Auch im WiSe 2012 Notunterkünfte nötig?Studentische Wohnungsnot
In der letzten Woche hatten wir bereits berichtet, wie es in Sachen BAföG-Antragsbearbeitung aussieht, wo es Engpässe gab und wo in näherer Zukunft welche zu erwarten sind. Da wir zu diesem Zweck einige Wissenschaftsministerien befragt hatten, nutzten wir die Gelegenheit, um auch anzufragen, was im Bereich der Studentenwohnheime und überhaupt zur Bereitstellung von kostengünstigen Wohnraum für Studierende getan wird.
Exkurs: Mietkosten unterscheiden sich stark von Stadt zu Stadt
Bezahlbarer Wohnraum für Studierende wird auch in den kommenden Wintersemester in vielen Städten begehrt sein
Ob es genügend – und vor allem auch bezahlbaren – Wohnraum für Studierende in einer konkreten Hochschulstadt gibt, liegt an verschiedenen Faktoren. Staatlich geförderte Wohnheimplätze sind einer davon und dieser ist noch am besten messbar. Geförderte Wohnheimplätze werden zu ca. 2/3 von den Studentenwerken bereitgestellt.
Schließlich wirkt sich auch der Wohnungsmarkt in der Stadt insgesamt aus und wie teuer Wohnungen auf dem "freien Markt" so sind. Die Kosten, die Studierende für das Wohnen ausgeben müssen, sind von Stadt zu Stadt extrem unterschiedlich. Eine Stadt kann wenig Wohnheime haben und trotzdem recht günstig sein, anderswo helfen auch viele Wohnheime nur begrenzt, weil selbst sie relativ teuer sein müssen (Grundstückskosten etc.). Siehe auch den Vergleich der Mietkosten (inkl. Nebenkosten) von 54 Städten auf Basis der Daten der Sozialerhebung der Deutschen Studentenwerks: In München gaben Studierende schon 2009 durchschnittlich 348 Euro aus, in Chemnitz dagegen nur 210 Euro (um nur die Spitzenreiter – teuer vs. günstig – zu nennen).
Übersicht: Öffentlich geförderter Wohnraum für Studierende
Auch wenn der Bau weiterer Wohnheimplätze nur ein Faktor ist, sollte es die Lage eher verbessern, wenn mehr gebaut wird, denn "zu viele" Plätze gibt es bisher sicher nicht. Daher schauen wir auf die aktuelle Lage und die geplanten bzw. schon in Bau befindlichen Plätze in Wohnheim der Studentenwerke. Auf einen Blick zusammengefasst in der folgenden Tabelle, ergänzende Informationen schließlich sich darunter im Text an. Leider ist ihnen nicht zu entnehmen, in welchen Städten in den jeweiligen Bundesländern neue Plätze entstehen sollen. Die Versorgung innerhalb eines Landes kann sehr unterschiedlich sein – an manchen Standorten gibt es traditionell viele Wohnheime, an anderen eher wenig (ganz selten auch gar keine).
Bundesland | Plätze | Quote | Im Bau/geplant |
Baden-Württemberg | 37.258 | 13,68 | 1.211 / 1.784 |
Bayern | 34.263 | 12,19 | 1.536 / 1.398 |
Berlin | 9.692 | 7,36 | |
Brandenburg | 6.367 | 12,52 | 403 / - |
Bremen | 1.928 | 6,63 | 63 / - |
Hamburg | 5.774 | 9,56 | |
Hessen | 13.287 | 7,40 | 142 / 929 |
Mecklenburg-Vorpommern | 3.854 | 9,81 | 64 / 30 |
Niedersachsen | 18.484 | 12,36 | 44 / 44 |
Nordrhein-Westfalen | 49.249 | 11,86 | 313 / 280 |
Rheinland-Pfalz | 11.413 | 10,23 | - / 398 |
Saarland | 1.884 | 8,30 | |
Sachsen | 16.214 | 14,45 | 64 / 36 |
Sachsen-Anhalt | 5.196 | 10,13 | 71 / - |
Schleswig-Holstein | 3.400 | 7,06 | |
Thüringen | 7.354 | 14,00 | 134 / 219 |
Deutschland | 225.617 | 11,24 | 4.045 / 5.118 |
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Stand: 01.01.2011; Quelle: Wohnraum für Studierende – Statistische Übersicht 2011 (Deutsches Studentenwerk)
Ergebnisse unserer Befragung einzelner Bundesländer
Nach aktuellen Angaben des Wissenschafts-Ministeriums wurden in Baden-Württemberg in den letzten drei Jahren über 1.600 Plätze geschaffen. Im kommenden Wintersemester sollen es weitere rund 1.450 sein und im WiSe 2013/14 sogar nochmals 1.800. Auch für die Jahre danach planten die Studentenwerke den weiteren Ausbau. Insgesamt ist das Engagement von Land und Studentenwerke löblich, hätte aber optimalerweise noch früher einsetzen sollen, da der Höhepunkt an neuen Studierenden durch den doppelten Abiturjahrgang im kommenden Wintersemester 2012/2013 zu erwarten ist.
In Bayern sind aktuell ca. 2.900 weitere Wohnheimplätze im Bau. Zu den weiteren Planungen hätte noch das bayerische Innenministerium befragt werden müssen (worauf verzichtet wurde) – die Zuständigkeit für Wohnraum liegt nicht beim Wissenschaftsministerium. Auch Bayern stockt seinen Bestand im Vergleich zu anderen Bundesländern deutlich auf, hätte aber ebenso wie Baden-Württemberg die Bemühungen früher einsetzen lassen sollen.
Berlin war offenbar lange wenig aktiv und profitierte vom allgemein niedrigen Mietniveau in der Stadt. Seit einiger Zeit jedoch ziehen die Miete stark an und zwar nicht nur in den angesagten Vierteln. Der Senat plant daher, allgemein die Zahl landeseigener Wohnungen auszubauen (es geht hier also nicht speziell um Wohnheime für Studierende, sondern auch um sozialen Wohnungsbau). Vermutlich wird das – weil ein Ausbau nicht von heute auf morgen geschieht und sich offenbar noch im Anfangsstadium befindet – aber kurzfristig keine Entlastung bringen. Die Mieten (auch) für Studierende dürften in Berlin noch einige Zeit deutlich ansteigen.
Aus Brandenburg wurden uns keine konkreten Zahlen genannt, wie viele Plätze gebaut oder geplant seien. Es wurde aber betont, dass Brandenburg – als einziges Bundesland – Mittel aus dem Konjunkturpaket II zum Bau von Studentenwohnheimen bereit gestellt habe und landeseigene Flächen für das studentische Wohnen zu einem Erbbaurechtszins von 0,0% zur Verfügung stelle.
Die schon oben in der Tabelle genannten 63 neue Wohnheimplätze (in einer Apartmentanlage) in Bremen stehen laut Angaben des Ministerium ab Mai 2012 zur Verfügung. Mehr scheint der Senat nicht zu planen, in seiner Antwort schrieb er: "In Bremen und vor allem in Bremerhaven steht ausreichend privater Wohnraum für Studierende zur Verfügung, die diese Form des Wohnens lt. Auswertung der 19. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks bevorzugen. Hinzu kommt das Angebot privater Investoren, die Wohnanlagen für Studierende in großem Umfang finanzieren und auf dem freien Markt anbieten."
In Hessen sind nach Angaben des Ministeriums inzwischen rund 1.700 neue Plätze in Bau oder Planung, davon rund 1.300 im Rhein-Main-Gebiet. Im letzteren seien in den letzten Jahren bereits mehr als 800 neue Plätze entstanden.
In Nordrhein-Westfalen sind die Fördermittel für die Studentenwerke zwar durch die rot-grüne Minderheitsregierungs aufgestockt worden, allerdings von sehr niedrigem Niveau. Konkret konnte uns das Ministerium zu Wohnheimen nichts mitteilen, die oben dargestellte Tabelle – die zwar den Stand 1.1.2011 wiedergibt, also nicht ganz aktuell ist – lässt aber befürchten, dass in NRW deutlich zu wenig getan wurde und wird, um vor allem auch schon im WiSe 2013/2014, in dem die doppelten Abiturjahrgänge im eigenen Bundesland an die Hochschulen strömen werden, relevant mehr Plätze anbieten zu können. Durch die nötig gewordenen Neuwahlen in Nordrhein-Westfalen dürften auch so manche finanziellen Mittel nicht oder erst spät fließen, was die Lage ebenfalls nicht einfacher macht.
Und noch ein paar Zahlen aus der DSW-Erhebung
Der Tiefpunkt der angebotenen öffentlich geförderten Wohnplätze war 2002 erreicht, es gab damals 221.760 Wohnplätze. Seit dann stieg die Zahl wieder leicht, allerdings nicht kontinuierlich – wahrscheinlich wurden auch immer wieder ältere Wohnheime aufgegeben oder durch Modernisierung die Zahl der Plätze verringert. 2011 lag die Zahl der öffentlich geförderten Wohnplätze bei 225.617 – im Vergleich zu 2002 ein Anstieg um gerade mal 1,7%. Die Studierendenzahlen sind in derselben Zeit um 15% gestiegen. Es stehen daher nur noch für 11,24% der Studierenden Plätze zur Verfügung, 2002 waren es noch 12,7%.
In den neuen Bundesländern gab es übrigens seit 1991 einen kontinuierlichen Abbau von Wohnheimplätzen – von 96.294 auf nur noch 39.305 Ende 2010. Ein Teil ist sicher der Tatsache geschuldet, dass es früher normal war, mehrere Studierende zusammen in einem Zimmer unterzubringen, was heute einfach nicht mehr geht. D.h. es mussten "veraltete" Wohnheime umgebaut werden unter Verringerung der Plätze. Dass die Quote der Plätze bezogen auf alle Studierende von 86,11% 1991 drastisch auf nur noch 12,73% 2010 gefallen ist, liegt weiterhin daran, dass es – im Vergleich zu 1991 – fast eine Verdreifachung der Studierenden gab (111.832 auf 295.935). Auch wenn in den neuen Bundesländern Wohnraum lange sehr günstig war, wird es in einigen beliebteren Städten langsam wieder knapper und vor allem auch teurer. Betroffen sind davon Städte wie Jena, Potsdam, Erfurt, Weimar und Dresden.
Was heißt das nun konkret?
Einige Bundesländer haben erkannt, dass es einen deutlichen Mehrbedarf an Wohnheimplätzen gibt. Sie bauen (bzw. lassen die Studentenwerke dies tun und fördern das entsprechend finanziell) verstärkt neue Wohnheime. Hier sind vor allem Baden-Württemberg, Bayern und Hessen zu nennen, auch Brandenburg ist recht aktiv. Aber selbst diese Länder haben ihre Bemühungen zu spät einsetzen lassen, der Höhepunkt der Fertigstellung neuer Wohnheime ist überall erst nach den doppelten Abiturjahrgängen zu erwarten.
Da Bayern "seinen" doppelten Jahrgang schon hinter sich hat und dieses Jahr weitere Wohnheimplätze fertiggestellt werden, könnte sich die Lage dort schon etwas beruhigen. Baden-Württemberg muss den doppelten Jahrgang jedoch dieses Jahr verkraften, hier könnte es trotz der hinzukommenden Plätze weiter Probleme wie im vergangenen Jahr geben (siehe z.B. den Bericht Studenten müssen in Notlager ausweichen aus der Badischen Zeitung aus dem Oktober 2011, der aus den Unistädten berichtet). Hessen hat zwar noch ein Jahr länger Zeit, bis der doppelte Abijahrgang 2013 kommt. Vermutlich wird es aber auch hier zumindest in einigen Städten knapp bleiben. Brandenburg baut zwar recht viel, es könnte aber lokal durch den doppelten Abi-Jahrgang 2012 durchaus zu Engpässen kommen.
Berlin ist in der Auswertung des DSW von 2011 mit keinerlei in Bau oder Planung befindlichen Wohnplätzen aufgeführt, gleichzeitig kann es sich nicht mehr darauf zurückziehen, dass es so viele günstige Wohnungen auf dem freien Markt gäbe – aktuell ziehen die Preise in Berlin deutlich an. Zumindest günstige Wohnungen werden also zunehmend schwer zu finden sein und die Wartelisten für Wohnheimplätze noch länger, als sie schon zum Wintersemester 2011 waren.
Bremen hat wenig Wohnheimplätze und gerade einmal 63 kommen dieses Jahr – dem mit dem doppelten Abijahrgang – hinzu. Es könnte also auch ein wenig knapper werden. Knapp könnte es auch in Niedersachsen bleiben, das zwar seinen doppelten Abiturjahrgang schon "durch" hat, aber auch so gut wie keine zusätzlichen Wohnheimplätze schafft und zumindest in einigen Städten 2011 mit Platzproblemen zu kämpfen hatte.
Besonders ungünstig scheint die Lage aber in Nordrhein-Westfalen zu sein. Das Land ist 2011 mit gerade 593 in Bau bzw. in Planung befindlichen Plätzen aufgeführt– die Hälfte der Baubemühungen bspw. Hessens, die noch dazu nicht einmal die Hälfte der Zahl von Studierenden aufweisen. Durch das zwischenzeitliche Regierungsvakuum (Neuwahlen im Mai 2012) und den vorläufig nicht beschlossenen Landeshaushalt 2012 dürfte es für die Studentenwerke auch besonders schwierig sein, weitere Neubauten gerade jetzt anzugehen.
Zu allen weiteren Bundesländern können wir nur auf die Zahlen aus der Tabelle oben verweisen, da es aber keine doppelten Abiturjahrgänge gibt (nur Schleswig-Holstein steht dann 2016 noch an), sind keine extremen Engpässe zu erwarten.
Früh um Wohnmöglichkeiten bemühen – oder sogar schon bei der Bewerbung an den Hochschulen die Wohnsituation mitbedenken
Grundsätzlich sollte man sich immer so früh wie möglich um geeignete Wohnmöglichkeiten bemühen, egal ob Wohnheimplatz, Untermiete, WG-Zimmer oder eigene Wohnung. Wer sich früh darum kümmert, dem sollten Turnhalle oder Zelt auf jeden Fall erspart bleiben, selbst in Städten mit engem Wohnungsmarkt.
Wer sich um einen zulassungsbeschränkte Studienplatz bewirbt, erfährt möglicherweise – vor allem bei weniger guten Abitur-Noten und damit Berücksichtigung erst in späteren Phasen des Verteilungsverfahrens – erst spät, wo er denn studieren kann. Dagegen lässt sich nur insoweit etwas tun, dass man sich explizit vor allem an Hochschulen bewirbt, in deren Städten die Wohnungssituation wahrscheinlich unproblematischer sein wird.