren. Wem daran gelegen ist, wird es nun auch der Humboldt-Stiftung danken: Mission erfüllt. (rw)
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