Institutionelle Akkreditierung von HochschulenStudium ohne anerkanntem Hochschul-Abschluss?
Aktuell geht der "Fall" der International University of Cooperative Education (IUCE) Freiburg durch die Medien. Der Wissenschaftsrat (WR) hat das Akkreditierungsverfahren Ende Januar mit einem Negativ-Urteil abgeschlossen. Da sich das Land Baden-Württemberg für die Zulassung einer privaten Hochschule an das positive Votum des Wissenschaftsrats gebunden hat (jedenfalls per Ministerratsbeschluss), kann es der Bildungseinrichtung keine staatliche Anerkennung als Hochschule aussprechen. Direkte Folge: Die Einrichtung kann ihren AbsolventInnen keine Hochschulgrade verleihen, das "Studium" könnte nicht mit staatlich anerkanntem Abschluss beendet werden.
Der Wissenschaftsrat ist für institutionelle Akkreditierungen zuständig. 58 nichtstaatliche Hochschulen wurden bereits positiv akkreditiert, 8 dagegen nicht. Weitere 23 Verfahren wurden vor einer Entscheidung abgebrochen oder ausgesetzt.
Im konkreten Fall sind Land und Hochschule noch auf der Suche nach gangbaren Lösungen, damit ihre AbsolventInnen doch nicht ohne Abschluss dastehen. Wie es im konkreten Fall ausgeht, kann noch nicht sicher vorausgesehen werden. Für die Studierenden, die in diesem Jahr ihren Abschluss machen wollten, wird es jedenfalls knapp. Dass die Hochschule noch rechtzeitig ein erneutes Akkreditierungsverfahren erfolgreich hinter sich bringen kann, scheint so gut wie ausgeschlossen. Es wird eher auf andere Lösungen hinauslaufen – bis hin zum Wechsel der Studierenden an die staatliche Duale Hochschule Baden-Württemberg.
Für Studis Online war dieser Fall Anlass, genauer nachzufragen, wie das mit der staatlichen Anerkennung von privaten Hochschulen eigentlich allgemein so läuft und worauf man als Studieninteressierter achten sollte, um mit derartigen Probleme gar nicht erst konfrontiert zu werden. Dazu muss man – leider – erst ein wenig ausholen.
Ohne Akkreditierung geht nichts mehr
Der sogenannte Bologna-Prozess mit der Vereinheitlichung der meisten Hochschulabschlüsse in Europa auf Bachelor und Master brachte in Deutschland viele Veränderungen. Denn die deutschen Hochschulen mussten damit tatsächlich alle Studiengänge neu gestalten, gab es vorher mit Diplom und Magister doch anders strukturierte Studiengänge. "Nebenbei" einigten sich die Wissenschaftsministerien der Länder und des Bundes darauf, die Genehmigung der Studiengänge auf Dauer von der Genehmigung durch die Ministerien auf Akkreditierungsagenturen zu verlagern, die auch privatwirtschaftlich betrieben werden können. Diese Agenturen wiederum werden durch den nationalen Akkreditierungsrat überprüft.
Aktuell sind allerdings noch bei weitem alle Studiengänge akkreditiert. Die Bundesländer gehen bei ihren "eigenen", den staatlichen Hochschulen bisher nicht so streng vor, in Bayern sind noch nicht einmal 20% aller aktuellen Studiengänge akkreditiert, hier wird also noch den Hochschulen selbst vertraut. Langfristig scheint es sowieso darauf hinauszulaufen, dass nicht mehr einzelne Studiengänge akkreditiert werden, sondern eine sogenannte Systemakkreditierung stattfindet, bei der nur wenige Studiengänge beispielhaft genauer angesehen werden und ansonsten geprüft wird, dass die Hochschule ein geeignetes Qualitätssicherungssystem hat, dass die Qualität der Studiengängen gewährleistet.
Private Hochschulen haben in der Regel alle Studiengänge akkreditieren lassen (bzw. waren dazu auch gezwungen, um die staatliche Anerkennung zu erhalten bzw. zu behalten). Auch bei ihnen wird es zukünftig aber öfter Systemakkreditierungen geben und nicht mehr jeder einzelne Studiengang extern begutachtet.
Akkreditierung nicht nur der Studiengänge, sondern auch der Institutionen an sich
Mit der Akkreditierung eines Studiengangs ist die Sache für private Hochschulen aber noch nicht erledigt. Auch wenn nach wie vor das Bundesland, in dem die private Hochschule ihren Sitz hat, die staatliche Anerkennung aussprechen muss, so haben im Grunde alle Bundesländer (manche explizit im Landeshochschulgesetz, andere per Erlass des Ministerrats oder ähnliches) die Anerkennung inzwischen daran gekoppelt, dass eine Akkreditierung bzw. zukünftig eine Konzeptprüfung durch den Wissenschaftsrat erfolgreich hinter sich gebracht wird.
Dies gilt allerdings nur für neue Hochschulen. Private Hochschulen, die schon vor Jahren eine unbefristete Anerkennung erhalten haben, können nicht mehr gezwungen werden, sich künftig akkreditieren zu lassen. Nur wenn das Land nachweisen könnte, dass sie dauerhaft gegen wesentliche Punkte verstoßen, die im Rahmen der Anerkennung als verbindlich festgelegt wurden, könnte die Anerkennung entzogen werden. Neue Hochschulen dagegen müssen damit leben, dass nunmehr Anerkennungen immer nur befristet ausgesprochen werden und eine regelmäßige, erfolgreiche Re-Akkreditierung stattfindet.
Normalerweise: Vorläufige Anerkennung zu Beginn
In der Regel starten private Hochschulen mit einer vorläufigen staatlichen Anerkennung, die auf den Zeitraum gewährt wurde, bis eine erste "richtige" Akkreditierung im Betrieb stattfinden kann (die IUCE Freiburg hatte dagegen auf diese vorläufige Anerkennung verzichtet, möglicherweise um schneller starten zu können). Grundlage der vorläufigen Anerkennung war bisher eine Konzeptakkreditierung durch den Wissenschaftsrat, seit diesem Jahr wird stattdessen eine sogenannte Konzeptprüfung durch den Wissenschaftsrat durchgeführt. Letzteres ist aber im Grunde nichts anderes, aber durch Änderung einiger Formalia deutlich beschleunigt worden.
Nach einigen Jahren Betrieb kommt es dann zur ersten "richtigen" Akkreditierung. Diese ist bei einigen privaten Hochschulen durchaus schon fehlgeschlagen, meist wurde der Hochschule vom jeweiligen Bundesland die Anerkennung daraufhin trotzdem nicht entzogen, sondern befristet verlängert mit der Maßgabe die Mängel zu beseitigen und sich einer erneuten Akkreditierung zu unterziehen. Evt. konnte die Hochschule in dieser Zeit auch keine neuen Studierenden aufnehmen, die bisherigen konnten aber zu einem staatlich anerkannten Abschluss geführt werden.
Regelmäßige Überprüfungen alle fünf bis zehn Jahre
Wie schon ausgeführt, werden die privaten Hochschulen alle fünf bis zehn Jahre (abhängig von der jeweils letzten Akkreditierung) einer Re-Akkreditierung unterzogen. Die Akkreditierung kann ohne Einschränkung positiv ausfallen, an Bedingungen geknüpft sein (dann muss die Hochschule bestimmte Dinge innerhalb vorgegebener Fristen korrigieren und das auch nachweisen) oder auch negativ ausgehen. Die meisten Bundesländer halten sich dann auch für die letztlich ausschlaggebende staatliche Anerkennung an die Voten des Wissenschaftsrat und verlängern die Anerkennung entsprechend den Empfehlungen des Wissenschaftsrat oder knüpfen Bedingungen an die Verlängerung. Bei einer negativen Akkreditierung würde in der Regel die Anerkennung auslaufen und zwar dergestalt, dass schon immatrikulierte Studierende noch zu einem Abschluss (staatlich anerkannt) geführt werden können, neue Studierende aber nicht mehr aufgenommen werden dürfen.
Was bei der IUCE anders lief – und nun zum Problem führt
Nun ist die IUCE nicht die einzige Bildungseinrichtung, bei der eine institutionelle Akkreditierung (zunächst) negativ ausfiel. Bei einem zweiten Anlauf (einmal wurde wohl sogar ein dritter benötigt) haben die meisten es dann doch geschafft. Weitere Einrichtungen brachen die Akkreditierungsbemühungen im Laufe des Verfahrens ab, in der Regel wohl, um Mängel zu beheben und es erst wieder zu versuchen, wenn sie relativ sicher sein konnten, das Verfahren erfolgreich durchlaufen zu können.
Das Problem der IUCE war jedoch, dass sie im Gegensatz zu anderen Einrichtungen ihren Lehrbetrieb ohne eine staatliche Anerkennung begonnen hat. Auf ihren Webseiten hatte sie ihren Gründungsstatus wenig transparent gemacht – es fehlt eigentlich überall zumindest das Kürzel "i.Gr." (für "in Gründung"). Die meisten privaten Hochschulen bemühen sich zunächst um eine befristete staatliche Anerkennung (die bisher meist an eine Konzeptakkreditierung geknüpft war; zukünftig an eine Konzeptprüfung des Wissenschaftsrats) und können dann in jedem Fall ihren AbsolventInnen einen staatlich anerkannten Abschluss bieten. Einzige Einschränkung (auch das gab es schon): Wenn die Hochschule zwischendurch pleite geht, wird es mit einem Abschluss auch schwierig – dann bleibt nur ein Hochschulwechsel.
Für die Zukunft strebt die IUCE wohl einen weiteren Akkreditierungsversuch an – und will auch entsprechende Veränderungen vornehmen, um die kritischen Punkte, die der Wissenschaftsrat genannt hatte, zu beheben. Wenn das dann alles klappt, würden wohl AbsolventInnen, die in der zweiten Jahreshälfte 2013 fertig werden, durch die IUCE einen staatlich anerkannten Abschluss erhalten können.
Worauf achten als StudieninteressierteR?
Abschluss-Franchising
Es gibt inzwischen auch Modelle, bei denen man zu einem staatlich anerkannten Hochschul-Abschluss kommen kann, ohne (dauerhaft) an einer staatlichen bzw. staatlich anerkannten Hochschule zu studieren. Dabei übertragt eine staatliche (oder staatlich anerkannte) Hochschule die Hochschule-Lehre an eine Einrichtung und nimmt im wesentlichen nur die abschließenden Prüfungen ab, um das Studium dann auch mit einem ganz normalen Hochschulabschluss zu krönen. Es gibt dafür noch nicht "den" etablierten Begriff, es wird manchmal von Franchising gesprochen (da die Abschluss vergebende Hochschule im Grunde ja ihr Studienmodell "verkauft") oder vom "DHS-Modell" (dezentrales hochschulgelenktes Studium). Bei diesen Modellen kann es sein, dass man während des Studiums bspw. kein BAföG erhalten kann, da man ja nicht an einer staatlichen bzw. staatlich anerkannten Hochschulen eingeschrieben ist (bei manchen Modellen wiederum immatrikuliert man sich doch an der jeweils titel-vergebenden Hochschule, studiert faktisch aber anderswo). Weitere Hintergründe auch in unserem Artikel "Wie staatliche Hochschulen ihre Studienabschlüsse verkaufen".
Das Problem, dass eine "Hochschule" keine staatlich anerkannten Abschlüsse verleihen kann, besteht nur bei privaten Hochschulen. Wer an einem Studium an einer privaten Einrichtung interessiert ist, sollte also wissen, dass eine "Hochschule" (ohne staatliche Anerkennung müsste sie sich in der Regel "Hochschule in Gründung", abgekürzt meist "Hochschule i.Gr." nennen) eine staatliche Anerkennung als Hochschule nachweisen muss, um tatsächlich einen Hochschulgrad wie den Bachelor selbst verleihen zu können. Zusätzlich muss in der Regel für den jeweiligen Studiengang eine Akkreditierung erfolgen. Die erfolgreiche Akkreditierung eines Studiengangs allein jedenfalls reicht nicht.
Fehlt insbesondere die institutionelle Akkreditierung auch dann noch, wenn das Studium abgeschlossen wird, kann die Hochschule keinen staatlich anerkannten Abschluss verleihen – man steht mit einer Ausbildung ohne formalen Abschluss da. Wie das aktuelle Beispiel zeigt, sollte man sich von der Selbstdarstellung der jeweiligen Einrichtung nicht blenden lassen. Selbst ein Ex-Rektor einer staatlichen Universität im Kuratorium der Einrichtung kann eben keine Garantie geben, dass es mit der Akkreditierung wirklich klappt. Nur die tatsächlich erteilte staatliche Anerkennung (das dies befristet geschieht, ist inzwischen üblich) der Hochschule und möglichst auch die bereits erfolgte Akkreditierung des jeweiligen Studiengangs kann einen ruhig schlafen lassen. Sofern die Hochschule auch auf finanziell gesunden Beinen steht.
In der Realität sind solch unschöne Konstellationen wie aktuell bei der IUCE Freiburg bisher zum Glück noch äußerst selten aufgetreten. Wer sichergehen will, sollte nach diesem Artikel wissen, worauf zu achten ist.
An staatlichen Hochschulen muss man sich um all das wenig Sorgen machen: Die staatliche Anerkennung haben sie qua staatliche Gründung, die Akkreditierung einzelner Studiengänge ist bisher noch bei weitem nicht flächendeckend erfolgt (und daher meist nicht absolut erforderlich, da die staatliche Anerkennung doch gegeben ist – evt. im jeweiligen Landeshochschulgesetzt nachlesen ...), die Finanzierung im Grunde gesichert (auch wenn sie oft nicht wirklich ausreichend ist).
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